17. Nov. 2021Die praktische Frage

Patientin stürzt vor Ordination: Warum sich der Arzt darum kümmern muss

Juristische Fragen werden von mir in der Regel nicht aufgegriffen. Gerne bleibe ich bei meinem Leisten der Steuer- und Ärzteberatung. Ich möchte diesmal eine Ausnahme machen, um wieder einmal zu unterstreichen, wie weit der Verantwortungsbereich eines/r Ordinationsinhabers oder -inhaberin reicht.

Achtung nasser Boden Schild an einer Treppe
iStock/FooTToo

Der Anlassfall ist so unglücklich wie tragisch: Eine Patientin stürzt vor der Praxistür eines Augenarztes. Sie wollte die Ordination aufsuchen und kommt beim Betreten zu Fall. Der sonst ebene Zugang zur Praxis war durch eine optisch nicht hervorgehobene Stufe unterbrochen – nicht günstig, wenn es sich um ein Gebäude handelt, das von Menschen mit Augenproblemen aufgesucht wird. Die Patientin klagte den Arzt und den Hauseigentümer auf Schadensersatz.

Der Streitfall ging bis vor den Obersten Gerichtshof. Und dieser entschied, dass der Facharzt aufgrund des bestehenden Behandlungsvertrages eine damit verbundene spezielle Schutz- und Sorgfaltspflichte habe. Dazu gehöre auch die Pflicht, für einen gefahrlosen Zu- und Abgang zur Ordination zu sorgen, zumal diese bestehende Gefahr – unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt – für ihn auch voraussehbar war.

Eine einzelne Stufe, die sich optisch nicht abhebt und sich zudem an einer nicht gut ausgeleuchteten Stelle befindet, ist für hausfremde Personen nicht leicht zu erkennen. Der oberste Gerichtshof geht davon aus, dass eine solche Gefahrenquelle für den praktizierenden Arzt erkennbar und mit einfachen Abwehrmaßnahmen (farbliche Bodenmarkierung, …) zu beseitigen gewesen sei.

Das Gericht betont dabei, dass die geforderte Sorgfalt nicht überspannt werden dürfe. Aber in einem derartigen Fall sei es für den Arzt ein Leichtes gewesen, die Stufe als Gefahrenquelle für seine Patienten zu erkennen und davor zu warnen. Er hat dennoch nichts unternommen. Daher wurde der Klage stattgegeben.

Mag. Iris Kraft-Kinz
MEDplan, 1120 Wien
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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune