5. Okt. 2015

Immuntoleranz steigert Risiko solider Tumore

Individuelle Unterschiede in der Immuntoleranz beeinflussen laut deutschen Forschern bereits lange vor einem Krankheitsausbruch das Entstehen bestimmter Krebsarten.

Der Epidemiologe Rudolf Kaaks und seine Mitarbeiter am Deutschen Krebsforschungszentrum klärten gemeinsam mit Kollegen des auf epigenetische Tests spezialisierten Berliner Unternehmenes Epiontis anhand der eingefrorenen Blutproben von rund 1.000 Probanden der prospektiven Heidelberger EPIC-Studie, die im Laufe eines definierten Beobachtungzeitraums an Krebsarten wie Lungenkrebs, Darmkrebs, Brust- und Prostatakrebs erkrankt waren, sowie Blutproben von 800 Teilnehmern, die keine bösartige Tumorerkrankung entwickelt hatten, dass sich bei ausgeprägter Immuntoleranz das Risiko für Lungenkrebs verdoppelt und jenes für Dickdarmkrebs um etwa 60 Prozent steigt.

Immuntoleranz – wenn regulatorische T-Zellen die Aktivität tumorbekämpfender Abwehrzellen bremsen

Sebastian Dietmar Barth und seine Kollegen aus Rudolf Kaaks‘ Abteilung zählten die bremsenden regulatorischen T-Zellen in den Blutproben und setzten sie ins Verhältnis zur Gesamtzahl der T-Zellen, welche auch tumorabwehrende Zellen umfasst. Dieses Verhältnis bezeichnen sie als „ImmunoCRIT“. Generell ist das Immunsystem umso stärker gedrosselt, je höher ImmunoCRIT ausfällt.

Der Vergleich des Krebsrisikos von EPIC-Teilnehmern mit besonders hohem oder besonders niedrigem ImmunoCRIT ergab, dass sich bei den Probanden das Lungenkrebsrisiko bei besonders hohen Werten verdoppelte und das Risiko für Dickdarmkrebs um etwa 60 Prozent stieg. Frauen mit sehr hohem ImmunoCRIT hatten ein verdreifachtes Risiko, an Östrogenrezeptor-negativem Brustkrebs zu erkranken, wobei laut den an der Studie beteiligten Wissenschaftlern die Fallzahl möglicherweise zu niedrig sein könnte, um eine valide Aussage treffen zu können. Für Prostatakrebs und Östrogenrezeptor-positiven Brustkrebs fanden die Forscher zwischen ImmunoCRIT und dem Erkrankungsrisiko keine Assoziationen.

Periphere Immuntoleranz – wenn tumorabwehrende T-Zellen durch bremsende, regulatorische T-Zellen in Schach gehalten werden

„Wir konnten mit dieser Untersuchung erstmals belegen, dass das ungünstige Verhältnis der Immunzellen bereits lange vor Ausbruch der Erkrankung bestand. Es ist also eher die Ursache als die Folge einer Krebserkrankung.“ Rudolf Kaaks.

Noch ist unklar, weshalb sich die Immuntoleranz nur auf bestimmte Krebsrisiken auswirkt. Womöglich werden Lungen- und Darmtumoren besonders stark von Immunzellen besiedelt. Um dies zu klären, möchten die Heidelberger Epidemiologen ihre Untersuchung auf andere Tumoren ausweiten.

Sebastian Dietmar Barth, Janika Josephine Schulze, Tilman Kuhn, Eva Raschke, Anika Husing, Theron Johnson, Rudolf Kaaks, Sven Olek
Treg-Mediated Immune Tolerance and the Risk of Solid Cancers: Findings From EPIC-Heidelberg
JNCI J Natl Cancer Inst.2015, DOI: 10.1093/jnci/djv224

Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum