14. Jän. 2019Sexualpädagogik

Kindliche Sexualität: Ist das normal?

an einem sonnigen Schultag, Kindergartenruhe Mädchen, ein Kind auf der Straße in der Pause
Gettyimages/DmitryPK

Was tun, wenn besorgte Eltern ihren Arzt um Hilfe bitten, weil ihr Kind sexuelle Auffälligkeiten zeigt? Bei der kindergynäkologischen Fachtagung am 11. Jänner in der MedUni Wien sprach die Sexualpädagogin DSA Bettina Weidinger darüber, was Auffälligkeiten bei kindlicher Sexualität sind und wie damit umgegangen werden kann. 

Bettina Weidinger

„Wenn ein Verhalten als auffällig wahrgenommen wird, beispielsweise dauernde Selbstbefriedigung, ist das kein Drama und kein Grund zur Eskalation, aber es ist sehr wohl ein Grund hinzuschauen. Denn meist lösen sich solche Verhaltensweisen nicht von alleine auf, sondern sie sind ein Zeichen für Unterstützungsbedarf“, so Weidinger. Abwarten sei hier keine gute Strategie.

Die häufigsten Themen, mit denen sich Eltern tatsächlich an Ärzte wenden, sind die häufige Selbstbefriedigung und sexuelle Handlungen mehrerer Kinder miteinander. „Hier wollen Eltern oft, dass irgendjemand, der hier als kompetent angenommen wird, entscheidet, wer jetzt schuld ist.“ Ärzte werden dann oft um eine Art Diagnostik gebeten.

Sexualität als integraler Bestandteil der Entwicklung

Kindliche Sexualität ist für viele ein Tabuthema, obwohl Sexualität ein integraler Bestandteil der Entwicklung ist. „Die meisten Eltern halten es noch irgendwie aus, wenn ihr Kind mit sich selbst experimentiert, aber sexuelles Verhalten mehrerer Kinder miteinander wird von den meisten Erwachsenen als negativ bewertet“, so Weidinger. Hier gilt es einige Fallen zu umgehen: Es ist einladend, in eine Bewertung von Verursacher und Betroffener zu gehen. Das ist meist schon aufgrund dessen unmöglich, weil kein Erwachsener dabei war und nicht herauszufinden ist, was genau passiert ist. Wichtig sei, nicht diese eine Situation herauszugreifen und als etwas Besonderes zu bewerten. Das Gesamtverhalten des Kindes ist entscheidend, die Situation muss eingebettet in die allgemeine Entwicklungssituation betrachtet werden. „Wenn ein Kind Verunsicherungen zeigt, wieder einnässt oder Ähnliches, dann ist die Situation ganz anders zu bewerten, als wenn es dem Kind gut geht, alles wie immer ist und es einfach von einer sexuellen Handlung erzählt.“

Da können Ärzte laut Weidinger sehr gut unterstützen, weil es wichtig sei, hier die Pathologie herauszunehmen. Erwachsene sollen ihre Sorgen aussprechen können, allerdings gegenüber anderen Erwachsenen und auf keinen Fall damit beginnen, die Kinder zu befragen – nicht bei Kindern unter zehn Jahren. „Es geht um Sexualität, das ist ein Intimitätsbereich, und eine Befragung ist höchst problematisch, wenn die Kinder nicht von sich aus erzählen.“ Es sei so gut wie unmöglich, auf neutrale Art nachzufragen, sodass die Frage bereits dem Kind vermittelt, es habe etwas Falsches gemacht.

Fortbildung und Anlaufstelle

Weidinger hält regelmäßig Vorträge für Ärzte, sie steht aber auch als Ansprechpartnerin bei akuten Fragen zur Verfügung. „Viele Ärzte können aufgrund ihrer Erfahrung gut mit dem Thema umgehen, obwohl es in der Ausbildung kaum präsent ist. Es hängt also vom Einzelengagement ab, wie gut sich ein Arzt auskennt, und somit auch von der individuellen Wertehaltung.“

Infos und Kontakt: sexualpaedagogik.at

Tipps für die Praxis:

  • Die Verunsicherung der Eltern ist ernst zu nehmen.
  • In den seltensten Fällen geht es um eine Wahrheitsfindung (außer es geht um Gewalt), daher: Nicht die Kinder aushorchen!
  • Keine Pathologisierung
  • Erwachsenensorgen unter Erwachsenen besprechen: „Erwachsene Sorgen brauchen erwachsene Gespräche.“
  • Bei Bedarf mit Spezialisten zusammenarbeiten