19. Jän. 2018

Mammographie mit ernüchternder Bilanz

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BRUSTKREBS – In den Niederlanden wurde 1989 das Mammographie-Screening eingeführt. Die großen Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. (Medical Tribune 1-3/18) 

Das Mammographie-Screening konnte die Brustkrebssterblichkeit in den Niederlanden kaum senken, wie ein Team aus Epidemiologen und Statistikern im „British Medical Journal“ berichtet. Dagegen müssen viele Frauen mit Überdiagnosen rechnen. Ein Tumorscreening gilt als effektiv, wenn dadurch die prognostisch ungünstigen fortgeschrittenen Stadien seltener werden, erklärt Erstautor Prof. Dr. Philippe Autier vom International Prevention Research Institute in Lyon. Dies ist in den Niederlanden jedoch nicht der Fall: Seit Einführung des Mammographie-Screenings im Jahr 1989 haben große Tumoren kaum abgenommen. Dem gegenüber steht die Problematik der Überdiagnosen: Ein großer Anteil der mittels Screening detektierten Mammakarzinome wäre ohne die Diagnostik vermutlich nie klinisch relevant geworden.

Inzidenz fortgeschrittener Tumoren ist gleich geblieben

In den Niederlanden ist seit 1997 eine zweijährliche Untersuchung aller Frauen im Alter zwischen 50 und 75 Jahren vorgesehen. Zuvor wurden 50- bis 69-Jährige eingeladen. Autier und seine Kollegen haben untersucht, wie sich die stadienspezifische Brustkrebsinzidenz sowie die Mortalität der Betroffenen seit Screeningbeginn verändert haben. Die Forscher interessierte insbesondere die Frage, inwiefern die fortgeschrittenen Tumorstadien abgenommen haben, da dies – unabhängig von möglichen Therapieeffekten – ein Indikator für die Screeningeffektivität ist. Die Auswertung der epidemiologischen Daten ergab: Im Zeitraum zwischen 1989 und 2012 stieg die Inzidenz der In-situ- und der kleinen invasiven Karzinome deutlich an, wogegen die Inzidenz der Tumorstadien 2–4 praktisch unverändert blieb. Sie betrug im Jahr 1989 168 und im Jahr 2012 166 pro 100.000. Während des Studienzeitraums nahm die Brustkrebsmortalität in den Niederlanden altersunabhängig um etwa 38 Prozent ab. Gemäß verschiedener mathematischer Berechnungsmodelle muss allerdings davon ausgegangen werden, dass durch das Mammographie-Screening die Sterblichkeit nur um höchstens fünf Prozent gesenkt werden kann.

Zum Vergleich: Durch Verbesserungen des therapeutischen Managements ist eine Reduktion um 28 Prozent möglich. Seit der Ausweitung des Screenings auf Frauen bis zu einem Alter von 75 Jahren sowie der Umstellung auf die digitale Mammographie im Jahr 2006 hat zudem der Anteil der Überdiagnosen stetig zugenommen. Für den Zeitraum 2010–2012 berechneten die Forscher, dass etwa jedes dritte Mammakarzinom bei einer zum Screening Eingeladenen bzw. jeder zweite mittels Screening-Mammographie detektierte Tumor eine Überdiagnose darstellt. Dementsprechend muss für jeden durch das Screening verhinderten Todesfall mit 14 unnötig detektierten In-situ-Karzinomen bzw. Stadium-1-Tumoren gerechnet werden. Die Bilanz nach 23 Jahren Mammographie-Screening (1989–2012) in den Niederlanden ist ernüchternd, so das Fazit der Autoren: Die Brustkrebsmortalität hat zwar abgenommen, was jedoch offenbar nicht ein Verdienst des Screenings, sondern den modernen Behandlungsmöglichkeiten geschuldet ist.

Autier P et al., BMJ 2017; 359: j5224

Von: JL

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune