Brüssel fordert Reformen ein

Die Freude über eine positive US-Studie währte nicht lange. Die EU erteilte Österreich einen Rüffel, und über die Primärversorgung wird sowieso wieder gestritten. (Medical Tribune 22/2017)

Grafik: Archiv

Dass die University of Washington die österreichische Gesundheitsversorgung auf Platz 14 reiht, freute nicht nur Alexander Biach, den Vorstandsvorsitzenden des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger. „Damit gehört Österreich weltweit zu den Ländern, die den Zugang zur Gesundheitsversorgung und deren Qualität deutlich verbessert hat“, sagte der vor Kurzem erst ins Amt gewählte Manager. Das Ranking der University of Wa­sh­ington (siehe Kasten) gibt es seit dem Jahr 1990 und Österreich hat sich seither immer verbessert. Balsam auf die Wunden jener, die in Anbetracht ständig neuer kritischer Studien und Rechnungshofberichte kaum noch schlafen können.

Doch schon wenige Tage später kam bereits die nächste Keule. Die EU-Kommission hat Österreich zu Reformen aufgefordert. Durch Pensionsreformen, Arbeitsmarkt-, Bildungs- und eben auch Gesundheitspolitik müsse auf die Herausforderungen einer immer älter werdenden Bevölkerung reagiert werden. Es sei ebenso wichtig, ältere Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, damit die sozialen Sicherungssysteme nachhaltig und ausgeglichen blieben. Auch sei dafür zu sorgen, dass ältere Menschen länger aktiv und gesund blieben. In einigen EU-Mitgliedsstaaten, darunter Österreich, sei das Gesundheitssystem etwa durch Unterfinanzierung, durch ineffiziente Verteilung der Ressourcen, einen zu starken Fokus auf Krankenhäuser und Personalengpässe unter Druck.

Kritik an PV-Gesetz

Große Stücke halten viele auf die geplante Primärversorgung, die einige Probleme lösen soll. Doch hier häuften sich zuletzt auch wieder kritische Stimmen. Die Ärztekammer, die in Anbetracht des entsprechenden Gesetzesentwurfs zunächst von wesentlichen Verbesserungen gesprochen hatte, hat sich im Zuge der zu Ende gegangenen Begutachtung laut einem Bericht der APA wie folgt geäußert: Der Entwurf sei vom Ziel bestimmt, „eine schiefe Ebene zwischen Sozialversicherung und Ärztekammern herzustellen“ und „absolut entbehrlich“.

Kritik kam auch von den nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen. Sie fühlen sich im Entwurf „grob vernachlässigt und erfahren sogar eine Schlechterstellung“, schreiben der Dachverband der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD), der Gesundheits- und Krankenpflegeverband sowie der Bundesverband für Psychotherapie. Sie beklagen, dass der Primärversorgungsgesamtvertrag nur die ärztliche Hilfe, nicht aber ihre Leistungen umfasst. Die Apothekerkammer wiederum beklagt, dass Apotheken nicht in die Strukturen der Primärversorgung eingebunden würden. Ohne Schließung dieser „gravierende Lücke“ bliebe jedes System der Primärversorgung „nur Stückwerk“.

Ministerin gesprächsbereit

Als Reaktion kündigte Gesundheitsministerin Dr. Pamela Rendi-Wagner nach den negativen Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren neue Gespräche über den Gesetzesentwurf für die medizinische Primärversorgung an. Trotz des Auseinanderbrechens der Koalition ist es nach wie vor Rendi-Wagners Ziel, das Gesetz noch vor der Wahl zu beschließen. Der Entwurf sei auch mit der ÖVP abgestimmt und eine „ganz wichtige, notwendige Weichenstellung“.

Healthcare Access and Quality Index: Der HAQ-Index reicht von 0 (sehr schlecht) bis 100 (sehr gut)

Die Bestbewerteten:
Andorra (95)
Island (94)
Schweiz (92)
Schweden, Norwegen, Australien, Finnland, Spanien, Niederlande (90)
Luxemburg, Japan, Italien (89)
Irland, Österreich, Frankreich, Belgien und Kanada (88)

Die Schlechtestbewerteten:
DR Kongo (39)
Guinea 39)
Haiti, Eritrea, Tschad (38)
Guinea-Bissau (36)
Somalia (34)
Afghanistan (32)
Zentralafrika (29)

Quelle: The Lancet, published online May 18, 2017, DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(17)30818-8

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune