Höheres Entgelt für magistrale Zubereitungen
Das Entgelt für die magistrale Zubereitung von Arzneimitteln durch Apotheken wurde um durchschnittlich 50% erhöht. Die entsprechende Arzneitaxen-Verordnung ist mit Jahresbeginn in Kraft getreten. Für Apotheken werde es dadurch „einfacher, akute Bedarfsspitzen abzufangen und die Versorgung der Bevölkerung kurzfristig sicherzustellen“, gab das BMSGPK am 23. Jänner 2024 in einer Aussendung bekannt.
Am selben Tag hatte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) einen Standort des Arzneimittelvollgroßhandels in Wien-Simmering besucht (siehe Bild). PHAGO-Präsident Dr. Andreas Windischbauer stellte dabei das für Krisenfälle eigens geschaffene Wirkstofflager vor.
In den 23 Lagern des Vollgroßhandels würden „mehr als 1 Tonne“ Grundwirkstoffe für kritische Schmerz- und Fieber-Arzneimittel sowie Antibiotika samt Hilfsstoffen und Verpackung liegen.
Versorgung von fast 300.000 Patientinnen und Patienten möglich
„Allein damit können fast 300.000 Patientinnen und Patienten als Überbrückung durch magistrale Zubereitungen versorgt werden“, sagt Windischbauer, „bei Akutbedarf können wir die Wirkstoffe jederzeit an die Apotheken ausliefern.“ Darüber hinaus hätten die PHAGO-Großhändler ein Frühwarnsystem erstellt. Dieses schicke laufend Lieferengpassmeldungen an das Ministerium und die Sozialversicherung, um bei Bedarf rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen.
Windischbauer bekräftigt aber auch, dass es noch eine weitere Maßnahme brauche. Nämlich eine Verlängerung des Infrastruktursicherungsbeitrags, damit die Arzneimittelvollgroßhändler „auch für die nächste Wintersaison 2024/25 gewährleisten können, alle Medikamente weiterhin zu führen“. Das entsprechende Gesetz, das dem Arzneimittelgroßhandel einen Teil jener in den vergangenen Jahren entstandenen Mehrkosten abgelte, sei derzeit bis August 2024 befristet.
Lieferengpässe bei Medikamenten hätten im vergangenen Winter europaweit zu einer angespannten Situation geführt. Um die Versorgung in Österreich in diesem Winter sicherzustellen, habe die Bundesregierung bereits „ein Bündel an kurzfristigen Maßnahmen“ auf den Weg gebracht, betonte das BMSGPK. Dazu zählten die bereits erwähnte Einrichtung eines eigenen Wirkstofflagers, die Einführung eines Unterstützungsbeitrages für niedrigpreisige Medikamente, die Erweiterung von Verkaufsfristen sowie die Erleichterung des Imports aus dem EWR-Raum.
Ab 2024/25: 700 Medikamente auf Vorrat
Als „mittelfristig wirksame Maßnahme“ werde die pharmazeutische Industrie nun dazu „verpflichtet“, größere Mengen an kritischen Arzneimitteln einzulagern. Es handelt sich um rund 700 relevante Medikamente für den österreichweiten Bedarf von 4 Monaten: Dazu zählen insbesondere Schmerzmittel, Antibiotika, Medikamente gegen Erkältungssymptome, aber auch Präparate für chronische Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankungen.
Das sei in der entsprechenden Taskforce des Gesundheitsministeriums mit allen relevanten Systempartnern erarbeitet worden. „Durch die Verpflichtung der pharmazeutischen Industrie zur Bevorratung wichtiger Arzneimittel setzen wir nun einen wichtigen Schritt, um auch im nächsten Winter bestmöglich auf mögliche Lieferengpässe vorbereitet zu sein“, ist sich Rauch sicher. Langfristig brauche es eine europäische Lösung, um alle Mitgliedstaaten gleichermaßen abzusichern.
„Das werde ich in Brüssel einfordern“, betont der Gesundheitsminister. Bevor die Verpflichtung an die pharmazeutische Industrie in Kraft treten könne, müsse sie der Europäischen Kommission zur Kenntnis gebracht werden. Für die nächste Wintersaison seien die entsprechenden Medikamente allerdings bereits einzulagern. Die Industrie könne für die zusätzlich entstehenden Kosten einen Antrag auf Erstattung beim Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) stellen.
Pharmig: Nur „vermeintliche“ Lösung der Probleme
Der Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig) sieht die nationalen Medikamentenlager jedoch kritisch. „Eine Verpflichtung zur nationalen Bevorratung für pharmazeutische Unternehmen löst die Probleme um die Medikamentenengpässe nur vermeintlich“, kommentiert Pharmig-Generalsekretär Mag. Alexander Herzog den Maßnahmenkatalog des Ministers. Diese Kritik habe die Industrie auch „stets als Teil der eigens ins Leben gerufenen Task Force“ zur Lösung der Engpässe geübt.
Für nachhaltiger und zielführender hält Herzog, „die Preise bei den Medikamenten unterhalb der Rezeptgebühr an die Inflation anzupassen“. Damit könnten die Unternehmen sie auch in der Versorgung halten, speziell vor dem Hintergrund hohen Inflation und der generellen Kostensteigerungen durch geopolitische Einflüsse. „Dieses Problem bleibt im Maßnahmenkatalog von Minister Rauch leider unangetastet“, konstatiert Herzog.
Minus 20 Medikamente pro Monat im „Arzneimittelschatz“
Jeden Monat würden in Österreich „an die 20 Medikamente“ aus der Versorgung fallen und den Patientinnen und Patienten nicht mehr zur Verfügung stehen. Daher gelte es, die Produktion und den Vertrieb von niedrigpreisigen Medikamenten zu attraktivieren: „Wir plädieren dringend und mit Nachdruck dafür, die Preise von so wichtigen Medikamenten wie Antibiotika, Schmerzmitteln und vielen mehr nicht mutwillig permanent nach unten zu drücken.“ Das dünne den „Arzneimittelschatz“ aus und destabilisiere am Ende des Tages die Medikamentenversorgung.
In Einzelfällen könnten pharmazeutische Unternehmen zwar beim Dachverband der Sozialversicherungsträger um eine Preiserhöhung ihres Produktes im Erstattungskodex ansuchen. Solche Anträge würden jedoch „nur selten“ bewilligt, wie die Erfahrung zeige, weswegen die Unternehmen sie auch nur begrenzt stellen. Daher setze sich die Pharmig „vehement“ für eine Inflationsanpassung der Medikamente im patentfreien Bereich unterhalb der Rezeptgebühr ein.
Als weitere wirkungsvolle Maßnahme schlägt Herzog eine „nachhaltige Standortstrategie“ zur Medikamentenproduktion vor. Auch wenn eine vollintegrierte Herstellung von allen Arzneimitteln von A bis Z in Europa und Österreich „nicht realistisch“ sei. „Gewiss aber gibt es bestimmte Bereiche, in denen eine Stärkung der Produktion auch in unseren Breiten vorstellbar wäre“, sagt Herzog, „trotz höherer Lohnkosten und Steuern.“
Apothekerkammer begrüßt die Maßnahmen
Die Österreichische Apothekerkammer begrüßt in einer Aussendung die „von Seiten der Gesundheitspolitik initiierten Maßnahmen“. Ein neues Wirkstofflager – als „Reaktion auf eine Forderung der Apothekerkammer“ – und ein umfangreiches Medikamentenlager würden auch die Apotheken entlasten. Denn Lieferprobleme würden für Apothekerinnen und Apotheker einen erheblichen Zusatzaufwand bedeuten „und manchmal auch das frustrierende Gefühl, jemandem nicht sofort vor Ort helfen zu können, obwohl man selbst keinerlei Schuld an der Liefermisere trägt“.
Zudem spricht sich die Apothekerkammer „weiterhin klar“ dafür aus, „mittel- und langfristig wieder verstärkt Arzneimittel und Medizinprodukte in Europa herzustellen“. Dadurch könnte man die Produktion flexibler auf den Bedarf hierzulande anpassen – gerade bei so wichtigen Medikamenten wie Antibiotika. Und man würde die teils „beunruhigenden Abhängigkeiten“ in der Arzneimittelproduktion vom asiatischen Raum verringern. Hier sollte man auf europäischer Ebene eine Lösung finden, da dieses Problem alle EU-Länder gleichermaßen betreffe.