Pneumonien und häufige Verursacher
Zahlreiche Pathogene können es sich im Respirationstrakt bequem machen und zu teilweise schweren Lungenentzündungen führen. Ein Überblick zu viralen, bakteriellen und Pilz-assoziierten Pneumonien.
Ambulant erworbene Pneumonien (CAP)
Viruspneumonie „Der Nachweis eines Virus im Respirationstrakt kann unterschiedliche Bedeutung für das therapeutische Prozedere haben. So kann das Virus z.B. das einzige Agens der CAP oder einen prädisponierenden Faktor für eine Superinfektion darstellen, der Patient kann ein asymptomatischer Träger sein, oder aber die Infektion kann ein prolongiertes ‚viral shedding‘ erforderlich machen“, so Dr. Hermann Laferl, 4. Medizinische Abteilung mit Infektions- und Tropenerkrankungen, SMZ Süd/Kaiser-Franz-Josef-Spital, Wien. Die höchste Inzidenz für die CAP liegt bei Kindern unter fünf Jahren sowie bei über 75-Jährigen.
Bei Kindern sind 49 Prozent der CAP viral bedingt, bei Erwachsenen hingegen nur 22 Prozent. Mehrfachinfektionen kommen ebenfalls vor. Die drei am häufigsten bei CAP-Patienten jeglichen Alters nachgewiesenen Viren sind Influenza-, respiratorische Synzytial- und humane Metapneumoviren (Self et al., J Infect Dis 2016). Auch Parainfluenza- und Coronaviren sind bei CAP häufiger zu finden als bei asymptomatischen Kontrollen. „Rhinoviren sind mit CAP bei Erwachsenen assoziiert, nicht jedoch bei Kindern, und Adenoviren wiederum kommen nur bei Kindern mit CAP unter zwei Jahren vor“, erklärt Laferl.
„Durch den PCR-Nachweis werden immer häufiger Viren als Ursache der CAP detektiert, jedoch hat der vermehrte Virusnachweis bis dato wenig Relevanz im klinischen Alltag, da – wie auch die Studie von Self et al. zeigt – die klinische Bedeutung der nachgewiesenen Viren bei CAP-Patienten oft nicht klar ist“, so Laferl abschließend. „Die Inzidenz der CAP, die eine stationäre Aufnahme erfordert, ist bei älteren Patienten am höchsten. Viren werden häufiger nachgewiesen als Bakterien, wobei jedoch trotz diagnostischer Tests bei der Mehrzahl der Patienten kein Erreger identifiziert werden kann“, bestätigt auch Univ.-Prof. Dr. Rosa Bellmann-Weiler, Universitätsklinik für Innere Medizin VI, Innsbruck (Jain et al., NEJM 2016).
Bakterielle Pneumonien (Auswahl)
Legionellen-Pneumonie. „Legionellen weisen per se ein geringes Virulenzpotenzial aus“, so Bellmann-Weiler. „Aber bestimmte Prädispositionen erhöhen das Risiko einer solchen: etwa höheres Alter, Malignome, Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie chronische Lungenerkrankungen, Kortikosteroidtherapie und ein Krankenhausaufenthalt.“ Die Übertragung erfolgt über Aerosole und Tröpfchen. Die Legionellen-Pneumonie kann akut mit hohem Fieber beginnen, aber auch graduell nur mit leichter Temperaturerhöhung.
Eine Diarrhöe tritt in bis zu 50 Prozent der Fälle auf. Außerdem können sich multiple extrapulmonale Syndrome manifestieren wie ZNS-Symptomatik (Lethargie, Delirium), Hämaturie, Nierenversagen durch Rhabdomyolyse, Peri-, Myo- oder Endokarditis. Die Letalität liegt bei 20 Prozent. Bei Patienten mit Immunsuppression ist auch eine hämatogene Streuung möglich (z.B. Abszesse, Peri-, Myo- oder Endokarditis).
Mykoplasmen-Pneumonie. „Mycoplasma pneumoniae verursacht hauptsächlich Pneumonien, aber auch Tracheobronchitis und Pharyngitis. Bei CAP sind Mykoplasmen in etwa zehn Prozent der Fälle die Ursache, bei Kindern und Jugendlichen zwischen fünf und 15 Jahren ist der Anteil mit bis zu 40 Prozent deutlich höher“, sagt Bellmann-Weiler. Eine Häufung von Mykoplasmen- Pneumonien wird alle vier bis sieben Jahre insbesondere im Spätsommer bzw. Herbst beobachtet. In manchen Fällen wurde Keimpersistenz beschrieben. Bei jedem zweiten Patienten finden sich im Thoraxröntgen multilobuläre Infiltrate vor allem im Unterlappen. Zu den Begleitphänomenen zählen die Bildung von Kälteagglutininen, Raynaud-Symptomatik, aber auch hämolytische Anämie, idiopathische thrombozytopenische Purpura, Erythema exsudativum multiforme sowie Myokarditis und Arthralgien.
Therapie der CAP
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) hat gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) heuer eine S3-Leitlinie „Update zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit CAP und Prävention“ herausgegeben (siehe Tab.). „Die Therapiedauer bei CAP beträgt gemäß der derzeit gültigen NICE-Guideline 2014 zehn bis 14 Tage, wobei ein Trend zu einer kürzeren Therapiedauer besteht“, erklärt Bellmann-Weiler. „Für ambulante und rasch ansprechende stationäre Behandlung genügen fünf bis sieben Tage Therapie, bei mittelschwerer und schwerer CAP sind sieben bis zehn Tage einzuplanen.
Bei Nachweis von Staphylococcus aureus und segmentaler oder lobärer Pneumonie muss zwei Wochen behandelt werden. Im Falle von hämatogener Ausbreitung des Erregers sind mindestens vier Wochen Therapie erforderlich bzw. noch länger, wenn Kavernen und Lungenabszesse vorliegen.“ Liegt das Zeitfenster bis zur Gabe der ersten Antibiotikadosis nach Spitalsaufnahme unter vier Stunden, kann die Mortalität um das Dreifache gesenkt werden (Li et al., J Microbiol Immunol Infect 2014; Robinson et al., Infect Dis Clin Pract 2014). Postma et al. (NEJM 2015) zeigen, dass eine Betalaktam-Monotherapie im Vergleich zu anderen antibiotischen Therapien bei Erwachsenen mit CAP nicht unterlegen ist.
„Die Gabe von Kortikosteroiden sollte bei stationären CAP-Patienten ernsthaft erwogen werden, insbesondere bei Patienten mit schwerer Beeinträchtigung“, betont Bellmann-Weiler. Denn laut einer Metaanalyse aus 13 Studien (Siemieniuk et al., Ann IM 2015) ist unter Steroidtherapie nicht nur mit einer Reduktion der Hospitalisierungen und der Dauer der Beatmungspflichtigkeit zu rechnen, sondern auch mit einem geringeren Risiko für ein akutes Atemnotsyndrom und für Mortalität. „Bei fehlender Besserung der CAP sollte außerdem eine Tuberkulose-Abklärung in Erwägung gezogen werden“, so Bellmann-Weiler abschließend.
Pneumonien bei Tropenrückkehrern
„Unter Reisenden sind respiratorische Infektionen häufig, wie weltweite Daten des Geo-Sentinel-Surveilance-Networks zeigen. Das höchste Risiko für eine Pneumonie ist ein Aufenthalt in einem Entwicklungsland, und das für mehr als einem Monat Dauer“, erläutert Dr. Maria Laimer, FÄ für Innere Medizin, Innsbruck. Im Folgenden Beispiele für Pneumonien, die bei Rückkehrern aus tropischen Destinationen auftreten können:
Histoplasmose. Die systemische Infektionskrankheit, bei der vorwiegend die Lunge befallen ist, wird durch Histoplasma capsulatum ausgelöst. Dies ist ein dimorpher Pilz, der als Hefe und als Schimmelform mit inhalationsfähigen Konidien auftreten kann. Dem Vorkommen des Erregers entsprechend ist die Histoplasmose in Süd-, Mittel- und Teilen Nordamerikas, Indonesien und Afrika verbreitet. Das Reservoir sind Fledermäuse und Vögel. Hohe Konzentrationen von Konidien finden sich in Fledermaushöhlen, alten Hühnerställen sowie bei Erdaufwirbelung. Die Inkubationszeit beträgt ein bis drei Wochen.
„Klinisch zeigen sich die Patienten häufig inapperent, wobei sich die akute pulmonale Histoplasmose-Infektion selbstlimitierend mit Husten und Fieber präsentiert. Die chronische pulmonale Form ist hingegen über lange Zeit progredient, klinisch, und radiologisch – mit Kavernen, Verkalkungen und Hiluslymphknoten – kann sie der Tuberkulose ähneln. Die disseminierte Form ist v.a. bei HIV-Patienten zu finden“, so Laimer. „Für die Diagnose dient der direkte Erregernachweis aus dem Sputum, die broncho-alveoläre Lavage, Biopsie mit Anzucht oder der PCR-Nachweis. „Die Therapie erfolgt mit Itraconazol, bei schweren Infektionen wird Amphothericin B gegeben.“
Atypische Mykobakteriosen
„Nicht alles, das wie eine Tuberkulose aussieht, ist auch eine“, konstatiert OA Dr. Rudolf Rumetshofer, Leiter der Tuberkulosestation Severin, 1. Interne Lungenabteilung, SMZ Baumgartner Höhe/Otto-Wagner-Spital, Wien (siehe auch Bericht Seite 34). Zum Reigen der Verdächtigen zählen atypische Mykobakterien, Umweltbakteriosen und nicht tuberkulöse Mykobakterien (MOTT) – sie verursachen pulmonale Erkrankungen, Lymphadenopathien, disseminierte Erkrankungen bei Immunsuppression sowie Haut- und Weichteilerkrankungen. „Mehr als 150 MOTT sind bekannt, der wichtigste Unterschied mit klinischer Bedeutung ist das schnelle oder langsame Wachstum der Mykobakterien“, so Rumetshofer. Für den Mycobacterium-( M.)-avium-Komplex stellen Geflügel, Wasser und Erde das Reservoir dar, M. marinum ist hingegen in Schwimmbecken, Aquarien bzw. Fischbehältern zu finden.
Leitungswasser und Schwimmbecken können außerdem M. kansasii, M. xenopi (Cave: auch Wasserleitungen in Spitälern!) und M. chelonae beherbergen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nahezu ausgeschlossen. „Prädisponierende Faktoren für eine pulmonale MOTT-Infektion sind lokale Abwehrschwäche wie Bronchiektasen, cystische Fibrose, Zustand nach Lungentuberkulose, Lungenfibrose, COPD und Asthma bronchiale“, informiert Rumetshofer. Patienten mit allgemein schwerer Immunsuppression – u.a. Leukämie, Organtransplantation, Immuntherapie – sind genauso prädisponiert wie HIV-Patienten (CD4-Zellzahl <25–50μl).
„In der Klinik zeigt sich Husten, zunächst trocken beginnend, dann produktiv – das Spektrum reicht von bronchitisch bis zu Hämoptysen. Subfebrile Temperaturen sind typisch genauso wie Allgemeinsymptome mit Nachtschweiß, Müdigkeit, Leistungsknick und Gewichtsverlust. Selten sind Thoraxschmerzen oder Dyspnoe“, berichtet Rumetshofer weiter. Im Thoraxröntgen fallen Infiltrationen mit oder ohne nodulären Strukturen auf, die mehr als zwei Monate persistieren oder zunehmen, sowie Kavernenbildung und multiple noduläre Herde als Einzelbefund. Im HRCT zeigen sich multiple kleine noduläre Herde, multiple Bronchiektasien sowie „Tree in bud“-Zeichen. Der Keimnachweis erfolgt in Kulturen auf Fest- oder Flüssigmedien. Teilweise zeigen die Bakterien ein speziell langsames Wachstum (M. ulcerans: acht bis zwölf Wochen) und benötigen spezielle Medien (M. haemophilum: Eisenzugabe) bzw. spezielle Wachstumsbedingungen (M. marinum: 28–30°C).
„Wichtig sind daher die korrekte Zuweisung und die Durchführung des Keimnachweises durch ein spezialisiertes Labor“, betont Rumetshofer. Bei den Lungenerkrankungen des M.-avium– Komplexes werden zwei Typen unterschieden: vom „Tuberkulose-Typ“ sind mehr Männer als Frauen betroffen, meist liegen starker Tabak-, Alkoholkonsum und ein Alter über 60 Jahre vor. In der Diagnostik besteht zunächst der Verdacht auf Tuberkulose. Der „noduläre bronchiektatische Typ“ betrifft in 80 Prozent der Fälle Frauen, 60 Prozent sind Nichtraucher, das Alter liegt um die 70 Jahre; meist gibt es keine relevanten Vorerkrankungen. Rumetshofer: „Die Diagnose einer MOTT-Infektion ist per se keine Verpflichtung zur Therapieeinleitung. Die Entscheidung muss in einer Nutzen-Risiko-Abwägung getroffen werden.“
Meist ist eine empirische Kombinationstherapie erforderlich. Zur Wahl stehen Clarithromycin (500–1.000mg) bzw. Azithromycin (250–300mg), Ethambutol (15mg/kg KG), Rifampicin (450–600mg) sowie die Therapie der Grundkrankheit. „Eine erweiterte Resistenztestung ist sinnvoll, aber nicht bei jedem Patienten“, so Rumetshofer. Sie ist empfehlenswert bei extensiver Vortherapie (Makrolide, Aminoglykoside), Therapieversagen trotz Standardtherapie, bei extrapulmonaler Erkrankung und eventuell bei pulmonaler Erkrankung durch schnellwachsende MOTT. Eine ergänzende Therapie der MOTT umfasst die Behandlung der Bronchiektasien mit Atemphysiotherapie und Bronchialhygiene, die Therapie mit Bronchodilatatoren, Anticholinergika und Steroiden. Auch an die Behandlung einer Sinusitis und eines gastroösophagealen Reflux sei laut Rumetshofer zu denken.
Kokzidioidomykose. Die auch als „Valley fever“ oder „Desert rheumatism“ bezeichnete Erkrankung wird durch einen dimorphen Pilz (Coccidiodes immitis bzw. posadasi) verursacht, der unter tropischen Bedingungen Hyphomyzeten im Boden bildet und ansteckende Arthrokonidien freisetzt. Im Organismus präsentieren sich diese als dickwandige Sphärulen. Beheimatet ist der Pilz in (halb-)trockenen Gegenden der USA, Mittel- und Südamerika. Neben Landarbeitern können auch Touristen und v.a. immunsupprimierte Personen befallen werden. Laimer: „60 Prozent der Erkrankten zeigen inapperente Symptome. Die primär pulmonale Form variiert von einem leichten Verlauf mit Husten bis hin zu schwersten Pneumonien mit Pleuritis, Abszessen und Kavernen. Häufig ist die Erkrankung mit Begleitarthritis vergesellschaftet, in 20 Prozent der Fälle mit einem Erythema nodosum.“ Selten ist hingegen die disseminierte, primär kutane Form. Die Diagnose erfolgt über die Serologie sowie durch direkte Mikroskopie aus Sputum, Anzucht oder Kultur (Erreger-Risikoklasse 3). Die Therapie bei Symptomatik und bei der disseminierten Form ist Itraconazol oder Posaconazol, bei lebensbedrohlichem Verlauf Amphotericin B. Bei der disseminierten Form sind laut Laimer hohe Rezidivraten zu erwarten.
SARS. Die hochfieberhafte Viruspneumonie wird durch ein Coronavirus verursacht, das erstmals 2002 im Rahmen einer Pandemie mit mehr als 1.000 Todesfällen beobachtet wurde. „Klinisch präsentiert sich SARS mit grippeähnlichen Symptomen wie Fieber und Husten sowie einer respiratorische Verschlechterung. Im Thoraxröntgen imponieren unilateral beginnende, sich auf beide Seiten ausdehnende fleckige Infiltrate. Es gibt derzeit keine kausale Therapie“, so Laimer. „Die Gesamtmortalität liegt bei etwa elf Prozent.“
Nematoden mit Lungenwanderung. Auch an diese Mitbringsel gilt es bei Reiserückkehrern mit respiratorischen Symptomen zu denken: Spulwürmer (Ascaris lumbricoides bzw. suum), Hakenwürmer (Ancylostoma, Necator) und Zwergfadenwürmer (Strongyloides stercoralis), die im Laufe ihres Lebenszyklus eine Lungenwanderung absolvieren und dabei eine Pneumonie mit eosinophilem Lungeninfiltrat verursachen können (Löffler-Syndrom). Die Lungenwanderung kann etwa eine Woche nach Erstinfektion auftreten. Weitere Symptome sind ausgeprägte Eosinophilie des Blutes sowie Husten, Dyspnoe und Bronchitis. Therapie der Wahl sind Antihelmintika.
Wissenschaftliche Vorträge im Rahmen des 10. Österreichischer Infektionskongresses, Saalfelden, 27.–30.4.16