Wann ein Lungenrundherd Abklärung braucht

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KONGRESS – Umschriebene intrapulmonale Parenchymverdichtungen sind ein häufiger Zufallsbefund von Lungenröntgen. Bei den Grazer Fortbildungstagen erklärte Dr. Robert Wurm, warum nicht jede Verschattung unbedingt abgeklärt werden muss. 

Laut Leitlinien spricht man dann von einem isolierten Lungenrundherd, wenn die Verschattung einen Durchmesser von weniger als drei Zentimetern hat, komplett von Lungengewebe umgeben ist und weder eine Atelektase, ein verplumpter Hilus noch ein Pleuraerguss vorliegen. Das Spektrum möglicher Ursachen reicht von granulomatösen Infektionen, parasitären Erkrankungen, Bindegewebserkrankungen und gutartigen Tumoren bis hin zu Bronchialkarzinomen und Metastasen. Zur Prävalenz von Lungenrundherden finden sich in der Literatur ganz unterschiedliche Zahlen.

Die Häufigkeit hängt vor allem von der untersuchten Patientengruppe und der Auflösung des bildgebenden Verfahrens ab: In der ELCAP-Studie wurde mittels Thoraxröntgen bei sieben Prozent der untersuchten Raucher ein suspekter Knoten entdeckt. Durch Verwendung eines Low-dose-CTs konnte dieser Prozentsatz auf 23 Prozent gesteigert werden. Mit hochauflösenden Verfahren sieht man, dass sogar 50 Prozent aller gesunden Untersuchten einen oder mehrere Rundherde in der Lunge haben.

Patientenpfad Lungenrundherd

Meist sind solitäre Lungenrundherde Zufallsbefunde im Thoraxröntgen. Wie in so einem Fall weiter vorzugehen ist, erklärt Dr. Robert Wurm, Klinische Abteilung für Lungenkrankheiten, Univ. Klinik für Innere Medizin (UKIM) Graz: „Für Patienten, die uns mit einem solchen Befund von niedergelassenen Kollegen zugewiesen werden, haben wir im Rahmen des Comprehensive Cancer Center Graz einen Patientenpfad ‚Lungenrundherd‘ erstellt.“ Zur Basisdiagnostik gehören die Anamnese, die Erfassung des Risikoprofils (Rauchen, Familienanamnese, …) und die klinische Untersuchung. Dazu kommen als bildgebende Verfahren Thoraxröntgen und CT-Thorax sowie ein Basislabor.

„Bitte keine Tumormarker abnehmen!“, so der Pneumologe. „Das macht in diesem Stadium überhaupt noch keinen Sinn.“ Ein ganz wichtiger Aspekt ist der Vergleich mit Vorbefunden. Fast jeder Patient hat zu Hause alte Lungenröntgenbilder oder CT-Befunde. Wann immer es möglich ist, sollten die aktuellen Aufnahmen mit den alten Bildern verglichen werden. Dem Patienten kann damit unter Umständen einiges erspart bleiben: Wenn bereits in einer längere Zeit zurückliegenden Voruntersuchung ein isolierter peripherer Rundherd vorhanden war, der sich in der Größe nicht verändert hat, ist eine weitere Observanz ausreichend. Bei Progredienz ist jedoch unbedingt eine Abklärung anzustreben.

Rundherde mit einer Größe von bis zu 8 mm

Bei neu entdeckten Verschattungen hängt die weitere Diagnostik in erster Linie von der Größe des Rundherdes ab. Acht Millimeter sind hier eine kritische Grenze. Wenn der Patient keine Risikofaktoren für ein Lungenkarzinom hat und es radiomorphologisch keine Hinweise auf Malignität gibt, beschränkt sich die weitere Vorgangsweise bei einer Größe bis zu 8 mm im Wesentlichen auf radiologische Verlaufskontrollen. Bei Rundherden bis zu 4 mm wird nur ein optionales CT empfohlen. Rundherde zwischen 4 und 6 mm sollten nach einem Jahr mittels Computertomographie nachkontrolliert werden.

Ist der Befund dabei unverändert, sind keine weiteren Kontrollen erforderlich. Liegt die Größe zwischen 6 und 8 mm, sollte dem Herd schon etwas mehr Augenmerk geschenkt werden: Im Behandlungspfad ist dann eine Computertomographie nach sechs bis zwölf Monaten vorgesehen. Bei stabilem Befund wird empfohlen, diese Kontrolle nach eineinhalb Jahren bis zwei Jahren zu wiederholen. Anders sieht es aus, wenn der Patient Risikofaktoren für ein Lungenkarzinom aufweist: Hier sollte in jedem Fall eine weitere Abklärung angeboten werden.

Größere Rundherde und Malignitätsrisiko

„Ist der neu entdeckte Rundherd größer als acht Millimeter, sollte mit dem Patienten ein ausführliches Gespräch über das Malignitätsrisiko geführt werden“, rät Wurm. Wird das Malignitätsrisiko sehr gering eingeschätzt, ist eine CT-Verlaufskontrolle möglich. Da jedoch bereits das Alter als Risikofaktor gilt, ist es bei der Mehrzahl der Betroffenen unumgänglich, weitere Untersuchungen anzuschließen. Eine Ausnahme sind Patienten, deren Lungenfunktion bereits so schlecht ist, dass der Allgemeinzustand keine Operation oder Bestrahlung mehr erlauben würde. Eine Situation, die bei starken Rauchern mit fortgeschrittener COPD gar nicht so selten ist.

„Wenn ich keine Option mehr habe, dem Patienten zu helfen, macht auch eine Abklärung keinen Sinn“, erklärt Wurm. Hinweise auf die Dignität eines Herdes kann die Positronenemissionstomographie liefern: Da in Tumoren vermehrt Glukose verstoffwechselt wird, findet man in der FDG-PET in den fraglichen Regionen eine erhöhte Aktivität des radioaktiv markierten Glukoseanalogons FDG. Eine spezifische Diagnose erlaubt aber erst die nicht-chirurgische Biopsie. Die Gewebeproben können mittels Bronchoskopie oder durch eine CT-gesteuerte Punktion von außen gewonnen werden. Für schwerkranke Patienten unter Umständen ein nicht ganz unproblematischer Eingriff: Bei schlechter Lungenfunktion kann ein Pneumothorax als mögliche Komplikation einer CT-gesteuerten Biopsie lebensbedrohlich sein.

Therapie abhängig vom Operationsrisiko

Nach Vorliegen eines histologischen Befundes wird die weitere Vorgangsweise heute in der Regel in einem Tumorboard besprochen. Ob bei nachgewiesener Malignität die beste Behandlungsoption für den betreffenden Patienten eine chirurgische Resektion, Chemo- oder Radiotherapie ist, hängt nicht nur vom Tumor-Staging ab, sondern auch vom individuellen Operationsrisiko. Bei Tumoren, die chirurgisch entfernt werden und sich noch nicht in benachbarte Lymphknoten ausgebreitet haben, ist keine adjuvante Chemotherapie erforderlich. In fortgeschritteneren Stadien kann die Rezidivrate durch die Chemotherapie zusätzlich gesenkt werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich die Patienten von der Operation gut erholen und nach sechs bis acht Wochen wieder annähernd so fit sind wie vor dem Eingriff. „Wenn die Patienten sich erst nach drei bis vier Monaten einigermaßen erholt haben, sollte die adjuvante Chemotherapie nicht mehr durchgeführt werden“, schränkt Wurm ein.

Screening von Risikopatienten

Ob das Niedrigdosis-CT zur Lungenkrebsfrüherkennung bei Personen mit hohem Erkrankungsrisiko geeignet ist, wird kontrovers diskutiert. Studien zeigen, dass die Lungenkrebssterblichkeit dadurch um etwa 20 Prozent gesenkt werden kann. Erkauft wird dieser Erfolg allerdings durch eine hohe Rate falsch-positiver Ergebnisse. Wurm hält das CT-Screening bei Menschen mit hohem Risiko dennoch für gerechtfertigt: „Wenn man das macht, muss man das aber auch wirklich durchziehen und Befunde weiter abklären, bis man ein eindeutiges Ergebnis hat.“

Grazer Fortbildungstage; Graz, Oktober 2016

Wahrscheinlichkeit für Malignität

Die Wahrscheinlichkeit eines Lungenrundherdes ist erhöht bei …

  • Rauchen
  • höherem Alter
  • maligner Erkrankung in der Vorgeschichte
  • größerem Herd
  • Größenzunahme im Vergleich zum Vorbefund
  • radiomorphologischen Malignitätszeichen (unregelmäßiger Rand, Spiculae)
  • hoher Aktivität im FDG-PET-Scan
  • Lokalisation im Oberlappen
Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune