COPD-Phänotypen beeinflussen Therapie

BREMEN / WIEN – Obwohl der Emphysematiker und der Bronchitiker so unterschiedlich sind, werden sie doch unter einer Diagnose zusammengefasst: COPD. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Phänotypen einer Erkrankung, die unterschiedlicher Therapien bedürfen. „Targeted therapy“ wie in der Onkologie – warum nicht auch für die Lunge?

COPD ist eine bronchoobstruktive Erkrankung mit Emphysem und daraus resultieren Insuffizienzen der Atempumpe. Zusätzlich sieht man auch entzündliche Veränderungen im Kapillarbett und folglich im kleinen Kreislauf. „Das ist aber nur ein Teil des Spektrums dessen, was man der COPD zuordnen kann. Und die Veränderungen kommen nicht bei jedem Patienten gleichzeitig vor. Es gibt Emphysematiker ohne pulmonale Hypertonie, es gibt obstruktive Typen ohne Emphysem etc.“, führt PD Dr. Thomas Köhnlein von der Medizinischen Hochschule Hannover in das Thema ein.

„Wir denken heute eigentlich schon in Phänotypen“, so der Pulmologe und führt die Beispiele des (emphysematischen) Pink Puffers und des (obstruktiven) Blue Bloaters an. Weitere Möglichkeiten der genaueren Charakterisierung der COPD sind die Schweregradeinteilung anhand der Lungenfunktionseinschränkung, der BODE-Index (BMI, Obstruktion, Dyspnoe, Leistungsfähigkeit) und letztlich radiologische Einteilungen, wie Ausmaß und Verteilung des Emphysems, Verdickung der Bronchialwände oder Bronchiektasien. Auch Priv.-Doz. Dr. Arschang Valipour, Sozialmedizinisches Zentrum Baumgartner Höhe in Wien, streicht heraus, dass computertomographisch Raucher mit COPD häufig ein Lungenemphysem, COPDPatienten ohne Nikotinabusus in der Anamnese faktisch nie ein Emphysem, aber oft eine Verdickung der Bronchialwände haben. „Daran erkennt man auch, dass wir viel genauer hinschauen müssen, um eine Differenzialdiagnostik zu betreiben.“

Spanische Forscher schauten genau hin

Genau hingesehen hat das spanische Team um Marc Miravitlles, Hospital Clínic, Ciber de Enfermedades Respiratorias: Sie haben COPD-Patienten verschiedenen Untergruppen zugeteilt: Emphysematikern und Bronchitikern sowie jenen mit Overlap von COPD und Asthma: Emphysematiker („Pink Puffer“) und Patienten mit überwiegend chronischer Bronchitis („Blue Bloater“) unterscheiden sich substanziell in der Pathologie des Lungengerüsts. Im einen Fall steht ein ausgeprägtes Lungenemphysem ohne Bronchialwandverdickung im Vordergrund, im anderen Fall Bronchialwandverdickung mit Bronchiektasien.

Doz. Valipour: „Das Emphysem ist ja charakterisiert als ein Verschwinden von Atemwegen. Beim Pink Puffer bleibt da nicht viel, was antiinflammatorisch angesprochen werden kann – anders ist das beim Blue Bloater.“ Die Bronchitiker wurden in der Studie in Gruppen mit und ohne Reversibilität gesplittet. In Nachfolgevisiten wies ein Teil der ursprünglich Nicht-Reversiblen dann doch eine Reversibilität auf und musste damit neu eingeordnet werden. Für die Praxis bedeutet das: „Der statische Befund, den wir einmal bei unserem Patienten erheben, ist nicht aussagekräftig. Sie brauchen mehr als eine punktuelle Evaluierung, sie brauchen einen Verlauf und die Geschichte des Patienten“, so Doz. Valipour. Macht man die gleiche Untersuchung bei den Emphysematikern, sieht man kaum eine Veränderung in der Lungenfunktionseinschränkung. Die Reversibilität, die einmal gemessen wird, bleibt bestehen.

„Diese Phänotypisierung ist nicht nur ein akademisches Spielzeug, sondern hat therapeutische Relevanz“, argumentiert Doz. Valipour. Welche das ist, erklärt Prof. Köhnlein am Beispiel des PDE- 4-Inhibitors Roflumilast: „Dieser wirkt am besten beim bronchitischen Phänotyp mit viel Husten und Auswurf und wenn die FEV1 unter 50 Prozent liegt.“ Hier hat sich eine phänotypspezifische Therapie bereits etabliert.

Morphologische Veränderungen in der CT

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Patienten ohne Bronchiektasien gegenüber denjenigen mit Bronchiektasien erwiesenermaßen ein deutlich besseres Überleben haben. Für Doz. Valipour hat damit „die Morphologie in der CT eine prognostische Aussagekraft und bringt entsprechende therapeutische Implikationen mit sich“. Denn je ausgeprägter die strukturellen Veränderungen und je geringer damit die FEV1 sind, desto höher ist das Risiko für Keimbesiedelung.

„Das könnte erklären, warum Patienten mit inhalativer Kortikosteroidtherapie ein höheres Pneumonierisiko haben. Das soll nicht bedeuten, dass die inhalativen Steroide schlecht sind, sondern dass wir die Phänotypen unterscheiden lernen müssen, jene, die mehr von Steroiden profitieren, gegenüber denen, die das nicht tun und sie nicht reflexhaft jedem verschreiben.“ Diese grundsätzliche Erkenntnis ist ja nicht ganz neu und hat sich schon 2007 in der COPD-Leitlinie der deutschen Atemwegsliga etabliert, wonach Kortikosteroide nur bei Patienten ohne positiven Reversibilitätstest ab Gold III bei mehr als einer schweren Exazerbation im letzten Jahr zugelassen sind.

Overlap Asthma & COPD

In der zweiten Studiengruppe ging es darum, ein Overlap-Syndrom aus Asthma und COPD zu definieren. Zehn bis 20 Prozent der untersuchten Patienten lagen in diesem Überlappungsbereich. „Wie definiere ich, ob jemand beide Erkrankungen hat?“, fragt Doz. Valipour. Wesentlich scheinen die Merkmale atopische Disposition, Alter unter 40 bei Krankheitsbeginn und Asthma in der Kindheit sowie der Fixierungsgrad der Obstruktion zu sein. Demnach lautet der Konsensus der Gruppe zur Definition eines Overlap- Syndroms: hochpositiver Bronchodilatationstest (über 400 ml FEV1-Verbesserung) und Sputum- Eosinophilie, IgE-Erhöhung im Blut und Asthmaanamnese, wobei nicht alle gleichzeitig vorkommen müssen. Für den Patienten bedeutet das leider, dass er Komponenten aus beiden Erkrankungen hat.

„Es mehren sich die Daten in den letzten Jahren, dass das eine Population ist, die besonders gefährdet ist, weil sie eine höhere Symptomlast und ein höheres Risiko für Exazerbationen hat. Und Patienten mit häufigeren Exazerbationen sterben früher.“ Die therapeutische Konsequenz, die daraus erwächst, ist die phänotypabhängige Behandlung, so Doz. Valipour: „Liegt eine COPD ohne Komorbiditäten und Asthmakomponente vor, dann braucht es nur einen langwirksamen Bronchodilatator. Besteht zusätzlich eine Asthmakomponente, dann wird antinflammatorisch mit inhalativen Steroiden behandelt. Hat der Patient überwiegend ein Emphysem, dann braucht er eher weniger Steroide, aber dafür Mukolytika und PDE-4-Inhibitoren. Wir müssen umdenken und phänotypspezifisch behandeln lernen.“

Praktische Anwendung der Erkenntnisse

Zusammengefasst sieht für Doz. Valipour die praktische Konsequenz so aus: „Wenn ein Patient seine erste Exazerbation hat, ist das für mich eine Indikation, eine erweiterte Diagnostik zu betreiben, z.B. ein Low-dose-CT des Thorax. Da sehe ich dann, ob Emphysem, Infiltrate, Bronchiektasien oder Bronchialwandveränderungen bestehen. Ich kann Sputumdiagnostik veranlassen, vielleicht sogar eine Bronchoskopie mit Lavage, um die zugrunde liegende Inflammation zu definieren und eine ,targeted therapy‘ zu indizieren. In der Onkologie machen wir das bereits.“ Ja, warum also nicht auch in der Pulmologie? Dr. Köhnlein: „Wir sind da noch nicht so weit wie andere Fachrichtungen. Bisher können wir nur Unterschiede beobachten, ohne die Hintergründe zu kennen. Da haben wir noch einiges zu tun, um herauszufinden, welche Erkrankung welchen Weg nimmt.“

55. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V.; Bremen, März 2014 BiPneumo Fortbildungsforum unterstützt von der Fa. Boehringer Ingelheim; Wien, März 2014

JoB

 

 

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune