1. Sep. 2016

In der Schwangerschaft auf Fischsorte achten

Ob Fischverzehr in der Schwangerschaft für die fetale Entwicklung primär einen Nutzen oder ein Risiko darstellt, ist in der rezenten Literatur nicht eindeutig beantwortet. Wichtig ist die richtige Wahl der Fischsorte.

Schadstoffe in Fischen sind kein Thema der Vergangenheit, im Gegenteil: Aufgrund des Klimawandels und damit einhergehender Umwälzungen von Wassermassen sei in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sogar mit Verschlechterungen zu rechnen: „Auch für Schadstoffe, bei denen wir davon ausgehen, dass sie rückläufig sind“, sagte die Biologin Assoc. Prof. Priv.-Doz. Mag. Dr. Claudia Gund­acker, Medizinische Universität Wien, beim ÖGE Symposium „Fisch und Fleisch“.

Laut einer rezenten Auflistung der Europäischen Kommission(1) kann Fisch unter anderem Methylquecksilber (MeHg), Blei, Cadmium, Arsen, Organochlor-Pestizide, zinnorganische Verbindungen, Phthalate, bromierte Flammschutzmittel, Dioxine, Polychlorierte Biphenyle, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und Perfluorverbindungen enthalten.

Methylquecksilber versus Docosahexaensäure

Für die Beurteilung der Risiko-Benefit-Balance des Fischverzehrs werden zumeist die Leitparameter Methylquecksilber (MeHg) und Docosa­hexaensäure (DHA) herangezogen. Während MeHg neurotoxisch auf das fetale Nervensystem wirkt und eine signifikante Beeinträchtigung der neurologischen Entwicklung von Kindern durch erhöhte pränatale Belastung belegt ist, bewirkt DHA das Gegenteil und fördert die Gehirn­entwicklung.

Ob nun der Nutzen von DHA den durch MeHg verursachten Schaden überwiegt, wird in der rezenten Literatur unterschiedlich beurteilt: In einem Modellszenario, bei dem von Fischverzehr in großen Mengen ausgegangen wurde (700 g pro Woche), kamen Zeilmaker et al.(2) zu dem Ergebnis, dass die neuroprotektive Wirkung von DHA die negativen Effekte von MeHg nicht kompensieren kann. „Zwar wurde natürlich ein positiver Effekt von DHA gefunden, aber der negative Effekt des Methylquecksilbers auf die IQ-Punkte ist bei Weitem stärker, und als Netto-Effekt kam man auf einen Verlust von 4 IQ-Punkten im Mittel“, berichtete Gundacker.

Das sei jedoch die einzig negative Studie, so Gundacker. In einem weniger hoch gegriffenen Modellszenario, bei dem von einem Fischkonsum von 200 g pro Woche ausgegangen wurde, fanden Hoekstra et al.(3) einen Netto-Benefit. Als Referenz-Szenario diente bei dieser Studie der gegenwärtige Fischkonsum der niederländischen Bevölkerung, der unter den von den Gesundheitsbehörden empfohlenen Mengen liegt.

In einer finnischen Studie von Leino et al.(4) wurde ein Netto-Benefit bei Fischkonsum während der Schwangerschaft festgestellt, allerdings ein sehr geringer: „Der Netto-Benefit bei der Regenbogenforelle beträgt nicht einmal 0,1 IQ-Punkte, gleichzeitig ist das Risiko an IQ-Punkt-Verlusten ebenfalls sehr gering“, so Gundacker. Da Risiko bzw. Benefit maßgeblich von der konsumierten Menge und der jeweiligen Nährstoff-/Schadstoff-Zusammensetzung der konsumierten Fische abhängen, empfiehlt die European Food Safety Authority (EFSA)(5) jedem Land, die Fischkonsum-Gewohnheiten der eigenen Bevölkerung zu beachten, insbesondere die jeweils konsumierten Fischsorten.

Der Konsum fettreicher Fische soll allerdings den höchsten Netto-Benefit erzielen. „Während der Schwangerschaft sollte nicht auf das hochwertige Nahrungsmittel Fisch verzichtet werden. Eine generelle Empfehlung auch der EFSA lautet, solche Fische und Meeresfrüchte zu verzehren, die einen hohen Gehalt an Omega-3-Fettsäuren und minimale Schadstoffbelastungen aufweisen“, fasste Gundacker zusammen. Schwangere Frauen sollten über Risiken und Benefits des Fischverzehrs im Sinne der Gesundheitsförderung aufgeklärt werden, betonte sie.

Raubfische sind am stärksten belastet

Laut Untersuchungen der AGES (Quecksilber-Daten 2007-2015) sind Fisch und Meeresfrüchte die am stärksten mit Quecksilber belastete Lebensmittelgruppe, wobei deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Fischarten festgestellt wurden.(6) Am stärksten belastet sind Raubfische mit langer Lebensdauer, die am Ende der Nahrungskette stehen, wie zum Beispiel der Thunfisch. Die höchsten Werte wurden in Butterfisch gemessen, der für bestimmte Sushi-Gerichte verwendet wird.

Fisch aus Österreich ist im Vergleich zu Meeresfischen grundsätzlich weniger mit Schadstoffen belastet, wobei Wildfänge höhere Belastungen aufweisen als Fisch aus Aquakulturen. Es gibt aber auch im Süßwasser relativ stark belastete Raubfischarten, wie zum Beispiel den Zander. Sehr geringe Quecksilbergehalte von 20–25 μg/kg wiesen dagegen die heimischen Fischarten Saibling, Karpfen und Forelle auf.

Ebenso niedrige Quecksilberwerte wurden auch in einigen Meeresfischen wie Lachs, Sprotten oder Sardinen gemessen sowie in Fischstäbchen, die häufig aus Alaska-Seelachs hergestellt werden. Da sich Methylquecksilber nicht im Fett, sondern im Muskelfleisch einlagert, gibt es auch fettreiche Fischarten, die nur gering belastet sind.
ÖGE Symposium 2016: Fisch und Fleisch; Wien, Juni 2016

1 Europäische Kommission. http://ec.europa.eu/environment/marine/good-environmental-status/descriptor-9/index_en.htm
2 Zeilmaker et al., Food and Chemical Toxicology 2013; 54(0): 30–34
3 Hoekstra et al., Food and Chemical Toxicology 2013; 54: 18–29
4 Leino et al., Food and Chemical Toxicology 2013; 54: 50–58
5 EFSA Journal 2015; 13(1): 3982. 1–36. http://www.efsa.europa.eu/de/efsajournal/pub/3982
6 Kuffner M und Marchart K, Ernährung aktuell 2/2016: 1–6

Empfehlungen zum Fischkonsum

  • Laut österreichischer Ernährungspyramide sollten wöchentlich zwei Portionen von ca. 150 g Fisch verzehrt werden. Dabei sollte einmal eine heimische Fischart (Forelle, Saibling, Karpfen) gewählt werden und einmal ein fettreicher Meeresfisch (Lachs, Makrele, Hering, Thunfisch).
  • Schwangeren, Stillenden und Kleinkindern wird von Raubfischen wie Thunfisch, Schwertfisch, Heilbutt oder Hecht abgeraten.
  • Wer zur Gänze auf Meeresfisch ­verzichtet, sollte für die Zufuhr von Omega-­3-Fettsäuren mindestens einen Esslöffel Rapsöl pro Tag essen.

 

 

 

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune