Retschitzegger: Menschen, nicht Kunden
Anfangs hatte ich jahrelang mit PatientInnen zu tun. Dann betreute ich Menschen, auf die die Bezeichnung PatientInnen – auch semantisch gesehen – wirklich passte. Dies war aber auch ein Ort, wo die betroffenen Menschen oft Gäste genannt werden. Jetzt sind meine PatientInnen BewohnerInnen – diese sind aber auch als „Kundinnen und Kunden“ im Gespräch. Der Begriff PatientIn kommt von leidend, erduldend, aushaltend. Diese seit langer Zeit verwendete Bezeichnung ist vielsagend und wahrscheinlich deshalb mit gutem Grund etabliert. In manchen Settings versuchte man den PatientInnenbegiff zu vermeiden, und es entstanden KlientInnen. Diese Wortbedeutung wiederum leitet sich von Hörigen und Schutzbefohlenen ab. Wollen wir diese Wertung im Begriff wirklich riskieren?
Der Gast ist ein „zum Bleiben aufgeforderter Besucher“. Im positiven Sinn versucht man mancherorts, PatientInnen in Hospizen als Gäste zu bezeichnen – wobei sie von der Wortbedeutung patiens bleiben. Mit BewohnerInnen in Pflegeheimen wird treffend ausgedrückt, dass diese Menschen hier oft sehr viele Jahre leben und wohnen. Aber naturgemäß finden wir gerade in der Geriatrie auch viele Menschen, die in unserer medizinischen Aufmerksamkeit als PatientInnen gesehen werden müssen.Diese ganze Bezeichnungskreativität kann man mit folgendem Buchtitel in Zusammenhang bringen: „Geschäftsmodell Gesundheit: Wie der Markt die Heilkunst abschafft“. Der Autor, Giovanni Maio, Mediziner und Philosoph, ist jemand, der kontinuierlich das Überhandnehmen der Ökonomie gegenüber der Medizin aufzeigt und davor warnt.