12. Juni 2023Jahrestagung NeuroIntensivMedizin

Nicht zu schnell von Traumatisierung sprechen

Die Beteiligung an einem schweren Unfall, eine Vergewaltigung oder auch der unerwartete Tod eines nahestehenden Menschen – all diese Erlebnisse können ein psychisches Trauma hinterlassen. Doch in vielen Fällen sind die Selbstheilungskräfte größer als vermutet. Eine zu früh aufgedrängte Therapie kann eher schaden als nutzen.

Erasing trauma. Trauma written on white paper with a pencil, partially erased with an eraser. Symbolic for overcoming trauma or treating trauma.
Dennis Diatel Photography/GettyImages

Die Wahrscheinlichkeit, irgendwann im Laufe des Lebens eine extrem bedrohliche oder schreckliche Ausnahmesituation zu erleben, liegt bei immerhin 70 Prozent, erklärte Dr. Kathlen Priebe von der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus Berlin. Nach einem solchen Ereignis reagieren die Betroffenen oft mit akuten Belastungsreaktionen, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Dazu gehören körperliche Symptome wie Herzrasen, Zittern, Schweißausbrüche, Weinen oder Unruhe, aber auch kognitive Veränderungen wie eine Bewusstseinseinengung („Tunnelblick“), Desorientierung sowie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen.

Auf Gefühlsebene können die Reaktionen emotionale Taubheit oder Dissoziation umfassen, aber auch Gereiztheit, Wut, Niedergeschlagenheit oder Stimmungsschwankungen. „All dies sind völlig normale Reaktionen auf ein außergewöhnliches Ereignis“, betonte die Psychotherapeutin. Da die meisten Menschen in Ausnahmesituationen so reagieren, wurde auch der Begriff „akute Belastungsstörung“ aus dem ICD-System gestrichen. Den Betroffenen sollte genauso vermittelt werden, dass es sich bei solchen Symptomen direkt nach einem traumatischen Erlebnis keinesfalls um eine Störung handelt, sondern um eine übliche Reaktion.

Die meisten Betroffenen entwickeln keine PTBS

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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum neuropsy