Routinemäßig nach ZNS-Metastasen fahnden?

Eine sehr kontroverse Diskussion zum Thema Lungenkrebs sorgte am ERS 2021 für Furore. Denn an der Frage, ob man routinemäßig nach ZNS-Metastasen fahnden soll, schieden sich die Geister.

Krebs des Gehirns
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Eine sehr kontroverse Diskussion in der „Lung Cancer Grand Round“ entfachte OÄ Dr. Amanda Tufman, Medizinische Klinik und Poliklinik V, Klinikum der Universität München, Deutschland, in ihrer Fallpräsentation zu einem Adenokarzinom der Lunge im Stadium IV mit EGFR-Mutation. Sie betonte, dass sie beim NSCLC bereits im Stadium II–III nach einer Radiochemotherapie nach Hirnmetastasen via MRI fahndet und diese auch behandelt, selbst wenn sich diese noch asymptomatisch präsentieren, und sie diese Vorgangsweise auch für die klinische Routine empfiehlt. Kritik kam prompt vom Podium, Prof. Dr. Jan Van Meerbeeck, Multidisziplinäres Onkologisches Zentrum, Antwerpen, Belgien, und Mitglied der European Cancer Organisation, äußerte Bedenken, dass diese Vorgangsweise gegen die ERS-Leitlinien ist. Tufman ließ sich nicht beirren und betonte, dass, solange Hirnmetastasen keine Symptome verursachen und klein sind, sie besser behandelbar sind – insbesondere in einer Patientenpopulation, deren Risiko für Rezidive mindestens bei 30 Prozent oder mehr liegt. „Dieses Risiko spricht für mich eindeutig für ein MRI-Follow-up des Gehirns. Wir haben gute Therapien bei Hirnmetastasen, daher sehe ich keinen Grund zu warten, bis diese symptomatisch werden“, unterstreicht Tufman. Auf die Frage, was der Sinn für die Suche nach asymptomatischen Hirnmetastasen ist, antwortet Tufman klar: „Um zu vermeiden, dass sie symptomatisch werden und Probleme verursachen.“ Die Reaktionen im Chat waren riesig und das Podium, Prof. Dr. Joanna Chorostowska-Wynimko, Vorstand des Departments of Genetics and Clinical Immunology, National Institute of Tuberculosis ans Lung Diseases, Warschau, Polen, und OA Dr. Torsten Gerriet Blum, Bereichsleiter Schalf- und Beatmungsmedizin, Helios Klinikum Emil von Behring, Berlin, Deutschland, stellte für den kommenden ERS-Jahreskongress 2022 in Barcelona eine eigene Session zu diesem Thema in Aussicht – wir dürfen also gespannt sein.

Lung cancer grand round, Diskussion im Rahmen des Internationalen Kongresses der European Respiratory Society (ERS) 2021, 6.9.21

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum pneumo