25. Okt. 2014

Geschlechtssensible Therapiekonzepte in der Schmerztherapie

Geschlechtsspezifische Unterschiede sollten auf dem Gebiet der Schmerzbehandlung stärker berücksichtigt werden. So ist die Erlangung von Gender-Kompetenz auch in der physikalischen Medizin und Rehabilitation unerlässlich. Diese hat sowohl in der Diagnostik und Therapie als auch in der Beziehung und Interaktion mit Patienten einen hohen Stellenwert. Insbesondere üben Gender-Aspekte – fachübergreifend – einen wesentlichen Einfluss auf Therapiecompliance und den langfristigen Therapieerfolg aus.

Im Grunde genommen ist „Gender“ allgegenwärtig. Im Alltag, im Beruf sowie in all unseren sozialen Interaktionen und Beziehungen spielt die geschlechtlich-soziale Prägung eine entscheidende Rolle. Unser Verhalten ist ein Spiegel unseres Geschlechts, unserer Herkunft, der sozialen Schicht und des religiösen Hintergrundes. Sowohl unsere Erziehung als auch unterschiedlichste prägende Einflüsse runden das Gesamtbild ab. Im Gegenzug wird gerade dadurch ein gewisses Verhalten von uns erwartet. Dies gilt sowohl bei der Tätigkeit als Ärztin oder Arzt als auch in der umgekehrten Rolle der Patientin oder des Patienten. Das Wissen um diese Einflüsse hat einen wesentlichen Effekt auf unser (erfolgreiches) Handeln. Wenn man die bisherigen Erkenntnisse in der GSM (geschlechtsspezifische Medizin) und GM (Gender-Medizin), zum Beispiel in der Kardiologie, betrachtet, wird klar, dass das Forschen auf diesem Gebiet lebenswichtig sein kann ( Weber et al., 2008). In der Schmerzmedizin wird allerdings vielfach noch zu wenig Rücksicht auf geschlechtsspezifische Unterschiede genommen – und die gibt es nicht nur im Schmerzempfinden, sondern auch in der Bewältigung von Schmerzen und im Ansprechen auf Therapien (Fialka-Moser V, Herceg M, Kompendium Physikalische Medizin und Rehabilitation).
Bei der Beschäftigung mit diesem Thema ist zunächst der entsprechend korrekte Einsatz der Begriffe wesentlich. Wer biologische Unterschiede meint, sollte von „sex“ oder „geschlechtsspezifisch“ sprechen. Gehen die Unterschiede darüber hinaus, ist „Gender“ gemeint. Diese begriffliche Trennung wurde bisher weder in der englischsprachigen noch in der deutschen Literatur klar vollzogen. Dies kann mitunter zu Unklarheiten im Verständnis führen.
GSM und GM schaffen jedenfalls die Grundlage für geschlechtssensible Diagnose- und Therapiekonzepte. Zugleich soll ein geschlechtsspezifisches Risiko von Nebenwirkungen pharmazeutischer Präparate verringert und der Abbau von geschlechts- wie professionsspezifischen Kommunkationsbarrieren ermöglicht werden. So kann, unter Ausnutzung dieses Wissens, auch dazu beigetragen werden, die Compliance der Patienten zu erhöhen. (Voß et al., 2008). Nicht zuletzt bedeutet Gender-Medizin auch, die eigene ärztliche Perspektive auf geschlechtsspezifische Verzerrungen zu überprüfen, die zu Fehldiagnosen sowie Über- oder Unterversorgung von Männern wie Frauen führen können (Rabady et al., 2008).

Um den Inhalt zu sehen, müssen Sie sich einloggen oder registrieren.
Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum neuropsy