4. Okt. 2017

E-Zigaretten sind auch keine Lösung

ERS 2017 – Pneumologen sind vom aktuellen Trend zur E-Zigarette alles andere als begeistert. Und das aus guten Gründen, von denen es seit dem Kongress der European Respiratory Society wieder einige mehr gibt.(Medical Tribune 39/17)

Immer mehr Raucher steigen auf E-Zigaretten um, die sie für eine gesunde Alternative halten.
Immer mehr Raucher steigen auf E-Zigaretten um, die sie für eine gesunde Alternative halten.

Aktuelle Studien zeigen: E-Zigaretten bedeuten eine erhebliche gesundheitliche Belastung und sind kein probates Mittel zur Nikotin-Entwöhnung. So konnte erstmals demonstriert werden, dass nikotinhaltige E-Zigaretten zu erhöhter Arterien-Steifigkeit führen.1

Steife Arterien auch durch E-Nikotin

Im Rahmen der von einer schwedischen Gruppe durchgeführten Studie ließen die Forscher in einem Crossover-Modus 15 junge Freiwillige über 30 Minuten E-Zigaretten mit oder ohne Nikotin rauchen. Herzfrequenz, Blutdruck und Arterien-Steifigkeit wurden direkt nach der Exposition sowie im Abstand von zwei und vier Stunden gemessen. Die arterielle Steifigkeit wurde mittels Pulswellengeschwindigkeit und Pulswellenanalyse (AiX75, SphygmoCor) bestimmt. Die Studie ergab nach dem Rauchen der nikotinhaltigen E-Zigarette einen Anstieg des Blutdrucks über 30 Minuten sowie eine signifikante Zunahme der Herzfrequenz und der arteriellen Steifigkeit. Diese Effekte wurden mit der nikotinfreien E-Zigarette nicht beobachtet. Die Autoren unterstreichen, dass die Steifigkeit der Arterien ein unabhängiger kardiovaskulärer Risikofaktor ist. Sie gehen davon aus, dass die in ihrer Studie beobachteten Effekte auf die Wirkung von Nikotin zurückgeführt werden können.

Von konventionellen Zigaretten ist bekannt, dass die Versteifung der Gefäßwände unmittelbar nach dem Rauchen zu einem langfristigen Remodelling und einer dauerhaften Zunahme der Arterien-Steifigkeit führt. Nun müsse untersucht werden, ob es diesen Effekt auch bei der E-Zigarette gibt. „Das sind noch präliminäre Resultate, aber unsere Ergebnisse waren signifikant. Die Exposition gegenüber nikotinhaltigen E-Zigaretten erhöhte die Steifigkeit der Arterien bei den Probanden auf rund das Dreifache. E-Zigaretten werden für harmlos gehalten und von der Industrie als gesündere Alternative zur Zigarette vermarktet. Wie harmlos sie wirklich sind, steht zur Diskussion. Immer mehr Evidenz weist sehr wohl in Richtung problematischer Effekte“, kommentierte Studienautor Dr. Magnus Lundbäck vom Karolinska Institutet, Stockholm. Er wies auch darauf hin, dass diese Produkte als hilfreich für die Nikotin-Entwöhnung angepriesen werden. Sehr oft kommt es dadurch aber zu einem ganz anderen Effekt: Raucher kombinieren konventionelle Zigaretten und E-Zigaretten.

Zigarette und E-Zigarette nicht kombinieren

Dass das keine besonders gute Idee ist, sondern das Risiko respiratorischer Beschwerden massiv erhöht, zeigte eine andere im Rahmen des ERS 2017 vorgestellte Arbeit2 auf Basis der Studie Obstructive Lung Disease in Northern Sweden (OLIN) and West Sweden Asthma Study (WSAS). Im Jahr 2016 wurden die lungenkranken Teilnehmer dieser beiden Studien nach ihrem Rauchverhalten gefragt. Dabei gaben zwölf Prozent an, zu rauchen, und zwei Prozent, E-Zigaretten zu konsumieren. Dabei wurden E-Zigaretten häufiger von Männern und konventionelle Zigaretten häufiger von Frauen konsumiert. Unter den Rauchern griffen 9,8 Prozent auch zur E-Zigarette im Vergleich zu 1,1 Prozent bei den Ex-Rauchern und 0,6 Prozent bei den Nicht-Rauchern (p < 0,001). Respiratorische Symptome traten am häufigsten bei Studienteilnehmern auf, die sowohl Zigaretten als auch E-Zigaretten konsumierten (56 %), gefolgt von den Rauchern (46 %), ausschließliche E-Zigaretten- Konsumenten (34 %) und Nichtrauchern (26 %). Die Autoren schlagen vor, dass weitere Studien zum Einfluss von E-Zigaretten auf respiratorische Beschwerden durchgeführt werden sollten.

Reizstoffe in den E-Liquids verursachen Symptome

Diese Befunde erstaunen angesichts einer weiteren im Rahmen des Kongresses vorgestellten Studie kaum.3 Denn die in E-Zigaretten eingesetzte Flüssigkeit enthält in vielen Fällen Substanzen, die als Reizstoffe für die Atemwege bekannt sind. Für die Studie wurden 122 der meistverkauften „e-liquids“ aus neun europäischen Staaten analysiert. Dabei wurde in allen Proben zumindest eine Substanz gefunden, die nach dem Globally Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals (GHS) in irgendeiner Weise als riskant oder gefährlich eingestuft wird. Konkret wurde in 26,3 Prozent der Proben Methylcyclopentanolon und in 8,7 Prozent α-Jonon gefunden. Beide Substanzen können laut GHS „Allergien, Asthma-Symptome oder Atemprobleme“ auslösen, wenn sie inhaliert werden. Methylcyclopentanolon kann zusätzlich noch „respiratorische Irritationen“ verursachen. Weitere identifizierte Substanzen, die zu „respiratorischer Irritation“ führen können, waren Menthol (42,9 % der Proben), Äthylvanillin (16,5 %) und Acetylpyrazin (8,2 %).

Unabhängige Forschung forcieren

Ungeachtet dieser Daten wird in Europa immer häufiger versucht, mittels E-Zigaretten die Tabaksucht loszuwerden. Der Anstieg der Entwöhnungswilligen, die zur E-Zigarette greifen, stieg zwischen 2012 und 2014 von 3,7 Prozent auf 11,0 Prozent. Gleichzeitig wurden Nikotinersatztherapien und spezialisierte Einrichtungen immer weniger in Anspruch genommen.4 „Unsere Arbeit betrifft eine große Zahl von Menschen und unsere Ergebnisse können helfen, vielen Betroffenen zukünftige Gesundheitsprobleme zu ersparen. Es ist überaus wichtig, dass die Langzeitwirkungen der E-Zigaretten in Studien untersucht werden, deren Finanzierung von der Industrie unabhängig ist“, kommentiert Lundbäck.

Referenzen:
1 Lundbäck M et al. Acute effects of ac tive e-cigarette inhalation on ar terial stiffness. ERS 2017, Abstract 4619
2 Hedman L et al. Highest prevalence of respirator y symptoms among smokers who also use e-cigarettes. ERS 2017, Abstract 3012
3 Vardavas C et al. Evaluation of respirator y irritants among the most popular e-cigarette refill liquids across 9 European countries. ERS 2017, Abstract 4135
4 Filippidis F et al. Smoking Cessation in Europe: Trends in methods used in the European Union between 2012 and 2014. ERS 2017, Abstract 4168

ERS-Kongress der European Respirator y Society; Mailand, September 2017

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune