PURE-Studie: Kippt die Ernährungspyramide?
Daten aus dem Prospective Urban-Rural Epidemiology (PURE) Register mit mehr als 135.000 Teilnehmern im Alter zwischen 35 und 70 Jahren aus Nord- und Südamerika, Europa, dem Nahen Osten, Südasien, China, Südostasien und Afrika könnten die aktuellen Ernährungsempfehlungen ins Wanken bringen. Sie zeigen nämlich einen protektiven Effekt von Fettkonsum im Hinblick auf die Gesamtmortalität.1 Im Gegensatz dazu war ein hoher Kohlenhydrat-Konsum mit erhöhter nicht-kardiovaskulärer Mortalität sowie erhöhter Gesamtmortalität assoziiert. Der Kohlenhydrat-Konsum im höchsten Quintil war im Vergleich zum niedrigsten Quintil mit einer signifikanten Risikoerhöhung um 28 Prozent assoziiert.
Das kardiovaskuläre Risiko wurde weder durch Fett, noch durch Kohlenhydrate beeinflusst. PURE erfasste auch Assoziationen zwischen dem Konsum bestimmter Fette und Sterblichkeit sowie kardiovaskulärem Risiko. Hier zeigte sich das gleiche Bild: Sowohl gesättigte als auch einfach und mehrfach ungesättigte Fette sind mit steigendem Konsum mit reduzierter Mortalität assoziiert, während sie keinen Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko haben. Hier war Fettkonsum im höchsten Quintil im Vergleich zum niedrigsten Quintil assoziiert mit signifikanten Reduktionen der Mortalität um 23 Prozent, des Schlaganfall-Risikos um 18 Prozent sowie der nicht kardiovaskulären Mortalität um 30 Prozent.
Mehr ungesättigte Fette essen, länger leben?
Die Ergebnisse waren für alle untersuchten Regionen konsistent. Im Rahmen der Auswertung von PURE wurden auch Modellrechnungen angestellt, die den Austausch von fünf Prozent Energie aus Kohlenhydraten durch andere Energieträger simulierten. Dabei schnitten die mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFA) am besten ab: Ersetzt man fünf Prozent der Energie aus Kohlenhydraten durch PUFA, so könnte man damit eine signifikante Reduktion der Mortalität um rund zehn Prozent erreichen. Das kardiovaskuläre Risiko ließe sich auf diesem Wege nicht beeinflussen. Als Stärke der Studie nennt Dr. Mahshid Dehghan vom Population Health Research Institute der kanadischen McMaster University vor allem die Größe der Kohorten und den globalen Zuschnitt des Registers. Zu den Schwächen gehört die fehlende Möglichkeit, den Konsum von Trans-Fetten zu erheben. Auch bestünde die Möglichkeit, dass eine kohlenhydratreiche und fettarme Kost ein Indikator für Armut sein könnte. Allerdings veränderten statistische Adjustierungen hinsichtlich soziökonomischer Daten das Ergebnis nicht.
Dehghan: „Aus unseren Daten folgt, dass eine kohlenhydratreiche Kost mit einem Kohlenhydrat-Anteil über 60 Prozent mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert ist, während eine Assoziation von hohem Fettkonsum mit reduzierter Sterblichkeit besteht. Die aktuellen Empfehlungen, den Fettanteil an der gesamten Energieaufnahme mit 30 Prozent zu begrenzen werden von unseren Daten ebenso wenig gestützt, wie die Empfehlung nicht mehr als zehn Prozent der Gesamtenergie in Form von gesättigten Fetten zu konsumieren.“
Was sich nicht ändert: Obst und Gemüse bleiben gesund
In einem anderen Punkt bestätigen die Ergebnisse von PURE jedoch die bestehenden Ernährungsempfehlungen: Der Konsum von Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten senkt die Mortalität2, wobei auch hier die nicht-kardiovaskuläre Mortalität der treibende Faktor war. Im Vergleich zu weniger als drei Portionen Obst im Monat führten drei Portionen Obst am Tag zu einer Reduktion der Gesamtmortalität um 18 Prozent. Eine Portion Hülsenfrüchte pro Tag senkten im Vergleich zu weniger als einer Portion Hülsenfrüchte pro Monat die Sterblichkeit um 26 Prozent. Für Gemüse waren die Assoziationen nicht signifikant.
Allerdings legen die Daten nahe, dass die Wirkungen von Gemüse mit der Zubereitung zu tun haben könnte. Denn ein statistischer Trend in Richtung einer Senkung des kardiovaskulären Risikos und des Mortalitätsrisikos durch Konsum von rohem im Vergleich zu gekochtem Gemüse war nachweisbar.
Signifikanz wurde allerdings nicht erreicht. Dies liege, so Studienautor Dr. Andrew Mente, ebenfalls vom Population Health Research Institute der Mc-Master University, vor allem an den Ernährungsgewohnheiten vieler untersuchter Länder. Da rohes Gemüse in Südasien, Südostasien und Afrika so gut wie nicht gegessen wird, fehle es schlicht und einfach an Daten.
Mente unterstreicht allerdings, dass aktuelle Ernährungsempfehlungen nicht zwischen rohem und gekochtem Gemüse unterscheiden und man hier in Zukunft möglicherweise werde umdenken müssen.
Mente betonte, dass es sich hier einerseits um die erste Studie handelt, die die gesundheitlichen Wirkungen von Obst und Gemüse auch in Ländern mit niedrigem Bruttosozialprodukt untersuchte, und dass die Daten von PURE zweitens zeigen, dass bereits relative geringe Mengen gesundheitsfördernde Effekte haben dürften.
„Optimaler Effekt mit 375 bis 500 g Obst und Gemüse“
Mente: „Die Empfehlungen in Europa und Nordamerika sprechen von 400 bis 800 Gramm Obst und Gemüse am Tag. Das können sich viele Menschen in der Dritten Welt schlicht und einfach nicht leisten. In unserer Studie fanden wir nun einen optimalen Effekt mit Mengen zwischen 375 und 500 Gramm. Noch höherer Konsum brachte keinen zusätzlichen Vorteil im Hinblick auf die Mortalität.“ Als besonders
günstig erwiesen sich Hülsenfrüchte. Eine Portion Hülsenfrüchte pro Tag senkten im Vergleich zu weniger als einer Portion Hülsenfrüchte pro Monat die Sterblichkeit um 26 Prozent, wobei dieser Effekt von einer Reduktion der nicht-kardiovaskulären Mortalität getrieben wurde.
Referenzen:
1) Dietary fats are protective but carbohydrates are harmful: First results of the PURE nutrition study on 135,000 people from 18 countries in 5 continents, präsentiert von M. Dheghan im Rahmen des ESC 2017, FP 4967
2) Fruit, vegetable, and legume intake and cardiovascular disease and deaths: The Prospective Urban Rural Epidemiology (PURE) study of 135,000 people in 18 countries, präsentiert von M. Mente im Rahmen des ESC 2017, FP 4966
European Society of Cardiology (ESC) 2017; Barcelona, August 2017
PURE wurde zeitgleich mit der Präsentation im Lancet publiziert.