20. März 2017

Primärversorger im Blickpunkt

FOTO: ISTOCKPHOTO.COMWas unterscheidet gute PHCs von schlechten? MT sprach mit Ärztekammer-Referent Dr. Wolfgang Mückstein und dem Allgemeinmediziner Dr. Gustav Mittelbach, der ein Ambulatorium errichten möchte. (Medical Tribune 11/2017)

„PHC ist für viele generell ein Reizwort. Doch aus standespolitischer Sicht gibt es gute und schlechte PHCs“, wirbt Dr. Wolfgang Mückstein für eine differenzierte Betrachtung. Er ist Referent für Gruppenpraxen und neue Niederlassungsformen bei der Wiener Ärztekammer und einer der Partner im Primärversorgungszentrum Medizin Maria­hilf, das sich aus einer großen Gruppenpraxis heraus entwickelt hat.

Warum das PHC Medizin Mariahilf zu den guten zähle? „Wir sind nur Ärzte als Partner, wir sind im Rahmen eines Gesamtvertrags mit der Ärztekammer und integrativ in den Stellenplan konzipiert worden“, erklärt Mückstein. Der Unterschied zwischen einer Gruppenpraxis und dem PHC Medizin Mariahilf sind klar definierte Mehrleistungen, für die das PHC derzeit eine pauschale jährliche Abgeltung von 210.000 Euro erhält. Dazu zählen etwa längere Öffnungszeiten, die Einbindung anderer Gesundheitsberufe (zurzeit zwei Di­plomkrankenpfleger, eine Psychotherapeutin und eine Diätologin) oder die Teilnahme an Dis­ease-Management-Programmen.

Gesetzesentwurf

Im Gegensatz dazu stehen für Mückstein jene PHCs, die gemäß der 15a-Vereinbarung vom 14. Dezember künftig auch möglich sein werden: Wenn sich im 1. Ausschreibungsschritt über die Ärztekammer niemand finde, könne künftig auch abseits des Stellenplans, wenn auch integrativ, ein Primärversorgungszentrum errichtet werden: „Das geschieht dann außerhalb des Gesamtvertrags, diese Zentren können auch von Nicht-Ärzten geführt werden, und vor allem sind nicht zwingend für alle Zentren gleiche Bedingungen notwendig. Hier fehlen im derzeitigen Gesetzesentwurf klare Auswahlkriterien.

Damit der Errichtung dieser Ambulatorien etwas Wind aus den Segeln genommen wird, hofft Mückstein auf die rasche Umsetzung des „Wiener Modells“, das im Vorjahr zwischen der Stadt Wien, der WGKK und der Ärztekammer verhandelt wurde und das auch Einzelordinationen und kleineren Gruppenpraxen sowie PVZs eine stufenweise Teilnahme an klar definierten Mehrleistungen ermöglichen würde. „Damit wäre geklärt, dass man innerhalb des Gesamtvertrags bleibt und für alle die gleichen Regeln gelten“, so Mückstein.

Dass es in Wien etwa 20 bis 25 Primärversorgungszentren geben wird, gilt als fix: Die genaue Zahl werde voraussichtlich im Sommer 2017 im Zuge der Neuplanung des Regionalen Strukturplans Gesundheit von der Stadt Wien und der Sozialversicherung festgelegt werden, so Mückstein. Das bedeute zwar nicht die Abschaffung von Einzelpraktikern, aber: „Wenn die Ärztekammer nicht bis dahin eine tragbare Vereinbarung abschließt, dann wird bei den Einzelpraktikern alles gleich bleiben und das Geld nur in diese 25 PHCs fließen“, warnt Mückstein.

Andernorts, nämlich in Graz, hoffen einstweilen zwei Allgemeinmediziner auf die baldige Errichtung eines Ambulatoriums: Dr. Gustav Mittelbach und Dr. Rainer Possert haben einen Antrag gestellt, ihr Sozialmedizinisches Zentrum Liebenau in ein Ambulatorium mit dem Namen „Sozialmedizinisches Gesundheitszen­trum Liebenau“ umzuwandeln. Das Bedarfsprüfungsverfahren auf Initiative des Gesundheitsfonds Steiermark läuft noch, und von der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) wird ein Gutachten dazu erstellt.

Was spricht für ein Ambulatorium? „Die Konstruktion wäre einfacher als bisher“, erklärt Mittelbach. Bisher ist das SMZ eine kassenärztliche Gemeinschaftspraxis für Allgemeinmedizin und Psychotherapie. Gleichzeitig betreiben die Ärzte einen Verein, der die anderen Berufsgruppen anstellt und finanzielle Mittel auch von anderen Geldgebern (Stadt, Land, Ministerium) als der Sozialversicherung erhält. Denn das Konzept des SMZ Liebenau geht schon seit Jahren weit über traditionelle Allgemeinmedizin hinaus und beinhaltet Gesundheitsförderungsprojekte, Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit und einen psychosozialen Zugang zu den Patienten, der durch die enge Zusammenarbeit mit Psychotherapeutinnen, Krankenpflegerinnen, Musiktherapeutinnen und Sozialarbeiterinnen ermöglicht wird. „Unser Schwerpunkt liegt wirklich auf integrativer Arbeit – dass zum Beispiel die Sozialarbeiterin bei einem Erstgespräch mit einem Suchtpatienten gleich mit dabei ist“, erklärt Mittelbach.

Die Argumente der Ärztekammer gegen Ambulatorien klingen für ihn zum Teil nach „Wahlkampfrhetorik“, der Begriff sei ein „Reizwort für die Ärztekammer“. Allerdings will auch Mittelbach keine fremden Investoren als Betreiber von Primärversorgungszentren: „Es sollte festgelegt werden, dass das die Berufsgruppen sein müssen, die tatsächlich vor Ort sind.“

Was die Langzeit-Beziehung zu den Patienten betrifft, so sei sie nicht Einzelpraktikern und Gruppenpraxen vorbehalten, sondern genauso in einem Ambulatorium möglich, betont Mittelbach: „Wir möchten als Ambulatorium weiterarbeiten wie bisher, gleichzeitig aber die Idee an jüngere Leute weitergeben und das könnte mit dieser Form funktionieren.“ Denn Mittelbachs Kollege Possert ist inzwischen als Kassenarzt in Pension gegangen, möchte aber mit einem kleinen Anteil in die künftige GmbH einsteigen. Darüber hinaus gibt es einen Kreis weiterer Interessenten. „Wir suchen junge Leute, die als Teilhaber einsteigen, und Leute, die sich vielleicht auch nur für ein paar Jahre oder für eine bestimmte Zahl von Stunden anstellen lassen möchten“, will Mittelbach auch nicht-sesshafte Ärzte an Bord holen können.

Ärzte bei Ärzten

Die Möglichkeit, Ärzte anzustellen, ist bisher Ambulatorien vorbehalten – in einem PHC wie Medizin Mariahilf geht das nicht. Dass an der Anstellung von Ärzten bei Ärzten jedoch kein Weg vorbeiführt, glaubt auch Ärztekammer-Referent Mückstein: „Wenn es künftig zu einer Konkurrenzsituation kommt zwischen Ambulatorien und niedergelassenen Kassenärzten, die größere Einheiten bilden, dann ist es eine eklatante Ungleichbehandlung, wenn die einen Ärzte anstellen dürfen und die anderen sich nur in begrenztem Ausmaß vertreten lassen dürfen. Ich bin daher klar für die Anstellung von Ärzten bei Ärzten, und wie man hört, wird das auch kommen und Teil des PHC-Gesetzes sein.“

 

 

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune