14. Juni 2023Psychologische Booster Teil 3

Stress- und Burn-out-Prävention

Die schlechte Nachricht: Stress ist in keiner Ordination zu vermeiden. Die gute Nachricht: Mit kluger Planung und Selbstmanagement können Stress-Spitzen so weit abgefedert werden, dass die eigene Zufriedenheit und zugleich die Qualität der ärztlichen Tätigkeit gesichert bleiben.

Christina Lechner Psychologische Booster TSP Praxisgründung
Abbildung: Maria Stavreva/GettyImages

Gutes Zeitmanagement ist der erste Schlüssel zu Stress-Prävention. Es beginnt bereits damit, schon in der Phase der Praxisgründung organisatorische Details wie die Telefon-Administration genau zu planen bzw. zu delegieren. Es sollte nur in absoluten Notfällen passieren, dass Sie während eines Patient:innengesprächs einen Anruf annehmen müssen. Unterbrechungen bedeuten fast immer Stress für Sie als Arzt oder Ärztin. Zugleich verunsichert es die Patientinnen und Patienten und führt womöglich dazu, dass sie wichtige Informationen vergessen oder sich bei Fortsetzen des Gespräches nicht mehr trauen, sie vorzubringen, weil „Herr/Frau Doktor doch viel schlimmere Fälle hat“.

Genauso sollten Sie Ihren Ordinationszeiten einen Rahmen geben: Gewöhnen Sie sich an, rechtzeitig vor Beginn der Sprechstunde in der Ordination sein, schon um sich auf die Patientinnen und Patienten des Tages einzustimmen oder auch Zeit für ein ruhiges Gespräch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu haben. Sie gehen garantiert viel entspannter in den ersten Termin. Planen Sie ebenso am Ende des Ordinationstages genügend Zeit für die Nachbearbeitung und Dokumentation ein, ohne gleich weiterzuhetzen. Allein der Gedanke an die Zeitknappheit wird vermutlich schon ein leichtes Magendrücken verursachen.

Achten Sie zudem auf Einhaltung der terminisierten Gesprächszeiten. Überziehen bei zu spät kommenden Patientinnen und Patienten ist zwar nett gemeint, bedeutet aber eine Kette von Verzögerungen und damit Stress bei allen nachfolgenden Terminen. Einer der größten Fehler in der Terminplanung ist es, aus ökonomischen Gründen zu viele Patientinnen und Patienten in zu kurzer Zeit einzubestellen bzw. anzunehmen.

Belastungen über alle Fächer gleich verteilt

Denken Sie jetzt vielleicht: „Ja, aber in meinem Fach geht das gar nicht anders.“ Vorsicht! Nicht nur IHR Fach ist besonders stressbehaftet: Während der Psychiater womöglich mehrere suizidgefährdete Patientinnen und Patienten hintereinander zu behandeln hat, die Allgemeinmedizinerin Patientinnen und Patienten nach Krebsdiagnosen betreuen soll, ist die Gynäkologin womöglich mit Beziehungsproblemen ihrer Patientinnen konfrontiert. Probleme und damit die persönlichen Herausforderungen sind über alle Fächer gerecht verteilt!

Scheuen Sie sich auch nicht davor, in einer Supervision oder einer Psychotherapie die eigenen Belastungen aufzuarbeiten. Hier entwickeln Sie Strategien, um die eigenen Grenzen anzuerkennen und öfter Nein zu sagen. Spätestens dann, wenn Sie erwägen, die Folgen von Stress durch Selbstmedikation zu mildern, oder sich mit antriebssteigernden Substanzen für den Tag fit machen wollen, sollten Sie Fachleute mit entsprechender Qualifikation aufsuchen. Ein Antidepressivum kann bei depressiven Symptomen infolge von Überlastungen indiziert sein, wenn es die momentane Lebenssituation erfordert. Den selbst auferlegten Leistungsdruck kann es allerdings nicht auflösen; hier leisten eine Psychotherapie oder klinisch-psychologischen Beratung gute Unterstützung.

Warnsignale eines Burn-outs

Die Anzeichen eines Burn-outs kennen Sie vermutlich aus dem Medizinstudium und Sie sollten sie keinesfalls verdrängen: Haben Sie in einem Patient:innengespräch schon einmal für sich selbst zynische Bemerkungen formuliert? Denken Sie nach dem Aufwachen öfter daran, wie Sie den Tag bewältigen sollen? Dann stehen die Alarmzeichen bereits auf Rot und es ist wirklich höchste Zeit, einen Kollegen oder eine Kollegin zu konsultieren. Abgesehen davon: Alle Maßnahmen, die Sie Ihren Patientinnen und Patienten im Hinblick auf einen gesunden Lebensstil empfehlen wie ausreichend Schlaf, Bewegung oder ausgewogene Ernährung sind erwiesenermaßen wirksam, um Stress zu reduzieren.

Selbstregulation und Entspannung

Unser Zentralnervensystem ist nicht darauf ausgerichtet, mehrere Stunden lang ununterbrochen Leistungen in höchster Konzentration und/oder mit emotionaler Anspannung zu erbringen. Auf Phasen der Höchstleistung sollten Phasen der relativen Entspannung folgen. Unterschätzen Sie dabei nicht die gute Wirksamkeit von Entspannungsverfahren. Ganz gleich ob Progressive Muskelrelaxation (PMR nach Jacobson), Autogenes Training, Atementspannung oder fernöstliche meditative Techniken: Wer sich die Zeit nimmt, eine dieser Techniken zu erlernen, kann sie täglich anwenden. Sie gehen damit schon um vieles gelassener an die Aufgaben des Tages heran und schützen zugleich den Organismus vor Stressfolgen. Eine Biofeedback-Messung demonstriert eindeutig, wie etwa schon die gedankliche Vorstellung eines „Ruheortes“ den Hautleitwert senkt und die Synchronisation von Atmung und Puls begünstigt.

Unser Gastautor Univ.-Prof. DDr. Peter Fischer ist Allgemeinmediziner, Psychiater, Neurologe, Geriater sowie medizinischer Psychotherapeut in niedergelassener Praxis. Als Abteilungsvorstand der Klinik Donaustadt leitete er lange Jahre die dortige Abteilung für Psychiatrie und forschte im Bereich Demenzerkrankungen.

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Privat

Univ.-Prof. DDr. Peter Fischer