Retina-Prothese auch bei AMD
Bei Menschen, die infolge einer Retinitis pigmentosa oder altersbedingter trockener Makuladegeneration (AMD) erblinden, kann eine Retina-Prothese implantiert und dadurch das funktionelle Sehvermögen teilweise wieder hergestellt werden.
Die Leiterin der Augenabteilung an der Wiener Krankenanstalt Rudolfstiftung, Susanne Binder, bewirkte bei einer Wiener Beamtin mit Retinitis pigmentosa durch das Einsetzen eines fünf mal neun Millimeter großen Mikrochips ins Auge und das damit verbundene Videosystem, dass die bereits erblindete Patientin mittlerweile Lichtreize wahrnehmen kann.
Bei einem Pressegespräch am 10. Juli berichtete die Mikro-, Netzhaut- und Glaskörper-Chirurgin, dass US-amerikanische Forscher und Techniker, die seit dem Jahr 1991 an einem bionischen Auge arbeiten, mittlerweile mit ihrem Unternehmen Second Sight Medical Product mit der Entwicklung und der Produktion des bionischen Auges “Argus II” auf dem Weltmarkt vertreten sind. Bei Argus II wird in einer vierstündigen Operation ein Mikrochip ins Auge implantiert. Die Patienten erhalten nach der Operation eine Brille mit einem Videosystem, das die aufgenommenen Bilder in elektrische Impulse umsetzt, welche an den Mikrochip auf der Oberfläche der Retina gefunkt werden. Dort sorgen 60 Elektroden bei den noch funktionstüchtigen Zellen in der Netzhaut für einen Reizung. Im Laufe eines langen Trainings lernen die Patienten, die Reize zu interpretieren.
Die Ende Juni in der Rudolfstiftung operierte Wiener Patientin berichtet nach der Implantation von Argus II von einer “Art Schwarz-Weiß-Sehen.” Sie erkenne bereits Schatten und gewisse Konturen. Binder zufolge handelt es sich um eine “andere Form des Sehens” , die man manchen der Patienten wieder vermitteln könne. Entscheidend sei das Erlernen der Interpretationsfähigkeit der über das System vermittelten Eindrücke.
Laut Binder kommen vier bis fünf von 150 Patienten für das System infrage, besonders auf beiden Augen erblindende Retinitis pigmentosa-Patienten, bei denen die Sehzellen in der äußeren Netzhaut defekt sind, aber in den unteren Schichten noch zu etwa 30 Prozent funktionieren.
Ein Niederländer, der das Implantat vor zwei Jahren erhielt, konnte zwei Wochen nach der Operation erstes Licht erkennen, danach im Freien die Bewegung von Menschen und den Unterschied zwischen einem Gehsteig und einem Rasen, in einem Restaurant sah er Kerzenlichter. Nach und nach erkannte er sogar, dass sich ein Freund rasiert hatte.
Bei der Retina-Prothese handelt es sich um ein äußerst kostenintensives System: Der Chip kostet 75.000 Euro, die weiteren Systemteile zusätzliche 45.000 Euro.
Netzhautimplantat bei Patienten mit altersbedingter trockener Makuladegeneration
Die bei Erblindung durch Retinitis pigmentosa eingesetzte Chip-Netzhautprothese wurde nun auch bei einem Patienten mit altersbedingter trockener Makuladegeneration verwendet.
Dem 80-jährigen Ray Flynn aus Audenshaw in Manchester wurde am 16. Juni ARGUS II implantiert, am 1. Juli wurde das implantierte System erstmals eingeschaltet. Der Mann könne wieder Silhouetten von Personen erkennen, erklärte Paulo Stanga vom Manchester Royal Eye Hospital am 24. Juli in einer Aussendung.
Erste Screeningtests hätten gezeigt, dass der Patient seit vielen Jahren zum ersten Mal wieder ein funktionelles zentrales Sehvermögen aufweise. Wenn er das Argus II-System einschalte, könne er die Umrisse von Personen und Objekten wahrnehmen.
Dass dem Patienten dies selbst mit geschlossenen Augen möglich sei, belege, dass er für das Erkennen von Formen und Umrissen nicht sein verbliebenes, natürliches, peripheres Sehvermögen nutze. Bei weiteren Erfolgen könnte sich somit der Kreis der Patienten vergrößern, die von einer solchen Operation und der Verwendung des “Bionischen Auges” profitieren.
Klinische Studie zu Argus II
Am 8. Juli 2015 wurde im Fachmagazin Ophthalmology eine Studie mit 30 an Retinitis pigmentosa erkrankten Probanden veröffentlicht, denen in zehn Zentren in den USA und Europa das Argus II-System implantiert worden war. Bei 29 der 30 Probanden funktionierte das Implantat drei Jahre nach der Operation. Die Testpersonen profitierten hinsichtlich der visuellen Funktion signifikant vom eingeschalteten im Vergleich zum ausgeschalteten Gerät. Bei elf Personen kam es zu insgesamt 23 schwerwiegenden Nebenwirkungen, die durch das Implantat oder die Operation ausgelöst wurden.
Argus II Study Group
Long-Term Results from an Epiretinal Prosthesis to Restore Sight to the Blind
Ophthalmology, Available online 8 July 2015, DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.ophtha.2015.04.032
Argus II Retinal Prosthesis System Artificial Retina:
https://youtu.be/ZyVjK7sktvw
Quelle: APA