Übergewicht an der Schule ausbremsen

Mehr Muskelmasse, bessere Motorik, weniger Körperfett lautet das Fazit eines Wiener Projekts. (Medical Tribune 37/2017)

„Die Behandlung von Übergewicht ist äußerst schwierig und sehr wenig erfolgreich“, bedauert Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm, Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin (ÖAIE). „Übergewichtige Jugendliche entwickeln z.B. wesentlich schneller einen Diabetes als ein Erwachsener, und Jugendliche mit hochgradigem Übergewicht bekommen Herz-Kreislauf-Probleme, Hochdruck, haben Skelettprobleme, Knieschmerzen, können nicht mehr mitturnen.“ Nicht zu vergessen seien die psychischen Probleme bis hin zur Depression. Adipöse Jugendliche neigen dazu, sich zu isolieren.

Widhalm hat daher ein Interventionspaket unter dem Titel „EDDY-­Young“ an zwei Wiener Schulen getestet und neulich Zwischenergebnisse in Wien in den Räumlichkeiten der Österreichischen Ärztekammer präsentiert. Insgesamt nahmen 160 Schüler im Alter zwischen acht und zehn Jahren an dem Projekt teil, davon 88 in der Kontrollgruppe und 72 in der Interventionsgruppe. Die Interventionsgruppe erhielt acht Unterrichtsstunden zum Thema Ernährung und 16 Bewegungseinheiten pro Semester und das zwei Semester lang. Zusätzlich konnten die Kinder mithilfe einer App das erlernte Wissen spielerisch vertiefen. Am Handy sollten sie ein Wesen namens „Cally“ täglich füttern und im Laufe der Zeit die Auswirkungen der gewählten Ernährung beobachten. Nach einer ungesunden Diät wurde der digitale Schützling beispielsweise energielos und dicker. Die App enthielt auch Quizfragen und Ähnliches.

Nach sechs Monaten zeigte sich im Gegensatz zur Kontrollgruppe, die keine Intervention erhielt, eine signifikante Verbesserung der sportmotorischen Leistungen. Das Ernährungswissen und -verhalten verbesserte sich. Die Muskelmasse stieg an, dafür konnte der Anstieg der Fettmasse gebremst werden. „Prävention in diesem Bereich ist nicht nur möglich, sondern auch dringend notwendig“, ist Ärztekammer-Präsident Prof. Dr. Thomas Szekeres überzeugt. Doch nach wie vor gebe Österreich zu wenig Geld für Prävention aus, „es ist wesentlich weniger als der Durchschnitt der EU-Länder“. Gesundheitserziehung könnte zwar von Schul­ärzten geleistet werden, doch der Haken daran ist: Die Schulen sind nicht einem Ministerium zugeordnet und die Zuständigkeiten seien unklar, so Widhalm. Die Schulärzte „wissen nicht genau, was sie dürfen, was sie nicht dürfen und was sie tun sollen“.

Lieber ein gebrochener Arm als eine Fettleber

„Zu einem gesunden Lebensstil zählt neben einer gesunde Ernährung eben auch ausreichend Bewegung“, fasst Szekeres zusammen. Doch um Schulkindern mehr Bewegung ermöglichen zu können, fehle der politische Wille. Teilweise mangelt es auch an der Infrastruktur, gibt Widhalm zu bedenken, es gebe nicht genügend geeignete Räumlichkeiten und qualifizierte Sportlehrer. Außerdem hätten manche Lehrer Angst, dass Schüler sich unter ihrer Obhut verletzen, doch „ein gebrochener Arm ist leichter zu behandeln als eine Fettleber“, meint Widhalm.

Website des Projekts: www.eddykids.at

PH/Red

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune