Von Impfverweigerung und Impfpflicht: Minenfeld Impfzwang
Die Diskussion über Impfpflicht und „Freiheit zur Krankheit“ gewinnt an Fahrt. In seinem Gastkommentar sieht Christian Kopetzki verfassungsrechtlich durchaus Raum für schärfere Maßnahmen zur Erhöhung der Durchimpfungsrate.
Mit erfrischender Klarheit hat „Profil“-Herausgeber Christian Rainer jüngst vorgeschlagen, was auf der politischen Bühne (noch) niemand deutlich aussprechen möchte: Ein „Leben ohne Impfung so unerträglich wie möglich zu machen, dass die Besserwisser klein beigeben. Für alle Verweigerer: kein befreiendes Testen, fortgesetzte Maskenpflicht überall, kein Besuch von Lokalen, Sport, Kulturveranstaltungen, Quarantänepflicht bei jeder Reise.“ Kurz darauf forderte „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak, „über Konsequenzen der Fahrlässigkeit einer Impfverweigerung zu reden“, und hielt die „Einführung von Selbstbehalten oder voller Kostenübernahme“ für überlegenswert, „wenn ein Impfverweigerer an COVID-19 erkrankt und im Spital behandelt werden muss“.
Durchimpfungsrate erhöhen
Aus verfassungsrechtlicher Perspektive ist der Raum für schärfere Maßnahmen zur Erhöhung der Durchimpfungsrate während der COVID-19-Pandemie größer, als manche glauben. Gewiss gibt es auch in Österreich eine grundrechtlich geschützte „Freiheit zur Krankheit“: Jeder rechtliche Zwang zur Duldung diagnostischer, therapeutischer oder präventiver medizinischer Maßnahmen stellt einen Grundrechtseingriff dar (Art 8 EMRK). Das dadurch gewährleistete Abwehrrecht ist aber nicht absolut, sondern durch einen Gesetzesvorbehalt zum Schutz anderer Rechtsgüter limitiert.
In diesem Sinn hat der EGMR unlängst die Konventionskonformität einer verhältnismäßig ausgestalteten Impfpflicht neuerlich bestätigt, da sie das legitime Ziel des Schutzes der Gesundheit sowie der Rechte und Freiheiten anderer gem Art 8 Abs 2 EMRK verfolge. Grundrechtliche Schutzpflichten sprechen dafür, dass der Staat diese Eingriffsmöglichkeiten auch tatsächlich ausübt, statt die heiße Kartoffel anderen Rechtsträgern zuzuschieben.
Druckmittel gegen Impfverweigerer
Dabei sollte im Auge behalten werden, dass die Rechtsordnung über eine bunte und hinsichtlich ihrer Eingriffsintensität abgestufte Palette von Druckmitteln verfügt. Sie reicht vom Extremfall einer vollstreckbaren Duldungspflicht (die ohnehin niemand wünscht) über bloß strafbewehrte, aber nicht exekutierbare Rechtspflichten bis hin zur Verknüpfung eines unerwünschten Verhaltens mit sonstigen Nachteilen wie etwa dem Entzug von Sozialleistungen oder Schranken beim Zugang zu öffentlichen Einrichtungen.
Am unteren Ende des Spektrums stehen – offenbar nur beschränkt wirksame – positive Anreize wie Informationskampagnen, Gratisimpfungen oder direkte finanzielle Zuwendungen. Einen noch größeren Handlungsspielraum haben nicht-staatliche Akteure wie Transportunternehmen, Hotels oder Konzertveranstalter, wenn sie die Inanspruchnahme ihrer Leistungen von Impfnachweisen abhängig machen. Ihre privatautonome Gestaltungsfreiheit ist nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden, die Grenze liegt daher erst in den Diskriminierungsverboten. Diese schließen eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung nicht aus.
Quelle: MANZ Verlag/ www.manz.at
Gekürzte Fassung des Editorials zum „Minenfeld Impfzwang“ von „Recht der Medizin“-Schriftleiter Christian Kopetzki. Den gesamten Text lesen Sie in der RdM-Ausgabe von August 2021 sowie online auf rdb.at