Adipöse Schwangere und ihre Risiken
Etwa ein Drittel der Frauen im gebärfähigen Alter ist übergewichtig oder adipös. Daher gibt es auch immer mehr adipöse Schwangere. Welche Risiken damit einhergehen und was es bei Untersuchung und Beratung zu beachten gilt, war Thema auf der Jahrestagung der Gynäkologen. (Medical Tribune 26/2017)
Zwei- bis viermal so viele Fehlbildungen, ein höheres Risiko für Präeklampsie, häufigerer intrauteriner Fruchttod, die Gefahr eines Gestationsdiabetes und mehr makrosome Feten sind nur die Spitze des Eisbergs. Die Liste der Risiken, die bei adipösen Schwangeren im Vergleich zu Frauen mit gesundem Ausgangsgewicht erhöht sind, scheint schier endlos. „Übergewicht beziehungsweise Adipositas an sich korreliert mehr oder weniger linear mit allen in unserem Fachgebiet nur denkbaren Risiken“, bringt Dr. Monika Rehn, Leitung der Pränatalmedizin und Ultraschalldiagnostik am Universitätsklinikum Würzburg, das Problem gleich eingangs auf den Punkt.
Schwere Last von Anfang an
Die Probleme betreffen nicht nur alle Phasen der Schwangerschaften bis zur Geburt, sondern gehen auch noch darüber hinaus: Die Kinder laufen Gefahr, später selbst übergewichtige oder adipöse Erwachsene zu werden. Mitverantwortlich dafür ist wohl, dass adipöse Mütter signifikant seltener stillen. Der Ursprung der einzelnen Pathologien ist nicht vollständig geklärt. Bei den erhöhten Raten an Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und Herzfehlern geht man davon aus, dass ein immer leicht erhöhter mütterlicher Blutzuckerspiegel beziehungsweise auch ein nicht erkannter Diabetes eine Rolle spielen könnte, erklärt Rehn. Dafür, dass signifikant häufiger Neuralrohrdefekte vorkommen, dürfte ein Folsäuremangel verantwortlich sein. Zustande kommen könne dieser, so Rehn, einerseits durch präkonzeptionell durchgeführte einseitige Diäten. Andererseits führe das erhöhte mütterliche Verteilungsvolumen dazu, dass auch bei eigentlich ausreichender Folsäureaufnahme zu wenig davon beim Feten ankomme.
Probleme beim Schallen
„Dass unsere Ultraschallmöglichkeiten bei der übergewichtigen oder adipösen Schwangeren eingeschränkt sind, ist ja nichts Neues“, hält Rehn lapidar fest. Problematisch seien die geringen Visualisierungsraten von Nackentransparenz und Nasenbein, „gerade bei diesen Patientinnen, die ja ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen haben“. Hinzu komme, dass auch die nicht-invasive Chromosomenanalyse aus dem maternalen Blut weniger erfolgversprechend sei: Grund ist die niedrigere fetale Fraktion der zellfreien DNA. Zusätzliche Fallstricke ergeben sich durch Confounder: So ist die Nackentransparenz bei später makrosomen Kindern signifikant breiter. Allerdings könne man sich bei der Diagnostik auch behelfen: „Gerade in der frühen Schwangerschaft können sich Organe, wie beispielsweise das Herz, mit der transvaginalen Sonographie besser darstellen lassen als später im Fehlbildungsscreening nach 20 Schwangerschaftwochen“, erklärt die erfahrene Pränataldiagnostikerin. Sie rät dazu, im ersten Trimenon eine differenzierte Sonographie „zumindest anzubieten“.
Zum Sport motivieren?
In ihrer 2016 veröffentlichten Strategie zur Bekämpfung der kindlichen Adipositas nennt die WHO auch die Begrenzung der Gewichtszunahme während der Schwangerschaft als wichtige Maßnahme. Ob Interventionen wie Bewegungsangebote und Ernährungsberatung für Frauen, die bereits übergewichtig oder adipös in die Schwangerschaft starten, wirklich helfen, ist nicht ganz klar. Die Studienlage ist dazu widersprüchlich. Eine im Mai veröffentlichte Cochrane-Analyse kommt zu dem Schluss, dass sich weder in Hinblick auf Diabetes noch in Hinblick auf Geburtsverletzungen signifikante Vorteile durch die Intervention ergeben. Allerdings zeigten die Mütter in der Interventionsgruppe einen höheren postpartalen Gewichtsverlust, weniger postpartale Depressionen und seltener makrosome Kinder.
Risiken für adipöse Schwangere und deren Babys
- Fehlbildungen (OR ~ 2)
- Makrosomie (OR 2–3)
- Präeklampsie (OR 4)
- Frühgeburt (OR ~ 2)
- Sectio (1,5–3)
- Intrauteriner Fruchttod (OR 1,3–3)
- Postpartale Depression (OR 1,3)
- Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (OR 1,2–1,3)
- Herzfehler (OR 1,8–2)
- Neuralrohrdefekte (OR 1,2–3,5)
Im „Norwegian Fit for Delivery Trial“ proftierten hinsichtlich Insulinspiegel nur Mütter mit normalem Ausgangsgewicht von Sport und Diät. Beim Geburtsgewicht gab es keine Unterschiede. In einer dänischen Interventionsstudie waren keine Vorteile gegenüber der Kontrollgruppe nachweisbar. Das könnte allerdings auch am Studiendesign gelegen haben, so Rehn, denn: „Man kann ja nicht doppelblind zu einer Sportgruppe gehen.“
Im Vergleich zu einer im Nachhinein zusätzlich analysierten Gruppe, die gar nicht in die Studie eingeschlossen war, schnitten nämlich alle Studienteilnehmerinnen, auch jene in der Kontrollgruppe, hinsichtlich Geburtsgewicht und Abdomenumfang des Kindes deutlich besser ab. „Wahrscheinlich haben sich auch die, die nicht in der Interventionsgruppe waren, aufmerksamer verhalten und waren sich bewusster, dass ein Problem vorliegt.“ Für Rehn ist klar: „Wenn Patientinnen entsprechend motiviert sind, besteht ein Interventionsgrund.“ Gerade Schwangere seien meist besonders motiviert, etwas für ihre Gesundheit zu tun. Der erhobene Zeigefinger sei dabei allerdings fehl am Platz, betont Rehn, stattdessen lohne es sich, das Problem „empathisch und ohne Vorurteile anzusprechen“.
OEGGG-Jahrestagung; Wien, Juni 2017