Die Honorargestaltung in Wahl- und Privatordinationen – Teil 2
In dieser Folge werden wir uns mit den Vor- und Nachteilen von verschiedenen Honorarmodellen für Wahl- und Privatordinationen beschäftigen.
Um als Wahlärztin oder Wahlarzt das Honorar abzurechnen, stehen grundsätzlich mehrere Modelle zur Verfügung, die ich Ihnen in diesem Beitrag vorstellen möchte. Ich persönlich habe eine klare Präferenz für eine Pauschalverrechnung.
Bevor wir uns weiter in der Thematik vertiefen, muss eine wesentliche Botschaft klar artikuliert werden: Patientinnen und Patienten suchen Wahlärztinnen und Wahlärzte auf, um von ihnen behandelt zu werden. Sie suchen diese nicht auf, um möglichst viel des bezahlten Honorars wieder rückerstattet zu bekommen. Der Behandlungswunsch steht eindeutig im Vordergrund.
Vor allem junge Wahlärzte und -ärztinnen beschäftigen sich häufig viel zu intensiv mit der Thematik, wie man die Honorarnote gestalten könnte, damit Patientinnen und Patienten möglichst viel Kostenrückerstattung bekommen.
Mir persönlich sind Einzelfälle bekannt, in denen nicht erbrachte Leistungen auf der Honorarnote angeführt waren, „um dem Patienten zu helfen“. Für diesen Sachverhalt gibt es nur eine Bezeichnung: Betrug!
Um Patientinnen und Patienten eine Kalkulation und Bewertung der Leistbarkeit des ersten Ordinationsbesuches und allfälliger weiterer Ordinationsbesuche zu ermöglichen, sollte ein Honorarmodell gewählt werden, das leicht verständlich, gut durchschaubar und schnell erklärbar ist.
Leistungsabhängiges Honorarmodell, kassentariforientiert
Das typische Beispiel für leistungsabhängige Honorarmodelle sind die Leistungskataloge der Krankenkassen. Abhängig von der Anzahl der erbrachten Leistungen ergibt sich das Honorar aus der Summe der Einzelleistungen. Für ein und dieselbe Leistung wird bei verschiedenen Patientinnen und Patienten ein unterschiedlicher Betrag verrechnet. Dies kann zu Verwunderung führen, wenn nicht eine entsprechende Aufklärung vorangeht. Weder Wahlärztin und Wahlarzt noch die Patientinnen und Patienten wissen vor Beginn der Behandlung, welche Kosten ein Ordinationsbesuch verursachen wird. Da sich Wahlärzte im Regelfall mehr Zeit für Patientinnen und Patienten nehmen können als Kassenärzte, ist es nicht möglich, eine Wahlarztordination zu Kassentarifen wirtschaftlich erfolgreich zu führen. Dieses Modell kann daher keinesfalls empfohlen werden.
Ein Sondermodell dieser Art von Honorargestaltung ist die Verrechnung von 80% des Kassentarifs, um den Patientinnen und Patienten eine Kostenrückerstattung von 100% des bezahlten Honorars zu ermöglichen. Abgesehen davon, dass aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit dringend von diesem Modell abgeraten werden muss, führen zahlreiche Ausnahmen (insbesondere die für Kassenärzte limitierten Leistungen) dazu, dass auch in diesem Fall eine vollständige Kostenrückerstattung nur in Einzelfällen erfolgt.
Eine weitere Möglichkeit wäre es, zu den Kassentarifen einen Fixzuschlag pro Ordinationsbesuch zu verrechnen. Damit kann der vermehrte Zeitaufwand der Wahlärztin bzw. des Wahlarztes honoriert werden.
Jedenfalls bleibt bei allen Varianten dieses Modells der Nachteil, dass die Frage nach den Kosten eines Ordinationsbesuches nie exakt beantwortet werden kann – und häufig stellen zukünftige Wahlarztpatienten und -patientinnen diese Frage.
Leistungsabhängiges Honorarmodell, nicht kassentariforientiert
Bei diesem Honorarmodell ordnen Sie als Wahlärztin oder Wahlarzt jeder Leistung aus dem Katalog der Krankenkassen einen persönlichen, betriebswirtschaftlich kalkulierten Tarif zu. Diesen bringen Sie für alle Patientinnen und Patienten zur Anwendung. Dieses Modell ist zwar wirtschaftlich erfolgreich, führt jedoch zu einer erschwerten Planbarkeit der Honorarhöhe für die Patientinnen und Patienten. Eine Variante dieses Modells wäre auch die Anwendung eines Leistungskataloges (etwa des BVA-Tarifmodells) für alle Patientinnen und Patienten.
Eine grundsätzliche Gefahr aller leistungsabhängigen Modelle besteht in einer sehr menschlichen Eigenschaft: Im Unterbewusstsein wird jede Wahlärztin und jeder Wahlarzt geneigt sein, möglichst viele Leistungen bei einer Patientin bzw. einem Patienten unterzubringen, da dies ja das Honorar steigert. Kassenärzte und -ärztinnen sind gezwungen, tagtäglich mit diesem Zwiespalt zu leben. Es gibt keinen vernünftigen Grund, sich als Wahlärztin oder Wahlarzt dieses mögliche Konfliktpotenzial freiwillig aufzuhalsen.
Leistungsunabhängiges Honorarmodell
Dieses Honorarmodell wird von sehr vielen Wahlärzten und -ärztinnen sowie auch Privatärzten und -ärztinnen angewandt. Unabhängig von der erbrachten Leistung wird ein Pauschalbetrag verrechnet. Meist kommen Abstufungen zur Anwendung, da im Regelfall für einen Erstbesuch in der Ordination oder bei der Erstkonsultation mit einem neuen Krankheitsbild mehr Zeit benötigt wird als für einen weiteren Ordinationsbesuch. Viele Ärztinnen und Ärzte unterscheiden daher einen Fixtarif für eine Erstordination und einen geringeren Tarif für eine Folgeordination.
Ein großer Vorteil dieses Modells liegt in der Planbarkeit der Honorarhöhe sowohl für Ärztinnen und Ärzte wie auch für Patientinnen und Patienten. Übliche Honorare bei Fach-Wahlärztinnen und -ärzten sind (abhängig vom Standort der Ordination und vom Fachgebiet) für einen Erstbesuche 100–170 Euro, für eine weitere Ordination 80–120 Euro.
Die Position der Wahlärztin bzw. des Wahlarztes für Allgemeinmedizin ist bedeutend schwieriger, da die Bereitschaft der Bevölkerung, diese bzw. diesen aufzusuchen, viel geringer ist. Dies spiegelt sich auch in den üblichen Honoraren wider.
Denkbar sind auch Pauschalsummen für besonders kurze Ordinationen, wie sie etwa bei ausschließlicher Rezeptausstellung oder bei Injektionskuren vorkommen können. Oft werden auch für Kinder etwas niedrigere Tarife verrechnet.
Ich persönlich empfehle dieses Honorarmodell und wende es in meiner Privatordination auch an, da es vor allem für Patientinnen und Patienten einfach zu durchschauen ist. Für Fachgebiete, die fallweise besonders aufwendige Einzelleistungen erbringen (wie Operationen, Gastroskopie oder Ergometrie), ist dieses System nur mit Modifikationen geeignet.
Leistungsunabhängiges, zeitabhängiges Honorarmodell
Die Verrechnung erfolgt in diesem Fall nach einem Zeitraster. Nach betriebswirtschaftlicher Durchleuchtung der Ordination wird beispielsweise ein notwendiger Umsatz von 300 Euro errechnet. Dauert der Ordinationsbesuch eine Stunde, kommt dieser Betrag zur Verrechnung. Für Teile einer Stunde kommt der jeweilige Anteil dieser Summe zur Verrechnung, wobei es nötig ist, die Zeitverluste durch den Patientenwechsel durch eine Aufrundung der Honorare auszugleichen. In unserem Beispiel würde somit die halbe Stunde 160 Euro kosten, die Viertelstunde etwa 90 Euro.
Aus ökonomischer Sicht handelt es sich um ein brauchbares System. Allerdings besteht die Gefahr, dass Patientinnen und Patienten das Gefühl haben könnten, die Ärztinnen und Ärzte versuchen, die Ordination bewusst möglichst zeitintensiv zu gestalten.
Zur Anwendung kommt dieses System oft in allgemeinmedizinischen Ordinationen, die ihren Schwerpunkt auf komplementäre Behandlungsmethoden wie Homöopathie gelegt haben.
Mischmodell aus Pauschalbetrag mit Einzelleistungszuschlag
Für einen vorher definierten Leistungsumfang wird eine Pauschalsumme verrechnet. Aufwendige Zusatzleistungen wie Operationen, Langzeit-EKG oder endoskopische Untersuchungen werden zusätzlich verrechnet. Dieses Modell ist vor allem für Fachärztinnen und -ärzte für Innere Medizin, aber auch in der Chirurgie oder Dermatologie gut anwendbar. Auch bei den Patientinnen und Patienten findet es eine hohe Akzeptanz, da die Zusatzleistungen in den seltensten Fällen im Rahmen einer Erstordination zur Anwendung kommen und so eine Kostenaufklärung direkt in der Ordination erfolgen kann.
Was erwartet Sie im nächsten Teil der Serie?
Im nächsten Beitrag werden wir uns mit der Honorarhöhe und dem Kostenersatz beschäftigen.
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