EU: Arbeitszeiten der Spitalsärzte zu lang
WIEN – Was durchaus zu erwarten war, ist nun eingetreten: Die EU-Kommission mahnt Österreich, die geltende Richtlinie zur Arbeitszeit im Spitalswesen einzuhalten. Damit bringt sie vor allem die Länder als Spitalsträger unter Druck und Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer unter Zugzwang. Für die Länder verschärft sich damit der bereits herrschende Ärztemangel.
Die EU-Richtlinie 2003/88/EG über „bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung“ gilt seit 2003 und verpflichtet die Mitgliedsstaaten u.a. dazu, Maßnahmen zu treffen, dass die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Für viele Spitalsärzte in Österreich ist das derzeit noch eine ferne Utopie, arbeiten sie doch je nach Bundesland und geltenden Betriebsvereinbarungen bis zu 72 Stunden in der Woche. Im österreichischen Krankenanstalten-Arbeitsgesetz ist eine maximale Wochenarbeitszeit von 72 Stunden im Durchrechnungszeitraum in Ausnahmefällen durchaus erlaubt. Hier hat der dafür zuständige Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer nun Handlungsbedarf, wenn er nicht ein Vertragsverletzungsverfahren riskieren will.
Dem Ressortchef könnte das durchaus gelegen kommen, hatte er doch schon in der Vergangenheit auf Drängen der Ärztekammer nach einer Begrenzung der Ärztearbeitszeit durchaus Verständnis gezeigt, aber auf die mangelnde Verhandlungsbereitschaft der Länder als Spitalsträger verwiesen. Die können Verhandlungen nun kaum mehr verweigern. Die Ärztekammer sieht sich bestätigt und fordert eine rasche Lösung im Sinne der überlasteten Ärzte und gefährdeten Patienten. Der Bundeskurienobmann der Angestellten Ärzte Dr. Harald Mayer meinte in einer Aussendung: „Der Raubbau an den Spitalsärztinnen und Spitalärzten darf nicht weiter ein tragendes Element für das Funktionieren der österreichischen Krankenhäuser sein.“ Der Wiener Spitalsärztevertreter Dr. Hermann Leitner präzisierte: „Ohne eine deutliche Reduzierung der Dienstlängen ist es unmöglich, die Wochenarbeitszeit zu reduzieren.“
Verschärfter Ärztemangel
Das Drängen der EU verschärft nun eines der brennendsten Probleme des österreichischen Gesundheitswesen: dem Mangel an Ärzten, die in heimischen Spitälern auch arbeiten wollen. Dementsprechend aufgeregt fallen daher die bisher ventilierten Vorschläge für den Weg aus der Misere aus. Besonders betroffen, aber auch exemplarisch für andere Bundesländer zeigt sich Kärnten. Ein Ansatz der Politik der Länder ist es, schlichtweg mehr Ärzte auszubilden. So warnte Kärntens Gesundheitsund Krankenanstaltenreferentin LH-Stv. Dr. Beate Prettner: „Wir werden abrupt mehr Ärztinnen und Ärzte brauchen, wenn wir die EU-Richtlinie betreffend der Arbeitszeit in den Spitälern umsetzen müssen.“ Sie forderte daher um die Hälfte bis ein Drittel mehr Medizinstudienplätze und eine grundlegende Änderung des Aufnahmeverfahrens zum Studium. Zusätzlich müsse man jungen Medizinern „Möglichkeiten und Perspektiven in der Heimat bieten“.
Prompt reagierte die in Opposition befindliche Kärntner FPÖ und kritisierte, dass es ja die SPÖ war, die die Errichtung einer Kärntner Privatuni für Medizin verhindert hätte. Für die Umsetzung der Höchstarbeitszeitgrenze würde der Kärntner Krankenhausbetreiber KABEG bis zu 75 neue Ärztedienstposten benötigen und hätte damit Mehrkosten von vier bis fünf Mio. Euro jährlich, rechnete Dr. Prettner in der „Kleinen Zeitung“ vor, ohne alledings anzugeben, woher das Geld im finanziell ohnehin stark gebeutelten Kärnten kommen soll. Die Kärntner Ärztekammer fühlt sich gestärkt und hofft nun auf eine baldige Regelung und eine Unterbindung der bisher noch üblichen 72-Stunden- Wochen in Kärnten. Der Kärntner Kurienobmann Dr. Ingo Kager meinte in einer Aussendung: „Jeder soll frei entscheiden, wie lange er arbeiten möchte. Die Höchstgrenze soll zwischen 48 und 60 Wochenstunden liegen.“ Ob eine solche Regelung die EU-Richtlinie erfüllen würde, sei allerdings dahingestellt.
Klar ist für die Kärntner Ärztevertreter, dass mit der Arbeitszeitreform auch eine Besoldungsreform anstehe. „Das bisherige System, dass Ärzte ein niedriges Grundgehalt bekommen und nur mit Überstunden ein adäquates Einkommen erhalten, ist nicht aufrechtzuerhalten“, stellte der Kärntner Ärztekammer-Präsident Dr. Josef Huber klar. Auch in Oberösterreich kämpft der Spitalsträger Gespag mit der Nachbesetzung von Stellen. Gespag-Vorstand Karl Lehner formulierte das angesichts der EU-Mahnung gegenüber den „Oberösterreichischen Nachrichten“ mit „Wir können die Ärzte nicht herzaubern“. 120 Ärztestellen seien in den Gespag-Häusern nicht besetzt.
Auch der Salzburger Gesundheitslandesrat Christian Stöckl zeigte sich gegenüber dem ORF besorgt. Er sprach davon, dass es angesichts des Ärztemangels dann auch zur Schließung von Abteilungen kommen könnte. Es bräuchte eine 48-Stunden-Regelung für ganz Österreich – allerdings mit der Flexibilität, im Ausnahmefall dann doch wieder auf 72 Stunden pro Woche zu kommen. Ob diese österreichische Regelung EU-konform wäre, bleibt abzuwarten.
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