16. März 2016

Abgangsfinanzierung am Ende?

Abb.: bilderBoxBeim Forum Gesundheitswirtschaft diskutierten Experten, ob der politische Einfluss in die operative Betriebsführung der Spitäler noch haltbar ist. Auch die aktuellen Finanzausgleichsverhandlungen waren Thema.

In Österreich werden stationäre Leistungen der Spitäler bekanntlich über die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung (LKF) abgegolten. Die LKF-Erlöse sind aber nicht kostendeckend. Die Betriebsabgänge werden großteils aus den Landesbudgets finanziert (s. unten). „Damit ist die Krankenhausfinanzierung politisch dominiert. Die Krankenhausgesellschaften sind v.a. von den Entscheidungen der Landespolitiker abhängig. Es gibt kaum Spielraum für unternehmerische Entscheidungen“, übte Dr. Max Laimböck, Studiengangsleiter am Zentrum für Gesundheitsberufe (fhg) Tirol, in seinem Eröffnungsstatement Kritik. „Da Politiker v.a. auf die Wiederwahl achten und medialen Widerstand vermeiden wollen, werden notwendige Veränderungen verunmöglicht, wie Krankenhauskonsolidierungen/Standortschließungen, Primariatsreduzierungen oder die Einrichtung Medizinischer Zentren.“

Die Folge seien hohe Kosten bei mittelmäßiger Qualität, wie OECD-Ländervergleiche regelmäßig aufzeigen. „Der Betriebsabgang der Spitäler kann nur reduziert werden, wenn die Erlöse erhöht oder die Kosten reduziert werden“, gab der Gesundheitsökonom darüber hinaus zu bedenken. „Daraus folgt ein Anreiz zur Leistungsreduzierung anstatt zu Leistungsausweitungen, Wettbewerb und Innovationen. Da ambulante Leistungen pauschal bezahlt werden, entfällt auch der Anreiz, stationäre Leistungen in den ambulanten Bereich zu verlagern.“

Als Alternative zum gegenwärtigen Vorgehen sieht Laimböck, dass die Abgangsfinanzierung auf eine Leistungsfinanzierung nach den Vorbildern Deutschland, Schweiz oder Niederlande umgestellt und gänzlich den Kassen überlassen wird und dass die Finanzierung ambulanter Leistungen wie im niedergelassenen Bereich erfolgt.

Negativeffekte in den Griff bekommen

Am klarsten gegen das Ende der Abgangsfinanzierung sprach sich Dr. Arno Melitopulos, Direktor der Tiroler GKK, aus. Mit der Thematik erfasse man nur „ein Phänomen einer strukturpolitischen Gesamtkonstruktion“, gab er zu bedenken: „Gerade haben wir viele Bälle gleichzeitig in der Luft.“

Melitopulos verwies auf die Gesundheitsreform, die mit der Vorgabe von klaren Ausgabenobergrenzen „quasi Maximalbudgets vorsieht“ – nicht nur für die fondsfinanzierten Spitäler, sondern für nahezu den gesamten Bereich der öffentlichen Gesundheitsausgaben, also auch Ärzte, Medikamente etc. „An nur einer Schraube zu drehen, wie der Abgangsdeckung im Spitalsbereich, würde die gesamte Systematik und Logik der Gesundheitsreform, mit dem Ziel, die öffentlichen Budgets zu senken, infrage stellen“, argumentierte der Kassenverantwortliche. Zugleich werde an einer Redimensionierung des Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG) und einer Stärkung des ambulanten Bereiches bis hin zu einem PHC-Gesetz gearbeitet.

Und schließlich seien die Verhandlungen zum Finanzausgleich im Gange. „Es sollen viel mehr Geldmittel durch sogenannte Reallokation aus dem System und damit aus den bestehenden Mitteln freigemacht werden und nicht, wie manche hoffen mgangögen, durch frisches Geld, das ins System kommt“, so Melitopulos. „Dadurch wird klar, dass die Finanziers Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung mit den bestehenden Mitteln auskommen müssen. Eine Aufhebung der Abgangsdeckung ist damit undenkbar, denn ihre Abschaffung würde ja auch bedeuten, dass die politische Verantwortung abgegeben wird.“ Konzentrieren sollte man sich darauf, die Negativeffekte der Abgangsfinanzierung in den Griff zu bekommen: „Die aktuelle Trägerschafts- und Finanzierungssystematik entzieht der Sozialversicherung, aber auch dem Bund die Möglichkeit, tatsächlich und operativ wesentlich in den Spitalsbereich einzugreifen.”

Marktwirtschaftliches Denken zulassen

Univ.-Doz. Dr. Thomas Koperna, KABEG Management, kennt die Negativ­effekte der Abgangsfinanzierung für die Krankenanstalten nur zu gut, etwa dass die Patienten nicht am Best Point of Service betreut werden und dass das Management kaum Handlungsspielräume hat. Als einen vorrangig notwendigen Schritt erachtet er nicht die Umstellung auf eine alleinige Finanzierung durch die Kassen. „Ein Zwischenschritt wäre, dass sich die Politik aus der Betriebsführung der Spitäler heraushält“, so sein Vorschlag. „Sie sollte sich Betreiber suchen, die nach objektiven Kriterien z.B. entscheiden, welche Leistungen wo zu erbringen sind.“

Auch Univ.-Prof. MMag. Dr. Gottfried Haber, Donau-Universität Krems, Zentrum für Management im Gesundheitswesen, glaubt nicht, dass die Abgangsfinanzierung am Ende ist. „Da Gesundheit ein öffentliches Gut ist, braucht es eine Leistungsvorhaltung“, argumentierte er. Die öffentliche Hand müsse für Mindeststandards sorgen. „Wir sollten uns darauf konzentrieren, die Subsysteme im Gesundheitssystem zu optimieren, und in diesen marktwirtschaftliches Denken zulassen.“ Die Ambulanzen sollten mutig entweder vollständig wie der extramurale Bereich finanziert oder klar dem Spitalsbereich zuordnet werden.“

Zur Abschaffung der Abgangsfinanzierung bekannte sich Dr. Axel Paeger, Vorstandsvorsitzender der AMEOS-Gruppe: „Sie entspricht nicht dem geforderten Prinzip Geld folgt Leistung. Wenn auf eine leistungsgerechte Bezahlung gesetzt wird, wird sich immer ein Träger finden, der notwendige medizinische Leistungen anbietet.“ Es gebe in vielen Bereichen eher eine Über-, denn eine Unterversorgung. Die Politik könne die Aufsicht darüber behalten, dass es zu keiner Unterversorgung kommt: „Darüber hinaus gehört sie raus aus der operativen Geschäftsführung der Spitäler.“

Woher kommt das Geld?

  • Die Finanzierung der Fondsspitäler, die mit 89 % der Aufenthalte die bedeutendsten Leistungserbringer im stationären Bereich sind, erfolgt über die Landesgesundheitsfonds, deren Erträge sich aus Mitteln von Bund, Ländern, Sozialversicherung, Gesundheitsreform und Sonstigem zusammensetzen.
  • Aufgrund unterschiedlicher Finanzierungsregelungen sind die LKF-Punkte zur Bewertung der Leistungen der Fondspitäler in jedem Bundesland unterschiedlich viel wert. So werden z.B. in Niederösterreich und Vorarlberg jeweils etwa 86 % der stationären Endkosten nach dem LKF-System beglichen, in Salzburg nur 45 %.
  • Der Betriebsabgang der Krankenanstalten ist definiert als Differenz zwischen den Einnahmen und den Betriebs- und Erhaltungskosten. Die Betriebsabgangs­deckung muss vollständig durch Land, Gemeinde und Rechtsträger erfolgen (§ 34 KAKuG). In manchen Bundesländern wird auch die Betriebsabgangsdeckung über die Landesgesundheitsfonds abgewickelt.

Quelle: Tätigkeitsbericht der Landesgesundheitsfonds, IHS HealthEcon 2015

8. Österreichischer Gesundheitswirtschaftskongress); Wien, 2. März 2016

Von Mag. Karin Martin

 

 

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune