„Endlich die Leistungen der Ärzte respektieren und honorieren“
Derzeit laufen auf Einladung von Sozial- und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) Gespräche über die Finanzierung der Corona-bedingten Abgänge bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Auch die zweite Gesprächsrunde am 09.09.2020 brachte noch keine Lösung*. Im Vorfeld gab es eine Aufregung um das „Anschober-Video“ , wonach „viele Ordinationen geschlossen waren oder nur reduzierte Öffnungszeiten hatten“. Warum Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte das „Pingpong-Spiel“ zwischen ÖGK und Regierung satthat und im medonline-Interview auf einer Entschuldigung für die „unrichtigen Aussagen“ des Gesundheitsministers beharrt.
Herr Bundeskurienobmann Dr. Steinhart, laut einer bei der Veranstaltung des Apothekerverbandes in Alpbach präsentierten Blitzumfrage zu Apotheken und Corona (n = 600, von Akonsult) wurden 600 Österreicher auch gefragt, ob ihre Arztordination während des Lockdowns offen bzw. ohne Einschränkungen offen gehabt habe: nur 34 Prozent sagten ja, 66 Prozent nein. Patientenanwälte berichten ebenfalls von Problemen wegen geschlossener Arztordinationen. Wie viele Kassen- und wie viele Wahlarztordinationen hatten nun tatsächlich während des Lockdowns in vollem Umfang geöffnet?
Die objektiven Zahlen der Sozialversicherung belegen, dass 90 Prozent der niedergelassenen Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag den Ordinationsbetrieb offengehalten haben – wenn auch verstärkt auf Telemedizin zurückgreifend, was sich als äußerst effizient und vorausschauend erwiesen hat, blieben uns damit doch katastrophale Versorgungssituationen wie in Italien oder Spanien erspart. Zudem hatten im Kassenbereich auch rund 90 Prozent der Fachärzte die gesamte Zeit geöffnet. Auch viele Wahlarztpraxen waren während des von der Regierung angeordneten Lockdown geöffnet. Jede Ärztin und jeder Arzt, die/der offengehalten hat, hat dies unter höchstem persönlichen Risiko für die eigene Gesundheit getan, weil uns nicht einmal die nötigste Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt wurde. Das ist alles andere als selbstverständlich. Und jede und jeder muss dazu noch das Risiko für seine Angestellten abschätzen. Dazu kommt die extreme wirtschaftliche Belastung, die immer noch nicht vergütet wird, obwohl die Zahlen schon lange auf dem Tisch liegen.
ÖGK-Obmann Andreas Huss sagte im medonline-Interview zu Alpbach zu, dass alle Ärzte, die wirklich die Stellung gehalten haben, sogar bis zu 93 Prozent Ersatz bekommen. Außerdem habe er auch nichts dagegen, dass das 80-prozentige Akonto für die Vertragspartner auch als Dauerleistung gezahlt wird – sofern die Ärztekammer das möchte. Dafür brauche es aber eine Gesetzesänderung. Setzen Sie sich dafür ein und wie ist der Stand der Dinge derzeit beim "Zuständigkeits-Pingpong" zwischen ÖGK und Regierung, wie Sie es genannt haben?
Die 93 Prozent „Ersatz“ kommen dadurch zustande, dass die Deckel gelockert wurden und die Ärztinnen und Ärzte ihre Verluste selbst hereinarbeiten „dürfen“. Akonto-Zahlungen lehnen wir klar ab, sollte es sich um nicht rückzahlbare Gelder handeln, könnte man darüber reden. Darüber hinaus ist es aber wieder genau dieses Pingpong-Spiel, das wir meinen und kritisieren. Niemand fühlt sich für die Anliegen der Ärztinnen und Ärzte zuständig, stattdessen werden wir von den Kassen mit schönen Worten und Versprechungen an die Regierung verwiesen und umgekehrt.
In einem in Ihren Aussendungen zitierten Standard-Interview (27.08.2020), hob Mag. Franz Kiesl von der ÖGK lobend hervor, dass „fast alle Kassenordinationen und Primärversorgungseinrichtungen“ offen hatten, kritisierte aber, dass die Kammern offenbar die Rundschreiben mit den Neuerungen nicht weitergeleitet hätten. Künftig will daher Kiesl diese Infos direkt – ohne Ärztekammer – an die Vertragspartner weiterleiten, dazu bräuchte er aber die Mailadressen. Was halten Sie davon und ist die Kritik berechtigt?
Die Mailadressen dürfen die Ärztekammern laut Telekommunikationsgesetz nicht weitergeben. Schon jetzt wendet sich die ÖGK ohne Information an die Ärztekammern postalisch an die Ärzte.
Was entgegnen Sie kritischen Stimmen, die die Entschuldigungsforderung der ÖÄK an Gesundheitsminister Rudolf Anschober, der in einer Grußbotschaft gesagt hatte, dass „viele Ordinationen geschlossen waren oder nur reduzierte Öffnungszeiten hatten“, für übertrieben halten – auch angesichts der Umstände, weil es ja eine Ansprache an die Apotheker in Alpbach war und kein neu am Freitag erstelltes Youtube-Video, wie viele dachten – und dahinter vielmehr eine politische Revanche für die gelben Ampelfarben für Wien, Graz, Linz und Kufstein und/oder Wiener Wahlkampf-Getöse vermuten?
Dass es eine Grußbotschaft für die Apotheker im Rahmen von Alpbach war, ist uns klar. Es spielt für uns aber absolut keine Rolle, in welchem Zusammenhang die Aussagen des Ministers gefallen sind. Das hat überhaupt nichts mit irgendeiner Tagespolitik zu tun. Es schmerzt und verärgert unsere Kollegen maßlos, wenn ihre bewundernswerte Leistung missachtet wird und sie statt der verdienten Anerkennung auch noch Kritik an den Kopf geworfen bekommen. Für diese Empörung kann man nur Verständnis haben. Der so medienerfahrene Gesundheitsminister muss auch gewusst haben, dass seine Worte in die Öffentlichkeit kommen werden und auch, wie sie bei den Ärztinnen und Ärzten ankommen werden.
Wie könnte dieser Streit im Sinne der Patienten beigelegt werden und was liegt Ihnen sonst noch zum Thema Wertschätzung für die Ärzte am Herzen?
Der Minister sollte endlich die Leistungen der Ärztinnen und Ärzte respektieren und honorieren. Für einen Gesundheitsminister sollte das eigentlich selbstverständlich sein und er kann in dieser Hinsicht viel von seinem deutschen Amtskollegen lernen. Der Minister sollte sich für seine unrichtigen Aussagen entschuldigen und mit uns in einen verantwortungsbewussten und wertschätzenden Dialog mit uns treten, damit wir endlich gemeinsam die beste Versorgung und die beste Medizin für die Patientinnen und Patienten anbieten können.
Herzlichen Dank für das Interview!