Krebsexpert:innen fordern: „Wir brauchen Cancer Nurses!“
Ein breit aufgestelltes Expert:innengremium aus der Onkologie stellt konkrete Forderungen an die Gesundheitspolitik, die in einem Positionspapier zusammengefasst wurden.
Bis 2040 werde es allein durch die veränderte Demografie 50 Prozent mehr Krebspatienten und -patientinnen geben als heute. Dazu kommt, dass die Therapien besser werden und so mehr Patientinnen und Patienten länger am Leben erhalten werden – „das heißt aber auch, dass es viel mehr Menschen gibt, die betreut werden müssen“, subsumierte Prim.-Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe, Past President der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO) in einer Pressekonferenz, in der die Etablierung von Cancer Nurses gefordert wurde.
„Mit der derzeit sehr arztlastigen Versorgungsstruktur werden wir das nicht schaffen! Onkologische Patientinnen und Patienten qualitativ hochwertig versorgen zu können, heißt nicht, dass das nur eine Onkologin oder ein Onkologe kann. Es muss eine qualifizierte Person sein, die in einer interprofessionellen Teamstruktur arbeitet. In Bezug auf die Krebsversorgung bedeutet das, dass wir die Cancer Nurses etablieren müssen“, verdeutlichte der Onkologe.
Konkrete Forderungen an die Politik zu handeln
Auch Harald Titzer, BSc, MSc, DGKP, Präsident der Arbeitsgemeinschaft hämatologischer und onkologischer Pflegepersonen in Österreich (AHOP), fordert den Ausbau der interprofessionellen Versorgungsstruktur, der von Krankenpflege getragen werden muss. Dazu müsse das Berufsbild um jenes der Cancer Nurse erweitert werden. „Das ist eine diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegekraft, die spezialisiert ist und im multiprofessionellen Team agiert. Sie ist Navigatorin durch das komplexe System der onkologischen Versorgung und steht eng an der Seite der Patientinnen und Patienten“, erklärte Titzer. „International ist dieser Beruf längst etabliert, Österreich hinkt aber leider hinterher."
Mit dem Forderungspapier, das Expertinnen und Experten aus der Ärzteschaft und der Pflege gemeinsam erarbeitet haben, soll die Politik dazu bewegt werden, das Berufsbild Cancer Nurse endlich auch in Österreich auf die Basis einer formell anerkannten, attraktiven Ausbildung zu stellen und alle nötigen Schritte dafür zu setzen.
Konkret wurden vier Forderungen formuliert:
- Festschreibung der Cancer Nurse im Österreichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) inkl. struktureller Vorgaben für die unterschiedlichen Versorgungsebenen in der Onkologie
- Gesetzliche Verankerung einer gestuften Spezialisierung zur Cancer Nurse im § 17 GuKG (Spezialisierungen), mit gleichzeitiger Aufhebung einer Ausbildungsverpflichtung innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Tätigkeit
- Vereinheitlichung von Ausbildungsinhalten und -dauer durch Erweiterung der Verordnung über Sonderausbildungen für Spezialaufgaben in der Gesundheits- und Krankenpflege (GuK-SV)
- Etablierung von Fachkarrieren in Anlehnung an eine Führungskarriere im Pflegebereich auch durch eine angemessene Gehaltseinstufung
Cancer Nurse kümmert sich um Betroffene und Angehörige
Daniela Haselmayer, BSc, MSc, DGKP, Klinische Abteilung für Onkologie, Universitätsklinik für Innere Medizin I, AKH Wien, ist eine solche Cancer Nurse und umriss die Aufgaben: „Wir begleiten die Patientinnen und Patienten von der Diagnose über den gesamten Behandlungsverlauf bis zur Nachsorge. Und zwar intramural, aber auch telefonisch, wenn zuhause Fragen auftauchen. Erreichbar sind wir natürlich auch für Angehörige! Außerdem nehmen wir an Tumor Boards und Forschungsprojekten teil.“
Gemeinsam mit Patientinnen und Patienten werde ein Symptom- und Nebenwirkungsmanagement erarbeitet. Cancer Nurses können so dazu beitragen, den intramuralen Bereich zu entlasten, da sie Patientinnen und Patienten eng begleiten und weitere Gesundheitsberufe wie Psychologinnen und Psychologen oder Diätologinnen und Diätologen einbinden können, wenn sie gefährliche Situationen erkennen.
Entlastung der Spitäler, Kontinuität der Versorgung
Mag. Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV), betonte, dass durch die kontinuierliche Versorgung Versorgungsbrüchen vorgebeugt werden kann. „Durch die Möglichkeit, derart nahe an den Patientinnen und Patienten zu arbeiten, wird eine hohe Therapietreue hergestellt und die Lebensqualität erhalten. In der Arbeit der Cancer Nurses geht es auch um das Empowerment der Patientinnen und Patienten. Sie können zwar nicht ständig bei diesen sein, aber die Sicherheit, immer eine Ansprechpartnerin/einen Ansprechpartner zu haben und zu wissen, wie man mit der Erkrankung umgehen kann, erhöht die Qualität der Versorgung ungemein“, betonte Potzmann.
Vonseiten der Pflegekräfte sieht sie auch den großen Vorteil, dass durch den zusätzlichen Kompetenzerwerb der Beruf attraktiver wird. „Natürlich muss sich das auch finanziell niederschlagen“, so die ÖGKV-Präsidentin.
Im Weiteren solle es nicht nur die Möglichkeit zur Ausbildung zur Cancer Nurse geben, sondern auch der Beruf der Advanced Cancer Nurse etabliert werden. Deren Fokus liege dann verstärkt auf der wissenschaftlichen Arbeit, damit evidenzbasierte Entscheidungen getroffen werden können und in Arbeit miteinfließen können.
Für Franziska Moser, BA, MA, Pflegedirektorin Uniklinikum Salzburg, ist diese Möglichkeit, als Pflegekraft nicht nur Richtung Management Karriere machen zu können, sondern auch fachlich mehr Perspektiven zu bekommen, ein besonders erfreulicher Aspekt. „Wir müssen eine Wirklichkeit in der Zusammenarbeit schaffen, die von starker Interprofessionalität geprägt ist. Egal ob Medizinerin/Mediziner oder Pflegerin/Pfleger oder sonst ein Studium – junge Menschen wollen gemeinsam und vernetzt arbeiten und das bieten wir in der Onkologie mit diesen Strukturen an!“, zeigte sie sich überzeugt.
Die Expertinnen und Experten sind sich sicher, dass Österreich so auch attraktiver als Arbeitsplatz für Kolleginnen und Kollegen der Pflege aus dem Ausland werden kann. „Dort arbeiten Nurses oft schon auf Augenhöhe von Medizinerinnen und Medizinern und sind schockiert, wie rückständig wir in Österreich sind“, gaben sie abschließend zu bedenken.
Pressekonferenz „Forderungen zur Etablierung der Cancer Nurse in Österreich“, Wien, 21. Juni 2023