Nur noch ein kleiner Pieks …
Heuer hat das ärztemagazin sich intensiv und multimedial einer der Erfolgsgeschichten der Medizin gewidmet – dem Impfen. War das wirklich notwendig und was davon können Ärzte mit in ihre Praxis nehmen? (ärztemagazin 22/18)
Die Masern kommen wieder und mit ihnen nicht nur Tod und SSPE, sondern auch eine ermüdende Debatte in den Medien. Wobei sich die meisten hier sogar eindeutig auf die Seite der Wissenschaft schlagen, Impfgegner erhalten immer seltener eine Plattform. Dennoch sind Ärzte beinahe täglich mit besorgten und entsprechend skeptischen Eltern konfrontiert, wie Kinderarzt Dr. Rudolf Schmitzberger erzählt. Seiner Erfahrung nach lassen sich viele verunsicherte Eltern mit seriöser Aufklärung gut erreichen. Ganz im Gegensatz zu echten Impfgegnern – hier sind sich alle Experten einig, dass diese sehr laute, in Wirklichkeit allerdings kleine Gruppe für Argumente nicht mehr zugänglich ist. Die Skeptiker hingegen sind grundvernünftig, eine kritische Einstellung gegenüber medizinischen Maßnahmen kann man niemandem verübeln. Um gesunden Kindern eine Spritze zu geben, braucht es schließlich richtig gute Gründe. Und die gibt es ausreichend, sie müssen nur gekannt und verständlich vermittelt werden.
Was Ärzte wissen müssen
Diskussionen mit Impfskeptikern und Impfgegnern können mühsam sein, sie sind aber bei weitem nicht das Wichtigste, was Ärzte bezüglich Impfungen leisten müssen. Viel wichtiger: Welche Zielgruppe braucht welche Impfung, welche Impfstoffe stehen zur Verfügung, welche Nebenwirkungen sind zu erwarten, wann sind welche Auffrischungen notwendig und welche Impfung hat welche Besonderheit? Wir haben für alle Impfungen aus dem Österreichischen Impfplan und für einige weitere all diese Informationen kompakt in Form von Steckbriefen zusammengefasst – sie sind alle online in unserem interaktiven Impfplan integriert. Sie können dort rasch, gezielt und zuverlässig alle wichtigen Informationen aufrufen, von der HPV-Impfung bis zur Influenza.
Gesundheitspersonal als Gesundheitsmuffel?
Wer Medizin studieren möchte oder in bestimmten Gesundheitseinrichtungen arbeiten will, kann bereits damit konfrontiert sein, dass er Impfungen nachweisen muss. Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien, betont: „Impfungen für Menschen im Gesundheitswesen sollten selbstverständlich sein, ebenso wie das Tragen von Handschuhen und Masken in einem hochinfektiösen Bereich, das ist nicht zu hinterfragen.“ Leider sieht die Realität anders aus, die Durchimpfungsrate beim Gesundheitspersonal wird in Österreich als „nicht ausreichend“ beurteilt. Dabei sind zwei Gründe für eine gute Impfdisziplin eigentlich nicht zu ignorieren: Erstens ist der Selbstschutz vor Infektionskrankheiten, die von Mensch zu Mensch übertragen werden können, im Gesundheitsbereich besonders wichtig, da man sich in einem Umfeld mit erhöhtem Risiko für die Übertragung einer Infektionskrankheit befindet.
„Sogar noch wichtiger ist allerdings die Tatsache, dass man geimpft sein muss, um nicht eine Infektionsschleuder für die Patienten zu sein. In vielen Fällen arbeitet man mit Patienten, die aus verschiedenen Gründen nicht geimpft werden können und daher auf den Impfschutz der Umgebung angewiesen sind. Dieser Aspekt muss beim Gesundheitspersonal im Vordergrund stehen. Im Gesundheitswesen Tätige sollten ein Fels in der Brandung für ihre Patienten sein, was impfpräventable Krankheiten betrifft“, so Wiedermann- Schmidt. Univ.-Prof. Dr. Ursula Kunze vom Zentrum für Public Health an der MedUni Wien hofft, dass mit möglichst niederschwelligen Fortbildungsmöglichkeiten es für Ärzte nicht nur einfacher wird, ihre Patienten korrekt und aktuell zu informieren, sondern auch die Impffreudigkeit bei den Ärzten selbst ansteigt.
Impflücken entstehen in Österreich weniger durch radikale Impfgegner und mehr durch den Mangel an Auffrischungsimpfungen. „Bis zum Alter von 14 Jahren funktioniert unser System aus Kinderarzt und nachfolgend Schularzt zur Überprüfung des Impfstatus eigentlich ganz gut“, erklärt Univ.-Doz. Dr. Ursula Hollenstein, Leiterin des reisemedizinischen Zentrums traveldoc in Wien. Die massiven Impflücken bei höheren Jahrgängen seien zwar sicher teilweise auf Impfgegner zurückzuführen, doch die Tatsache, dass sich die entsprechenden Empfehlungen im Laufe der Zeit änderten, hätte ebenfalls eine Rolle gespielt. „Früher galt die Meinung, dass eine Einzeldosis der MMRImpfung ausreicht, um gegen die Krankheiten eine Immunität aufzubauen. Doch inzwischen weiß man, dass dafür zwei Dosen erforderlich sind.“
Mittlerweile gibt es daher viele Menschen im Alter zwischen 15 und 35 Jahren, die entweder gar nicht oder nur einmal geimpft sind – eben weil in ihrer Kindheit nur die einmalige Impfung empfohlen wurde oder sie beispielsweise zur Zeit der Impfung krank waren. „Und deswegen erreichen wir diese Durchimpfungsraten nicht, die man benötigen würde, um nicht so gut wie jedes Jahr Epidemien zu haben“, beschreibt die Expertin die Impfsituation in Österreich.
Einen interaktiven Impfplan mit Steckbriefen zu allen empfohlenen Impfungen, einen historischen Überblick und weitere Experteninfos finden Sie auf medonline.at/impfen
Die Serie Impfen erscheint mit Unterstützung des Österreichischen Verbands der Impfstoffhersteller (ÖVIH) unter alleiniger inhaltlicher Verantwortung der ärztemagazin- Redaktion.
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