HDL-Cholesterin: Zu hohe Werte sind auch ein Killer
Lange empfahl man Patienten mit hohem Herzinfarktrisiko, ihr „gutes Cholesterin“ zu erhöhen. Mittlerweile erhärtet sich jedoch der Verdacht, dass zu hohe HDL-Cholesterinwerte Herzkreislauferkrankungen sogar begünstigen könnten. Eine amerikanische Studie zeigt genau das bei Risikopatienten. 1
Früher hatte man Patienten geraten, auf hohe HDL-Cholesterin-Werte zu achten. Was jedoch landläufig als „gutes Cholesterin“ bezeichnet wird könnte das Herzinfarktrisiko sogar erhöhen, wie eine am ESC 2018 präsentierte Forschungsarbeit zeigt. 1 „Wir sollten unsere Meinung über HDL-Cholesterin vielleicht überdenken“, so Studienautor Dr. Marc Allard-Ratick von der Emory University School of Medicine in Atlanta.
Atheroprotektiver Effekt von extrem hohem HDL-Cholesterin zweifelhaft
Die vormalige Empfehlung stützte sich auf mehrere große Populationsstudien, die zeigten, dass Menschen mit niedrigem HDL-Cholesterin ein erhöhtes Risiko für Atherosklerose und Herzkreislauferkrankungen aufweisen. Im Umkehrschluss nahm man lange an, dass sich hohe HDL-Levels positiv auf das Herzinfarktrisiko auswirken können. „Die Ergebnisse unserer und anderer Studien deuten jedoch darauf hin, dass dies nicht länger der Fall sein könnte“, so Allard-Ratick weiter.
Mehrere Arzneimittelstudien waren bereits zuvor am Versuch gescheitert, durch ein pharmakologisches Anheben der HDL-Cholesterinwerte, etwa mit Niacin, das Herzkreislaufrisiko zu senken.
Prospektive Studie mit 6.000 Risikopatienten
Allard-Raticks Studie untersuchte fast 6.000 Patienten, die ihre Daten nach einer Koronarangiographie einer Biobank zur Verfügung gestellt hatten. Die meisten Teilnehmer hatten daher bekannte kardiovaskuläre Risikofaktoren. Im Durchschnitt waren sie 63 Jahre alt, mehr als die Hälfte (65%) waren Männer. Die Teilnehmer wurden anhand ihrer HDL-Cholesterin-Levels in fünf Gruppen unterteilt: Weniger als 30mg/dL, 31-40mg/dL, 41-50mg/dl, 51-60mg/dL und höher als 60mg/dl.
Zu geringe, aber auch zu hohe HDL-Cholesterinwerte steigern das Herzinfarktrisiko
Nach einer mittleren Beobachtungsdauer von viereinhalb Jahren hatten 13 Prozent der Studienteilnehmer einen Herzinfarkt mit oder ohne Todesfolge erlitten. Nach Bereinigung der Daten für bekannte kardiovaskuläre Risikofaktoren (wie Rauchen, Diabetes oder hohe LDL-Werte) konnte die Forschergruppe beobachten, dass das Herzinfarktrisiko verglichen mit den HDL-Werten eine U-förmige Kurve annahm: Während Teilnehmer in der Gruppe mit HDL-Cholesterin-Werten von 41-60mg/dl das niedrigste Risiko für Herzinfarkt oder Tod hatten, war das Risiko der Teilnehmer mit Werten unter 41mg/dl erhöht (HR 1,62; 95% CI=1,16-2,26, p=0,005) – genauso wie das von Teilnehmern mit Werten über 60mg/dl (HR 1,44; 95% CI = 1,01-2,06, p=0,04). Ein klar erhöhtes Risiko in der Gruppe mit hohen HDL-Werten zeichnete sich allerdings erst ab Werten über 80mg/dl ab.
Verdacht erhärtet sich
Diese Ergebnisse unterstützen Daten von anderen großen Populationsstudien, inklusive einer kürzlich erschienenen Forschungsarbeit, die ebenfalls ein erhöhtes Risiko für herzkreislauf-assoziierte Todesfälle und Todesfälle aller Ursachen bei Menschen mit hohem HDL-Cholesterin beobachten konnte. 2 Allard-Ratick bestätigte dies jetzt in einem Patientenkollektiv mit bekanntem kardiovaskulärem Risiko.
Warum sehr hohe HDL-Werte diesen paradoxen Effekt bewirken ist vorerst nicht bekannt. HDL transportiert nicht mehr benötigtes Cholesterin aus Blut und Gefäßwänden in die Leber, wo es über Gallensäuren ausgeschieden wird – dadurch kann es das Atherosklerose-Risiko senken. Für Allard-Ratick ist eine Möglichkeit, dass HDL in extrem erhöhten Konzentrationen diese Funktion nicht mehr ausüben und damit Herzkreislauferkrankungen sogar begünstigen könnte.
Eines ist für ihn aber sicher: „Das Mantra vom „guten“ HDL-Cholesterin könnte nicht für Jeden zutreffen.“
Quellen:
1 Allard-Ratick M et al.: Elevated HDL-C is associated with adverse cardiovascular outcomes. ESC 2018, Abstract #FP50
2 Madsen CM et al.: Extreme high high-density lipoprotein cholesterol is paradoxically associated with high mortality in men and women: two prospective cohort studies. Eur Heart J 2017;38:2478-2486