Lernen in Lyon von der GINECO-Präsidentin
Priv.-Doz. Dr. Stefanie Aust, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Wien, erklärt auf Nachfrage der krebs:hilfe!, warum sie den Sommer in Lyon verbringt und was hilft, wenn man als Arzt an seine Grenzen stößt. (krebs:hilfe! 7/19)
Für ihre wissenschaftliche Tätigkeit wurde Aust (32) mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Young Scientist Award der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie (AGO), dem Open Medical Institute Award und einer Förderung der Fellinger Krebsforschung. Zeitgleich mit dem Facharzt-Diplom erfolgte im Juli 2018 die Verleihung der Venia Docendi an der MedUni Wien und die Habilitation im Fach Gynäkologie und Geburtshilfe. Seit April hospitiert die Jungärztin im Rahmen eines ESGO-Fellowships für sechs Monate bei Prof. Isabelle Ray-Coquard am Krebszentrum Centre Léon Bérard in Lyon. „Isabelle ist Präsidentin der GINECO-Group, die die Initiierung und Abwicklung klinischer Studien der Gynäko-Onkologie frankreichweit koordiniert. Ich hab’ sie bei einem Kongress angesprochen, weil sie eine spannende und international äußerst aktive und erfolgreiche Frau ist und es sehr interessant schien, bei ihr Erfahrungen zu sammeln und sich von einer so motivierten Kollegin inspirieren zu lassen.“
Studien-Setting weiterentwickeln
„Der Fokus des Auslandsaufenthaltes liegt im Bereich klinischer Studien, die es uns ermöglichen, Patientinnen zielgerichtete Therapien als Erweiterung zur Standardtherapie anzubieten“, sagt Aust, die bereits die Zusatzausbildung zum klinischen Prüfarzt absolviert hat. „Im Bereich der Unterleibstumore der Frau haben wir in Wien ein motiviertes Studienteam, das wir gerne noch weiter aufbauen würden. Da ich in unserer Arbeitsgruppe begonnen habe, Patientinnen in klinischen Studien zu betreuen, war die Idee, an einem großen onkologischen Zentrum Erfahrungen zu sammeln, um dann mit neuen Ideen zurückzukommen.“ Konkret gehe es darum, „wie sich klinische Studien noch besser in unseren universitären Spitalsalltag integrieren lassen, eine gute interdisziplinäre Infrastruktur zu schaffen und ein Setting, das Patientinnen die Teilnahme an klinischen Studien und somit einen Zugang zu neuen, interessanten Therapiealternativen ermöglicht.“
Nach ihren Zielen gefragt, steht für Aust an oberster Stelle „eine gute Gynäko-Onkologin zu werden“. Das Besondere an ihrem Fach ist, „dass wir in Österreich als Gynäko-Onkologen die Patientin von der Diagnose an, über die operative Therapie und Systemtherapie sowie Nachsorge hinweg begleiten können. Das ist etwas sehr Schönes und erlaubt uns, in allen Bereichen für die Patientinnen da zu sein.“ Im Gegensatz dazu erlebe sie in Frankreich eine klare Aufteilung von chirurgischer und onkologischer Tätigkeit zwischen den Fachärzten. „In unserer Arbeitsgruppe gibt es natürlich auch unterschiedlich orientierte Fachärzte, mit operativem oder systemtherapeutischem Schwerpunkt. – Die Zusammenarbeit als Team ermöglicht uns diese ganzheitliche Betreuung.“ Eine Möglichkeit zur weiteren Spezialisierung wäre für Aust ein gynäko-onkologisches Fellowship mit chirurgischem Fokus und eine weiterführende onkologische Ausbildung.
Positive Perspektive
Wissenschaftlich ist für die Jungärztin die Erforschung des Tumor-Microenvironments nach wie vor sehr spannend. Nach ihrem Medizinstudium in Wien war Aust im Rahmen eines PhD-Studiums zum Thema Prognostic Markers in Ovarian Cancer zwei Jahre in der Arbeitsgruppe Molecular Oncology (Leitung Univ.-Prof. Dr. Robert Zeillinger) tätig. In Zusammenarbeit mit ihrem PhD-Supervisor PD Dr. Dietmar Pils entstanden seitdem laufend Publikationen. Aust konnte zeigen, dass tumorassoziierte metabolische Veränderungen bedeutende systemische Effekte haben und u.a. zum Abbau von Muskelgewebe, Mangelernährung und erhöhten postoperativen Komplikationen führen bzw. mit schlechterer Prognose einhergehen. Beim Ovarialkarzinom wurde erstmals ein Zusammenhang von im Serum messbaren Phospholipiden mit einem systemisch inflammatorischen Zustand und auch der lokalen adaptiven Immunantwort aufgezeigt.
Nach ihren Herausforderungen gefragt, sagt Aust: „Es gibt Phasen, in denen einem die Komplexität und Heterogenität von Tumoren besonders vor Augen geführt wird und wir intellektuell gefordert sind, wenn es darum geht, Resistenzmechanismen und Evasionsstrategien einer Tumorerkrankung verstehen zu wollen. Es gibt immer wieder Schicksale, die mich beeinflussen und vergegenwärtigen, wie tragisch manche Krankheitsverläufe sind. Das ist für eine Ärztin schwierig zu akzeptieren, dass wir therapeutisch immer wieder an Grenzen stoßen.“ Wichtig sei, eine positive Perspektive zu behalten. „Etwa zu sehen, wie effektiv zielgerichtete Therapien, z.B. PARP-Inhibitoren, sein können, wenn wir Schwachstellen von Tumoren gezielt angreifen. Das ist unglaublich motivierend und Antrieb für Klinik wie Forschung, weil man daran sieht, dass man noch viel verändern kann.“
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