26. Juni 2024Intraartikuläre Injektionstherapien

EULAR: Schmerztherapie bei Arthrose im Knie

Kniearthrosen können sehr schmerzhaft sein und sind häufig nur durch chirurgischen Gelenksersatz zu behandeln. Die Optionen der medikamentösen Schmerzbehandlung sind begrenzt. Geforscht wird unter anderem an intraartikulären Injektionstherapien mit Wirkung über mehrere Monate. Daten dazu wurden im Rahmen des EULAR 2024 vorgestellt.

Mann leidet unter Knieschmerzen beim Versuch aufzustehen
Andrey Popov/AdobeStock

„In einer Welt, in der wir wenige therapeutische Optionen für Arthrosen haben, ist es sinnvoll, zu überlegen, wie man die Wirksamkeit der wenigen nachweislich effektiven Therapien verlängern kann“, sagt Prof. Dr. Philip Conaghan von der School of Medicine der University of Leeds. Eine dieser wenigen Interventionen ist die intraartikuläre Injektion von Steroiden. Diese reduziert zwar Schmerzen, hat aber den Nachteil, dass die Wirkung zeitlich deutlich begrenzt ist. Mit 4–6 Wochen sei zu rechnen, führt Conaghan aus. Mehrere Firmen arbeiten daher an intraartikulären Injektionstherapien mit längerer Wirkdauer. Conaghan präsentierte im Rahmen des EULAR 2024 die Ergebnisse einer Phase-II-Studie mit EP-104IAR, einer langwirksamen Formulierung von Fluticasonpropionat (FP).1 Dabei kommt eine diffusionsbasierte Technik für die kontrollierte Freisetzung des Steroids zum Einsatz. Dieses wird in Partikeln von 100mm in eine Polymer-Membran verpackt, durch die Flüssigkeit eindringen und das Steroid mit konstanter Rate austreten kann. So bleibt über mindestens 6 Monate eine konstante Konzentration des Medikaments im Gelenk präsent. Die langsame Freisetzung limitiert auch die systemische Exposition, so Conaghan.

Langsame Steroid-Freisetzung im Kniegelenk

Für die SPRINGBOARD-Studie wurden 318 Patientinnen und Patienten mit Kniearthrosen 1:1 randomisiert in jeweils einem Index-Knie mit einer intraartikulären Dosis EP-104IAR 25mg (n=163) oder Vehikel (n=155) behandelt und anschließend für 24 Wochen beobachtet. In der Per-Protokoll-Analyse wurden 256 Probandinnen und Probanden (132 EP-104IAR, 124 Vehikel) ausgewertet. Einschlusskriterium war eine Gonarthrose vom Kellgren-Lawrence Grad 2 oder 3, Symptomen über mindestens 6 Monate sowie einem WOMAC® Pain Score zwischen ≥4,0 und ≤9,0 mit Schwankungen bis maximal 3 Punkte während der Screening-Phase. Insgesamt wurden 62 Teilnehmende aus der Studie ausgeschlossen, was in den meisten Fällen auf die Einnahme verbotener Schmerzmedikamente oder auf versäumte Kontrolltermine zurückzuführen war. Primärer Endpunkt der Studie war die Veränderung des WOMAC Pain Scores zu Woche 12. Um die systemische Exposition zu quantifizieren, wurde FP vor Beginn der Studie, 2 Stunden nach der Injektion sowie in der Folge in den Wochen 1, 2, 4, 8, 12, 18 and 24 im Blut gemessen.

Die Studie erreichte in der Per-Protokoll-Analyse ihren primären Endpunkt. Sowohl für den WOMAC-Gesamtscore als auch für die Subscores Schmerz (-2,97 vs. -2,24; p=0,003), Funktion (-2,64 vs. -1,99; p=0,005) und Steifigkeit (-2,85 vs. -2,05; p=0,001) wurden statistisch und klinisch signifikante Verbesserungen erreicht. Hinsichtlich Steifigkeit und Funktion blieb der Vorteil gegenüber Vehikel bis zu Woche 20 signifikant, hinsichtlich Schmerz bis Woche 15. Der WOMAC-Gesamtscore war in der Per-Protokoll-Analyse zu Woche 12 mit EP-104IAR besser als mit Vehikel (-2,79 vs. -2,07; p=0,002). Der Unterschied blieb bis Woche 20 signifikant. Der Anteil an OMERACT-OARSI-Respondern, definiert durch eine Abnahme des Schmerz-Scores um mindestens 50% mit einer absoluten Verbesserung um 2 Punkte auf der WOMAC-Schmerzskala, wurde wöchentlich berechnet und war zu Woche 12 mit EP-104IAR höher als mit Vehikel (55,3% vs. 39,5%; p=0,013). Auch im Hinblick auf eine 70%ige Schmerzreduktion war EP-104IAR gegenüber Vehikel überlegen. In der Intent-to-Treat-Analyse waren die Vorteile für EP-104IAR etwas geringer, jedoch ebenfalls signifikant.

Diese Ergebnisse zeigen zunächst einmal, dass die Technologie funktioniere und man über zumindest 14 Wochen klinische Wirksamkeit sehe und daraus auf relevante Wirkspiegel des Medikaments im Gelenk schließen könne. Dabei kam es zu keinen Abweichungen der systemischen Cortisol- und Glukose-Spiegel. Man könne also davon ausgehen, dass das Steroid nicht in relevanten Mengen in die Blutbahn gelange, so Conaghan.

Intraartikulärer Hightech-Schmierstoff für das Kniegelenk

Ebenfalls intraartikulär appliziert wird ein in Indien entwickeltes Therapeutikum mit dem Arbeitstitel MM-II, eine Suspension von großen, leeren, multilamellaren Liposomen aus Dimyristoylphosphatidylcholin (DMPC) und Dipalmitoylphosphatidylcholin (DPPC), die im Gelenk den Knorpel umhüllen, seine mechanischen Eigenschaften verbessern und vor weiterer Abnützung schützen soll. Vergleichbare Ansätze seien bereits mit Hyaluronsäure und Viscosupplementen versucht worden, die Daten zur Wirksamkeit seien jedoch widersprüchlich, führt Conaghan aus, der im Rahmen des EULAR 2024 auch neue Analysen einer Phase-IIb-Studie zu MM-II vorstellte.2 Die 2023 präsentierte Studie untersuchte MM-II in unterschiedlichen Dosierungen in einer Population von Patientinnen und Patienten mit Kniearthrosen und konnte für die 3ml Dosierung im Vergleich zu Placebo eine signifikante Reduktion des WOMAC-Schmerzscores zeigen. Die aktuelle Analyse untersuchte die Dauerhaftigkeit dieser Verbesserungen sowie die Sicherheit der Behandlung über 12 Wochen hinaus.

Eine Auswertung zu Woche 26 zeigte, dass sowohl der WOMAC-Schmerzscore als auch der WADP (weekly average daily pain) Score zwischen den Wochen 8 und 26 praktisch unverändert und damit auch der zu Woche 12 erzielte Vorteil in vollem Umfang erhalten blieben. Auch der Anteil der Patientinnen und Patienten, die eine Schmerzreduktion um 30 bzw. 50% erreichten, blieb zu Woche 26 hoch. Conaghan: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass schon eine 30%ige Schmerzreduktion für die Betroffenen sehr relevant ist. Noch besser, im klinischen Alltag aber schwer zu erreichen, sind natürlich 50%.“ Über den gesamten Verlauf der Studie wurden keine schweren Nebenwirkungen beobachtet. Für beide Therapien müsse sich nun zeigen, ob die beobachteten Effekte in größeren Phase-III-Studien reproduzierbar sind.

Quelle: “New developments in Osteoarthritis”, Clinical Abstract Sessions, EULAR 2024, Wien, 14.6.2024