25. Sep. 2017

Nützt es nichts, so schadet es auch nichts?

Der Trend zur Nahrungsergänzung ist ungebrochen. Doch vielen Patienten ist nicht bewusst, dass die rezeptfreien Präparate nennenswerte Interaktionen mit Medikamenten bewirken. Besonders gefährdet: Vitamin-K-Antagonisten und im Speziellen Warfarin. (Medical Tribune 38/2017)

Der Trend zum Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung bewirkt, dass die Regale in Apotheken und Drogeriemärkten immer voller werden. Ob klassisches Multivitaminpräparat oder Extrakt einer exotischen Frucht, das Angebot an Nahrungsergänzungsmitteln wird immer vielseitiger. Nicht von ungefähr nimmt etwa ein Drittel der Österreicher regelmäßig Nahrungsergänzungen ein. Notwendig ist das aber bei den wenigsten. Denn nach wie vor sind sich Ernährungswissenschaftler einig, dass eine vielseitige und ausgewogene Ernährung alle notwendigen Nährstoffe liefert. Nahrungsergänzungsmittel sollten daher nur dann eingenommen werden, wenn die gewählte Ernährungsweise nicht alle Nährstoffe enthält (z.B. bei veganer Ernährung) oder sich tatsächlich ein Mangel durch Symptome beziehungsweise Blutparameter nachweisen lässt. Das ist beispielsweise bei vielen Österreichern bei Vitamin D3 der Fall, was eine Supplementierung über die Wintermonate sinnvoll macht.

Spezielle Lebenssituationen

Auch viele Medikamente können bei längerer Einnahme Mängel bewirken, wie etwa bei Protonenpumpenhemmern, bei denen vermehrt Vitamin B12 zugeführt werden sollte. Ebenso kann die Antibabypille zu einem Folsäuremangel führen, weswegen bei Absetzen der Pille und Kinderwunsch unbedingt Folsäurepräparate eingenommen werden sollten. Auch in speziellen Lebenssituationen wie zum Beispiel der Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei chronischen Erkrankungen und nach bariatrischen Operationen ist eine Supplementierung von bestimmten Substanzen sinnvoll.

Keinesfalls empfehlenswert ist aber die Einnahme von Präparaten nach dem Motto „Selbst wenn es nichts nützt, schadet es nicht“. Denn gerade Menschen mit chronischen Erkrankungen möchten häufig zusätzlich etwas für ihre Gesundheit tun und nehmen entsprechende Pillen in der Hoffnung ein, es könne ihren Zustand verbessern. Problematisch ist jedoch, dass der Markt an Nahrungsergänzungsmitteln nur schwer überwacht werden kann, da sie gesetzlich als Lebensmittel eingestuft werden. Das bedeutet, dass zwar keine unerlaubten, gesundheitsbezogenen Angaben gemacht werden dürfen, jedoch müssen die Substanzen bei Weitem nicht so gut erforscht und überwacht werden wie dies bei Arzneimitteln der Fall ist.

Interaktion mit Warfarin

Ebenso wie die Langzeiteffekte und Nebenwirkungen sind die Wechselwirkungen mit verschreibungspflichtigen Medikamenten daher nur schwer einschätzbar. Doch gerade chronisch Kranke nehmen meistens auch viele Medikamente ein und wissen nicht, dass hierbei Interaktionen entstehen können. Eine Wirkstoffgruppe ist dabei besonders gefährdet: Vitamin-K-Antagonisten und im speziellen Warfarin. Hierzu gibt es relativ viele Daten, welche Nahrungsergänzungsmittel die Einstellung mit diesem Medikament durcheinanderbringen. Beispielsweise können Extrakte von Cranberry, Ginkgo, Goji-Beeren, Ingwer, Rotwurzelsalbei, Ananas, Knoblauch, sowie Fischölkapseln, Vitamin E und Chondroitin die Blutgerinnung verlangsamen und somit die Wirkung verstärken. Ginseng hingegen, steht unter Verdacht die Wirkung herabsetzen zu können. In allen Fällen müssen die Gerinnungswerte im Blut engmaschiger kontrolliert werden, um eine passende Dosis zu erreichen. Weitere Beispiele von möglichen Wechselwirkungen, die jedoch noch vermehrt erforscht werden müssen, betreffen etwa Knoblauchpräparate in Kombination mit HIV-Medikamenten sowie Fischölkapseln mit Chemotherapien. Bei beiden Kombinationen kann es im schlimmsten Fall zu einer Wirkungsabschwächung des Arzneimittels kommen.

Roter Reis

Dass Nahrungsergänzungsmittel mitunter auch eine sehr starke Wirkung entfalten können, beweist das Beispiel des rot fermentierten Reises, der als Präparat zur Cholesterinsenkung in Form eines Nahrungsergänzungsmittels vertrieben wird. Die enthaltene Substanz Monacolin K ist identisch mit dem Wirkstoff Lovastatin und hat die gleiche pharmakologische Wirkung.

Es macht daher Sinn, die Patienten im ärztlichen Gespräch immer zu fragen, ob zusätzlich Präparate eingenommen werden. Letztlich muss dann auch deren Nutzen und Notwendigkeit hinterfragt werden, insbesondere dann, wenn der Patient sehr viele Medikamente einnehmen muss. Welche Dosis an Extrakten in Pillen, Tropfen oder Pulvern enthalten sein muss, um derartige Wechselwirkungen auszulösen ist schwer einzuschätzen, in normalen Verzehrsmengen der einzelnen Lebensmittel (mit Ausnahme von Grapefruitsaft) sind aber üblicherweise kaum Probleme zu erwarten.

 Links zum Thema

Informationen der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES):
https://www.ages.at/themen/lebensmittelsicherheit/nahrungsergaenzungsmittel/

Informationen der deutschen Verbraucherzentrale:
https://www.verbraucherzentrale.de/nem-wechselwirkungen-mit-medikamenten

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune