18. März 2022Die praktische Frage

Sexuelle Belästigung in der Ordination

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin für das eigene Team ist weitreichend – manchmal geht sie weiter, als man denkt. Unerwünschte Flirtversuche, anzügliche Sprüche, ungewollte Berührungen sind heute häufige Vorfälle im Arbeitsalltag – leider: Im Gesundheits- und Sozialwesen im Generellen und in Ordinationen im Speziellen sind derartige Übergriffe keine Seltenheit.

Frau hob ihre Hand, um davon abzubringen, Kampagne stoppt Gewalt gegen Frauen. Asiatische frau hob ihre hand, um mit kopierraum, schwarz-weißer farbe, davon abzubringen
iStock/asiandelight

Eine deutsche Studie der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) mit 901 Befragten zeigte: 67 Prozent der Interviewten gaben an, verbale sexuelle Belästigung und Gewalt durch von ihnen gepflegte oder betreute Personen erlebt zu haben. Dabei wurden „sexuelle Komplimente, Date-Anfragen oder anzügliche Bemerkungen“ aufgezählt. 49 Prozent sprachen außerdem von körperlicher Belästigung oder Gewalt. Das umfasste unter anderem Umarmungen, Berührungen oder Küsse.

Ordinationsinhaber:innen müssen sich vergegenwärtigen: ArbeitgeberInnen haben gegenüber ihrem Team eine Fürsorgepflicht. Wenn zum Beispiel ein Patient zwei- oder dreimal versucht, die junge Rezeptionistin zu einem Date zu laden, müssen Vorgesetzte auf Aufforderung handeln. Fälle der sexuellen Belästigung werden nach dem Gleichbehandlungsgesetz behandelt. Grundsätzlich wird zwischen drei Erscheinungsformen unterschieden: verbale und nonverbale Belästigung sowie körperliche Übergriffe. Weiß der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin von Fällen sexueller Belästigung in der Ordination, muss er oder sie dagegen vorgehen. Wird das verabsäumt, können betroffene Arbeitnehmer:innen auch von ihren Arbeitgeber:innen Schadenersatz von mindestens 1.000 Euro einfordern.

Wichtig in dem Zusammenhang ist die Tatsache, dass eine sexuelle Belästigung jede Handlung darstellt, die von dem oder der Betroffenen als solche wahrgenommen wird. Die Eigeneinschätzung des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin spielt dabei keine Rolle. In der Realität bedeutet dies: Die Haltung „Es war ja nicht so gemeint“ hat ausgedient.

Weitere Informationen: www.gleichbehandlungsanwaltschaft.gv.at

Mag. Iris Kraft-Kinz
MEDplan, 1120 Wien
Tel. 01/817 53 50-260
www.medplan.at

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune