31. Jän. 2024Geförderte Kassenstellen

ÖÄK: Viele offene Fragen zu den offenen Kassenstellen

Die Österreichische Ärztekammer kritisiert, dass die bloße Schaffung neuer Kassenstellen nicht ausreiche, um mehr Ärztinnen und Ärzte ins Kassensystem zu holen.

Fotografie von Miniaturmenschen und Spielzeugfiguren. Ein Männerarzt oder eine Krankenschwester t
miniartkur/AdobeStock

Während derzeit nach Auskunft der Österreichischen Ärztekammer rund 400 Kassenstellen unbesetzt sind, verspricht Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer nun die Ausschreibung von 100 weiteren Stellen. Bereits im vergangenen Jahr wurden 100 zusätzliche Kassenstellen von der Regierung beschlossen, die mit bis zu 100.000 Euro Startbonus vom Bund gefördert werden sollen. Vonseiten der Österreichischen Gesundheitskassa (ÖGK) gab es bereits die Information, dass sich weit mehr als 100 Interessenten für diese Stellen gemeldet hätten.

„Man muss zwischen Interessent und Bewerber unterschieden!“

Grundsätzlich begrüße auch die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) die Bemühungen vonseiten der Politik. Doch in der Anzahl der Interessierten sieht Dr. Edgar Wutscher, Vizepräsident der ÖÄK und Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte, auch einen ersten Knackpunkt: „Man muss zwischen Interessent und Bewerber unterscheiden! Nur weil es Interessierte gibt, heißt das noch nicht, dass sich jemand beworben hat. Und man muss auch mal hinterfragen, wer denn Interesse gezeigt hat: Das waren auch Studierende und Zahnärztinnen und -ärzte.“ Es könne auch noch keine Bewerber geben, weil inhaltlich noch vieles offen sei. Wutscher betont im Zuge dessen auch einmal mehr, dass das Problem nicht an zu wenigen Kassenstellen liege. „Das Problem liegt darin, dass die Voraussetzungen geschaffen werden müssen, unter denen sich Kolleginnen und Kollegen niederlassen wollen. Die bloße Schaffung von Stellen bringt keine Verbesserung in der Versorgung“, so Wutscher.

Weiters sei offen, nach welchen Kriterien der Startbonus vergeben werde und wie die langfristige Finanzierung dieser Ordinationen erfolge. „Wer übernimmt denn die Kosten für den Regelbetrieb? Die ÖGK klagt doch jetzt schon über zu hohe Kosten“, gibt Wutscher zu bedenken. Auch die Fragen, nach welchen Reihungskriterien die 100 neuen Stellen vergeben werden und ob man sich wie bisher für mehrere Stellen bewerben kann, seien u.a. noch zu klären.

„Bevor diese Fragen geklärt sind, können wir als Vertretung der Ärztinnen und Ärzte nicht sagen, ‚ja, das ist was Gutes‘“, kritisiert Wutscher. Als positives Beispiel für einen Schritt, Kassenstellen attraktiver zu machen, nennt der ÖÄK-Vizepräsident den jüngsten Abschluss mit der Sozialversicherung der Selbständigen (SVS). Neben einer Honorarerhöhung über viele Leistungen wurden auch zusätzliche Leistungen aufgenommen und die Vorsorgenmedizin wird ausgebaut. „Ich bin überzeugt davon, dass ein einheitlicher Katalog besser heute als morgen für ganz Österreich geschaffen werden sollte. Wir sind jederzeit bereit, mit der ÖÄK die Verhandlungen über einen solchen zu beginnen“, betont Wutscher.

Altersgrenze in Zeiten der offenen Stellen noch sinnvoll?

Wie viel Sinn die Altersgrenze für Kassenärztinnen und -ärzte in Zeiten der vielen unbesetzten Kassenstellen mache, hinterfragt Prof. Dr. Dietmar Bayer, stv. Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte. „Die im System befindliche Expertise muss gehalten werden! Wenn die Babyboomer-Generation jetzt ausscheidet, gibt es einen noch größeren Versorgungsmangel!“, warnt der Psychiater. Nach Vorstellung der ÖÄK sollten Ärztinnen und Ärzte ihre Stellen freiwillig weiterhin behalten können, sofern es keine Bewerbungen dafür gibt. „Sobald es eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger gibt, soll diese bzw. dieser die Stelle bekommen. Aber warum sollte man es ablehnen, wenn sich jemand freiwillig bereit erklärt, noch weiterzuarbeiten und mitzuhelfen, z.B. auch in einer Gruppenpraxis gemeinsam mit jüngeren Kolleginnen und Kollegen, die man mit dem langjährigen Erfahrungsschatz unterschützt?“

Doch nicht nur eine vorübergehende Aufhebung der Altersgrenze, sondern neben der Schaffung eines einheitlichen Leistungskatalogs seien auch die Abschaffung von Limitierungen und Degressionen unbedingt notwendig: „Gehen Sie mal einkaufen und zahlen Sie das Packerl Milch an der Kasse nicht mit der Begründung, dass 100 Leute vor Ihnen das eh schon gemacht haben und deshalb wollen Sie als 101. das nun gratis haben“, bringt Bayer ein plakatives Beispiel für die „Deckelung“ der Leistungen in Ordinationen. Das sei einer der Gründe, warum Ärztinnen und Ärzte lieber Wahlarztordinationen eröffnen, in denen ihre Leistungen auch bezahlt werden. Dass der Gesundheitsminister die Anzahl der Wahlärztinnen und -ärzte reduzieren will, gleichzeitig aber vorschlägt, dass Kassenärztinnen und -ärzte ab 70 als Wahlärztinnen und -ärzte weiterarbeiten können, kritisiert Bayer genauso wie die Verpflichtungen, mit denen Wahlärztinnen und -ärzte ins Kassensystem gedrängt werden sollen.

Er zeigt sich auch verärgert darüber, dass es Akteure gebe, die sich mit der Entmachtung der Ärztekammer rühmen „Ohne uns geht es aber nicht. Man muss mit uns Ärztinnen und Ärzten reden!“, so Bayer.

Die Forderungen der Österreichischen Ärztekammer auf einen Blick:

  • Keine Parallelstruktur von geförderten und nicht geförderten Kassenstellen. Der Startbonus müsse für alle offenen Stellen gelten und es brauche klare Umsetzungsrichtlinien.
  • Umsetzung des einheitlichen, modernen Leistungskatalogs ohne Limitierungen und Degressionen. Arbeit müsse honoriert und nicht bestraft werden.
  • Abschaffung der Altersgrenze für Kassenstellen unter bestimmten Umständen, bis es wieder ausreichend Bewerberinnen und Bewerber für die zukünftigen und bereits bestehenden offenen Stellen gibt.
  • Keine Verpflichtung von Wahlärzten, sondern Förderung der Kassenmedizin. Nur über eine Attraktivierung der Kassenmedizin sei es möglich, Wahlärztinnen und -ärzte, die grundsätzlich auch daran interessiert sind, für das öffentliche System zu arbeiten, ins Kassensystem zu holen.
  • Klare Regelung bei Auslaufen von Förderungen in der Primärversorgung. Diese finde nicht nur in Primärversorgungseinheiten (PVE) und -netzwerken statt, sondern auch in Einzelpraxen. Es sei nicht möglich, in jedem Tal ein PVE zu eröffnen, sondern man brauche dort auch die sogenannten „Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer“, die auch gefördert werden müssen.

Pressekonferenz der Österreichischen Ärztekammer, Wien, 31.1.2024