30. Nov. 2018Kongressbericht

ASH 2018: Der weltgrößte Hämatologie-Kongress geht in die 60. Runde

gettyimages.com/Art Wager

Wir berichten exklusiv vor Ort, beim Jahreskongress der American Society of Hematology (ASH) in San Diego, Kalifornien vom 1. bis 4. Dezember 2018.

Epigenetik, Immuntherapie, Erythrozyten-Biologie und Metabolismus: Das sind die zentralen Themen des diesjährigen  Jahreskongresses der amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH) in San Diego. Insgesamt 25.000 Hämatologen und Hämatoonkologen werden heuer erwartet. 

Große Durchbrüche für kleine Gruppen

Neben exzellenten ausgewählten wissenschaftlichen Vorträgen, „How I treat“-Formaten, Angeboten für Nachwuchsmediziner und Informationen über Zulassungen findet am Sonntag, 2.12. als erstes Highlight die Plenary Scientific Session statt, in der die vom Organisator ausgewählten sechs besten Abstracts vorgestellt werden. Am letzten Kongresstag, dem Dienstag, 4.12. findet die Late-Breaking Abstracts Session statt. Neben hämatoonkologischen Themen gibt es wie schon im Vorjahr einige Neuigkeiten für seltene Erkrankungen.

Chronische lymphatische Leukämie

Eine Phase-III-Studie untersuchte die Behandlung mit Ibrutinib alleine oder in Kombination mit Rituximab im Vergleich mit Bendamustin plus Rituximab bei knapp 550 älteren Patienten mit CLL. Am ASH werden jetzt die vielversprechenden PFS-Daten präsentiert (Sonntag, 2.12., 14:00, Plenary Scientific Session, Abstract #6). Zum medonline-Bericht

Eine Phase-III-Studie der ECOG-ACRIN-Arbeitsgruppe verglich die Therapie mit Ibrutinib versus der Standardtherapie Fludarabin, Cyclophosphamid und Rituximab (FCR) in der Erstlinie bei 354 jüngeren CLL-Patienten. Die positiven Daten zum OS und PFS werden am diesjährigen ASH erwartet (Dienstag, 4.12., 7:30, Late-Breaking Abstract Session, Abstract #LBA-4).

Eine neu charakterisierte BCL2-Mutation führt zur Resistenz gegen Venetoclax bei Patienten mit progressiver CLL. Bei sieben von 15 Patienten, bei denen vor und nach Progression ein Next Generation Sequencing durchgeführt wurde fand sich eine neue Nukleotidvariante von BCL2. Die BCL2 Gly101Val-Mutation verhindert die Bindung von Venetoclax an BCL2 und führt damit zur Resistenz, was die am ASH vorgestellte Studie sowohl in genetisch modifizierten Zelllinien als auch an Leukämiezellen aus Patienten nachweisen konnte (Dienstag, 4.12., 7:30, Late-Breaking Abstract Session, Abstract #LBA-7).

Myelom

Im Zuge der Phase-II-Studie STORM  bei fünffach rezidiviertem multiplen Myelom werden Daten zum oralen Inhibitor des nukleären Exports Selenixor präsentiert (Montag, 3.12., 7:45, Session 653 Myeloma, Abstract #598).

Die Phase-III-Studie MAIA untersucht die Kombination von Daratumumab mit Lenalidomid und Dexamethason (D-Rd) gegenüber Lenalidomid und Dexamethason (Rd) beim neu diagnostizierten multiplen Myelom bei über 700 für eine Transplantation ungeeigneten Patienten. Am ASH werden die Daten zum Sterbe- und Progressionsrisiko erwartet. (Dienstag, 4.12., 7:30, Late-Breaking Abstracts Session, Abstract #LBA2)

Lymphome

Die Phase-III-Studie FLYER verglich das Ergebnis einer Therapie mit vier Zyklen CHOP (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednisolon) plus sechs Anwendungen von Rituximab mit dem derzeitigen Behandlungsstandard von sechs Zyklen CHOP und Rituximab (R-CHOP) bei fast 600 Patienten zwischen 18 und 60 Jahren mit diffus-großzelligen B-Zell-Lymphomen und günstiger Prognose. Am diesjährigen ASH werden nun die (voraussichtlich positiven) Daten des Ereignis-freien Überlebens (EFS), progressionsfreien Überlebens (PFS) und Gesamtüberlebenns (OS) nach einer medianen Beobachtungsdauer von 66 Monaten präsentiert (Montag, 3.12., 14:45, Session 626 Aggressive Lymphoma, Abstract #781). Zum medonline-Bericht

Die Phase-II-Studie CAVALLI untersuchte die Wirksamkeit der Zugabe von Venetoclax zur Kombination Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristine und Prednisolon (R-CHOP) bei knapp 200 Patienten mit BCL2-positiven diffus-großzelligen B-Zell-Lymphom in Erstlinie. Ergebnisse werden am ASH 2018 präsentiert. (Montag, 3.12., 15:00, Session: 626 Aggressive Lymphoma, Abstract #782)

Die Phase-II-Studie HOVON prüfte Lenalidomid in Kombination mit CHOP21 bei 85 Patienten mit großzelligen B-Zell-Lymphomen mit Rearrangement von Myc. Am ASH werden Daten zur vollständigen metabolischen Remission  und zum Gesamtüberleben präsentiert (Montag, 3.12., 16:00, Session: 626 Aggressive Lymphoma, Abstract #786).

Myeloproliferative Neoplasien

Calreticulin (CALR)-Mutationen sind häufige Verursacher von myeloproliferativen Neoplasien (MPN). Eine am ASH präsentierte Studie (mit österreichischer Beteiligung) zeigt jetzt, dass mutierte CALR-Proteine sezerniert werden und als Pseudo-Zytokine in Zellen mit CALR-Mutationen an den Thrombopoetin-Rezeptor binden und diesen aktivieren können. (Sonntag, 2.12., 14:00, Plenary Scientific Session, Abstract #4)

Myelodysplastische Syndrome

Im Zuge der Phase-III-Studie MEDALIST wurde die Wirksamkeit von Luspatercept gegenüber Placebo in der Behandlung der Anämie bei 229 transfusionspflichtigen MDS-Patienten im sehr niedrigen, niedrigen, oder intermediären Risiko und Ringsideroblasten untersucht. Am ASH werden die voraussichtlich positiven Daten zur Transfusions-Unabhängigkeit mit Luspatercept gegenüber Placebo präsentiert (Sonntag, 2.12., 14:00, Plenary Scientific Session, Abstract #1).

Die Phase-II-Studie Telesto untersuchte die Wirksamkeit der Eisenchelation mit Deferasirox gegenüber Placebo (2:1) bei 225 Patienten mit Eisenüberschuss bei MDS im Low- und Intermediate-1-Risiko. Die Daten zum EFS werden am ASH präsentiert (Samstag, 1.12., 17:15, Plenary Scientific Session, Abstract #234).

 

Antikoagulation

Thromboseprophylaxe bei Krebspatienten. Die CASSINI-Studie untersuchte die Thromboseprophylaxe mit Rivaroxaban bei über 800 ambulanten Krebspatienten mit hohem Risiko, die systemische Therapie erhielten. Die positiven Daten zum Auftreten von und dem Tod an venösen Thromboembolien werden am ASH 2018 präsentiert (Dienstag, 4.12., 7:30, Late Breaking Abstracts Session, Abstract #LBA-1).

Perioperatives Antikoagulations-Management bei Vorhofflimmern. Die PAUSE-Studie untersuchte einen Plan zum perioperativen Management von Patienten mit Vorhofflimmern mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK). Über 3.000 Patienten wurden je nach eingenommenen DOAK (Apixaban, Dabigatran, Rivaroxaban) in drei Kohorten aufgeteilt, sie sollten ihre DOAK-Therapie nach einem vorgegeben perioperativen Plan absetzen und wiederaufnehmen. Die Resultate zu perioperativen Blutungen und gemessenen Blutkonzentrationen der DOAKs werden jetzt am ASH präsentiert (Dienstag, 4.12., 7:30, Late Breaking Abstracts Session, Abstract #LBA-5). 

Seltene Erkrankungen

Screening auf Sichelzellanämie. Sichelzellanämie ist in Afrika südlich der Sahara weit verbreitet. Zirka 20 Prozent der jährlichen Kindersterblichkeit gehen auf das Konto der Erkrankung. Diese kann weitgehend mit prophylaktischen Behandlungen in Schach gehalten werden – es scheiterte jedoch bisher am Neugeborenenscreening. Ein kostengünstiges Antikörper-basiertes Diagnoseverfahren (HemoTypeSCTM) kann die Hämoglobine A, S und C in einem Tropfen Vollblut nachweisen. Am ASH werden nun die Daten einer breiten Validierung des Verfahrens bei 1.000 Kindern an afrikanischen Spitälern präsentiert (Dienstag, 4.12., 7:30, Late Breaking Abstracts Session, Abstract #LBA-3). 

REACH: Die multinationale prospektive Studie untersuchte die Wirksamkeit von Hydroxyurea (HU) bei über 600 Kindern mit Sichelzellanämie aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara. Die Rate klinischer Ereignissen sowie weitere Studienendpunkte und Sicherheitsdaten werden am diesjährigen ASH präsentiert (Sonntag, 2.12., 14:00, Plenary Scientific Session, Abstract #3).

Emapalumab für Kinder mit primärer hämophagozytischer Lymphohistiozytose (pHLH):  Gegen das lebensbedrohliche Syndrom, das auf eine Hyperinflammation aufgrund der Überproduktion von IFN-γ zurückzuführen sind derzeit noch kaum Behandlungsmöglichkeiten verfügbar. Der anti-IFN-γ-Antikörper Emapalumab bindet und neutralisiert IFN-γ. Am ASH werden Daten zum Ansprechen und Nebenwirkungsprofil bei insgesamt 61 Kindern präsentiert. Diese ist die erste prospektive Studie, die bei der pHLH Ansprechraten basierend auf vordefinierten, objektiven Kriterien vorweisen kann (Dienstag, 4.12., 7:30, Late Breaking Abstracts Session, Abstract #LBA-6).

Was sagen die Experten?

Wir werden auch dieses Mal mit heimischen Hämatologen darüber diskutieren, ob und wie die am ASH 2018 vorgestellten Studien künftig die medizinische Praxis verändern werden. Wir freuen uns auf ein Interview, unter anderem mit:

  • OA Dr. Wolfgang Willenbacher, Medizinische Universität Innsbruck
  • OÄ Dr. Sonja Heibl, Klinikum Wels-Grieskirchen