ÖGK-Leistungen auf dem Prüfstand: Was bleibt, was wird gestrichen?
Nicht nur die Bundesregierung, auch die ÖGK muss den Gürtel enger schnallen und hat ein Sparpaket angekündigt. Die ersten konkreten Maßnahmen treten ab Juli in Kraft, weitere liegen noch am Verhandlungstisch. Dr. Andreas Krauter, Leiter medizinischer Dienst der ÖGK, über den notwendigen Umbau und ein Umdenken.

Die Österreichische Gesundheitskasse hat einen Sparbedarf. Wie sehen die Pläne konkret aus?
Krauter: Die Herausforderungen sind unbestritten. Wir haben sinkende Beitragseinnahmen und gleichzeitig eine Rekordnachfrage nach medizinischen Leistungen. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist, wie wir unser Gesundheitssystem konsolidieren, dass die Organisation weiterhin funktioniert und die Gesundheitsversorgung gesichert ist.
Intern als ÖGK haben wir – gemessen an den Versicherungsbeiträgen – nur zwei Prozent Verwaltungskosten. Durch Nicht-Nachbesetzen von Stellen, etwa nach Pensionsabgängen, aber auch Reduktion von Dienstreisen bis zur Vermeidung von Überstunden können wir heuer 2,5 Millionen Euro einsparen, bis 2030 sogar 30 Millionen.
Der zweite, größere Bereich sind Maßnahmen, die die Leistungsseite betreffen. Wichtig ist uns, dass wir notwendige Leistungen bezahlen können, aber nicht notwendige reduzieren. Deshalb auch der Selbstbehalt bei nicht notwendigen Krankentransporten und der Selbstbehalt bei orthopädischen Maßschuhen.
Außerdem wird derzeit mit den Vertragspartnern darüber beraten, ob eine generelle Bestimmung des Vitamin-D-Werts ohne medizinische Indikation weiterhin Teil des Leistungsangebots bleiben soll.
Was soll bzw. könnte sich für onkologische Patienten verändern?
Krauter: Es wird keine Einschränkungen für onkologische Patienten geben. Auch Krankentransporte werden für onkologische Patienten nach wie vor kostenlos sein. Wir möchten die Versorgung von Patienten gewährleisten, daher müssen wir Strukturen überprüfen.
Im Raum steht eine Bewilligungspflicht für MR- und CT-Untersuchungen. Was bedeutet das konkret für Patienten, die einen Tumorverdacht abklären müssen?
Krauter: Es gibt immer wieder Nachrichten von Wartelisten, speziell bei MR- und CT-Untersuchungen. Gleichzeitig liegt Österreich im europäischen Spitzenfeld bei diesen Untersuchungen, ohne dass wir statistisch gesehen gesünder sind. Hier müssen wir richtig steuern, damit wir Platz machen für die wirklich notwendigen Fälle, wie etwa bei Tumorverdacht. Das geht nur gemeinsam mit der Ärzteschaft. Ziel ist, Doppeluntersuchungen und Überdiagnosen zu vermeiden durch eine bewusste Zuweisung.

Dr. Andreas Krauter, MBA, Leiter Fachbereich Medizinischer Dienst.
Aber müssten dafür nicht auch die Daten besser miteinander verknüpft werden?
Krauter: Wir müssen wegkommen, dass wir Datensilos verwalten. Das ist zu diskutieren, und natürlich ist es auch in unserem Bereich herausfordernd, Systeme miteinander zu verknüpfen. Aber Ziel sollte sein, dass alle Daten eines Patienten vom Krankenhaus über die ÖGK bis zum niedergelassenen Arzt abgerufen werden können.
Ein Beitrag, das Gesundheitssystem zu entlasten, sind Vorsorgeuntersuchungen bzw. im onkologischen Bereich Screening-Programme. Wie kann man die Österreicher stärker dazu motivieren?
Krauter: Ein wichtiges Thema ist, Bewusstsein zu schaffen. Die Menschen brauchen keine Angst vor einer Vorsorgeuntersuchung zu haben. Es geht vielmehr um Klarheit und dass wir viel Leid verhindern, weil man rechtzeitig eine Therapie starten kann.
Beim Brustkrebsfrüherkennungsprogramm sind wir schon sehr gut, in anderen Bereichen müssen wir aufrüsten. Für Prostata und Dickdarm ist etwa gerade ein Screening-Programm in Vorbereitung.
Die Ärztekammer war vor allem anfangs nicht gerade begeistert von den Plänen der ÖGK. Wie sieht aktuell der Status aus?
Krauter: Es gab schon Gespräche, und man muss sagen, dass wir mit der Ärztekammer immer laufend im Gespräch sind. Ausgemacht ist schon die Bildung von Arbeitsgruppen, wo wir gemeinsam an Reformen arbeiten. Es ist ein Fakt, dass unser Gesundheitswesen unterfinanziert ist. Da muss man nachdenken, wo ein gesellschaftlicher und medizinischer Konsens ist. Das schaffen wir nur gemeinsam.
Eine der großen Umwälzungen der letzten Zeit ist die Errichtung von Primärversorgungseinheiten. Wie zufrieden sind Sie mit den bereits eröffneten Zentren?
Krauter: Wir sind sehr zufrieden, weil die Bevölkerung in den Primärversorgungseinheiten ein anderes Angebot und eine Erreichbarkeit von bis zu 60 Stunden pro Woche bekommt. Bisher haben wir schon 97 PVE eröffnet, davon 13 Kinder-PVE. Heuer soll das 100. Zentrum eröffnet werden. Das wollen wir natürlich weiter ausbauen, in Abstimmung mit den Stakeholdern.
Bringen die PVE die gewünschte Entlastung der Spitäler?
Krauter: Wir sehen, dass diese Zentren angenommen und als attraktiv wahrgenommen werden. Das ist wichtig. Immer mehr Kliniken ziehen sich aus dem Akutbetrieb zurück, bei den stationären Betten verzeichnen wir einen Rückgang um 17 Prozent. Die Primärversorgungszentren sind hier eine wichtige Anlaufstelle. Eine weitere Ebene ist die gezielte Steuerung von Patientenströmen, hier möchten wir die Gesundheitshotline 1450 noch stärker etablieren.
Es gibt in den Spitälern viele Bestrebungen, Patienten möglichst rasch nach Hause zu entlassen und via Apps und Telemedizin zu betreuen. Wie sehen Sie als ÖGK Entwicklungen?
Krauter: Wir finden diese Projekte sehr wichtig. Als Gesundheitskasse setzen wir sehr stark auf neue Technologien und haben mit Teledermatologie bei Vorsorgeuntersuchungen schon gute Erfahrungen gemacht.
Eine Hoffnung sind etwa auch Wearables, die Gesundheitsdaten aufzeichnen. Aber es gibt noch ein großes Misstrauen gegenüber KI-Anwendungen. Wir müssen hier sehr klar erklären, warum wir was machen und welchen Zweck wir verfolgen.
Was wir brauchen, ist ein einheitlicher Standard, an den alle Spitäler und alle KI-Projekte andocken können. Der Vorteil ist, dass auf individueller Ebene bei Abweichungen ein Alarm ausgelöst, wir aber auch die anonymisierten Daten auswerten und so etwa Risikogruppen oder Risikofaktoren besser erkennen können.
Was ist die große Vision, das Ziel der ÖGK in den nächsten Jahren?
Krauter: Als Gesellschaft ist unser Ziel, die Anzahl der gesunden Lebensjahre zu erhöhen. Aktuell enden die gesunden Lebensjahre im Durchschnitt bei 63 bis 65 Jahren, die Lebenserwartung liegt aber in Österreich für Männer bei 79,3 Jahren, für Frauen bei 84. Die gesunden Lebensjahre zu erhöhen, durch einen gesunden Lebensstil, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen und ein gutes Gesundheitssystem ist ein Anliegen, das wir wohl alle gemeinsam haben. Für uns als ÖGK heißt das, dass wir eine Verantwortung haben, die Mittel richtig einzusetzen und mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen verantwortungsbewusst umzugehen. Ziel ist ein ausgeglichenes Budget mit einer schwarzen Null. Schließlich haben wir eine Verantwortung den Zahlenden gegenüber.
Vielen Dank für das Gespräch.