Unschöne Druckstelle am kleinen Zeh
Der Fall. Ihre knapp 40-jährige Patientin kommt das erste Mal zu Ihnen. „Seit diesem Winter habe ich diese Druckstelle am rechten kleinen Zeh. Jetzt, wo die Badesaison in vollem Gang ist, kann ich viele Schuhe nicht mehr anziehen, weil es so drückt und nach nur einer Stunde tut es so weh, dass ich die Schuhe ausziehen muss. Es sieht einfach unschon aus. Es gibt bestimmt eine Salbe oder Tinktur, die ich draufschmieren kann, damit das möglichst rasch wieder weggeht, oder?“ Am rechten kleinen Zehenrücken sehen Sie eine ca. 0,5cm messende scharf begrenzte harte Verdickung der Haut mit leichter Umgebungsröte. 170cm, 80kg, RR 160/75mmHg, P 80, Temp. 37,0°C, keine Vorerkrankungen oder Dauermedikation, Pollenallergie. Was verschreiben Sie Frau W. und vorauf achten Sie noch? (ärztemagazin 13/18)
„ Der Kliniker sollte sich um eine Abklärung der Ursache des Clavus bemühen“
OA Dr. Michel Chraim
Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Orthopädisches Spital Speising; Ordination: Fußzentrum Wien, www.fusszentrum.at
DAS HÜHNERAUGE ENTWICKELT sich auf Grund eines chronischen Drucks auf die knochennahe Haut, wobei eine umschriebene, meist sehr schmerzhafte, kegelförmige hyperkeratotische Hautläsion entsteht. Diese Pathologie ist sehr beeinträchtigend im Sinne vom Schuhkonflikt und Belastungsschmerzen. Die ästhetische Komponente spielt auch eine Rolle. Trotz des Fokus des Patienten auf die gezielte Behandlung der Läsion, sollte sich der Kliniker um eine Abklärung der Ursache dieses Clavus bemühen sowie um eine Behandlung der Ätiologie. Diese Läsionen entstehen meistens auf Höhe der Metatarsalköpfchen oder auf Höhe des Interphalangealgelenkes sowohl proximal als auch distal und dorsalseitig oder im interdigitalen Raum.
Eine orthopädische Erkrankung sollte auf jeden Fall ausgeschlossen werden. Der Senkspreizfuß, die Vorfußarthrose und Zehenfehlstellungen (Hammerzehe, Krallenzehe und Malletzehe) sind vor allem in Kombination von inadäquatem Schuhwerk begünstigende Faktoren für die Entstehung eines Clavus. Eine Röntgenaufnahme des stehenden Fußes dorsoplantar und seitlich ist unbedingt notwendig, um diese Pathologien zu diagnostizieren. In dem klinischen Fall handelt es sich um eine Hammerzehen-Fehlstellung. Hier sollte in erster Linie geklärt werden, ob die Hammerzehe flexibel und reponierbar ist oder ob das Gelenk eine rigide Fehlstellung aufweist.
Bei einer flexiblen Hammerzehe ist die konservative Therapie einzuleiten: eine Einlagenversorgung mit einem Metapolster, Filzringe, Redressionsverbände und eine Physiotherapie (Spiraldynamik) können eine gute Korrektur der Fehlstellung erzielen und einen prophylaktischen Effekt haben gegen die Bildung von neuen Hammerzehen und das Fortschreiten der Vorfußpathologie. Sollte die Hammerzehe im rigiden Stadium sein, ist die operative Versorgung mittels Interphalangealarthrodesen oder Trochlearesektion, welche in Lokalanästhesie durchführbar sind, die Therapie der Wahl. Resorbierbare Fixierungsimplantate werden standardmäßig im Spezialfußteam des OS Speising angewendet, um die Nachteile der Metallimplantate zu vermeiden und die Heilung zu beschleunigen. Weitere Pathologien (Hallux valgus, Metatarsalgie) sollten auch in diesem Rahmen adressiert werden.
Die Nachbehandlung wäre ein Hallux-Schuh und eine anschließende Heilgymnastik. Die Nebenerkrankungen des Patienten, vor allem der Diabetes mellitus oder die Polyneuropathie, können den Verlauf dieser Läsion besonders erschweren und sollten anamnestisch immer erfragt werden. Es kann eine Fistel- oder Ulkusbildung mit resultierendem Malum perforans entstehen. Wenn diese Läsionen unbehandelt bleiben, entstehen Infektionen, die zu einem diabetischen Gangrän der Zehen oder des Fußes führen. Ein Zehenclavus ist beim diabetischen Patienten besonders ernst zu nehmen.
„Gröbere mechanische Ursachen müssen operativ behoben werden“
Univ.-Prof. Dr. Ronald Dorotka
FA f. Orthopädie und orthop. Chirurgie (Sportorthopädie, Rheumatologie), Orthopädie-Zentrum Innere Stadt, Wien
ES HANDELT SICH um eine klassische Schwiele, bei dieser Lokalisation vermutlich im Sinne eines Hühnerauges (Clavus durus). Durch mechanischen Druck kommt es dabei zu einer Verdickung der Haut und zur Entwicklung eines harten Kerns, der sich dornartig in die Tiefe fortsetzt. Durch Druck entstehen dadurch beträchtliche Schmerzen. Die klinische Untersuchung beinhaltet neben der Beurteilung der Lokalsituation auch die Erforschung mechanischer Ursachen. Dazu gehören die Beurteilung der Beinachse, der Beinlänge, angrenzender Gelenke und der Fußstellung. Vor allem Fehlstellungen wie Senk- oder Spreizfüße sowie Hammerzehen sind im Stehen abzuklären. Zu enge Schuhe fördern diese Druckschäden und begünstigen die Bildung von Hammerzehen. Eine Untersuchung der groben Durchblutung (Fußpulse) und Sensibilität sollte angeschlossen werden.
Wichtig ist auch die anamnestische Diabetesabklärung. Besteht der Verdacht auf eine zusätzliche mechanische Komponente (Exostose, alte Frakturen …) sollte ein Nativröntgen veranlasst werden. Therapeutisch können lokale Pflaster oder Tinkturen angewendet werden. Auch regelmäßiges Eincremen hilft. Essentiell ist aus orthopädischer Sicht jedoch die Beseitigung der mechanischen Ursachen. Je nach Fehlstellung kommen hier orthopädische Einlagen mit Längsgewölbeunterstützung, Metapolster und Weichbettungen in Frage. Bequeme Schuhe sind ohnehin unerlässlich. Zusätzlich stehen verschiedene Polster aus Silikon oder Ähnlichem zur Druckverminderung zur Verfügung. Zur aktiven Unterstützung der Muskulatur wird auch die sog. Spiraldynamik im Rahmen einer Physiotherapie empfohlen. Gröbere mechanische Ursachen müssen operativ behoben werden. An der kleinen Zehe kommen hierfür u.a. Resektionen, Arthrodesen, ggf. mit Verschiebeosteotomien gemeinsam mit der dann sinnvollen Abtragung der Schwiele in Frage. PS: Die 40-jährige adipöse Patientin mit einem syst. RR von 160 mmHg sollte auch zur Hypertonieabklärung beim Hausarzt vorbeischauen.