28. Mai 2025Gastkommentar Apothekerkammer

No time to waste

Die neue Regierungsmannschaft ist derzeit wirklich nicht zu beneiden. Sparen ist angesichts des Rekorddefizits angesagt. Dennoch soll sich die Versorgung der Menschen in Österreich keinesfalls verschlechtern, v.a. was essenzielle Bereiche wie Gesundheit betrifft. Und das trotz der gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Entwicklungen.

Wie bringt man nun eine gute Gesundheitsversorgung, den sozialen Gedanken und Sparen auf einen Nenner? Wir Apothekerinnen und Apotheker waren immer schon ein Berufsstand mit hohen ethischen Standards, aber auch mit einem gesunden Pragmatismus. Kein Apothekenbetrieb kann überleben, ohne sich stets zu fragen „Was ist für ein gedeihliches Weiterkommen notwendig?“ und „Wie erreiche ich das, unter bestmöglicher Nutzung meiner Ressourcen?“

Nicht anders ist es in unserem Gesundheitssystem. Wir wissen, wo es hakt. Da helfen auch keine dritte oder vierte Ebene oder Parallelstrukturen, die rasch einmal eingezogen werden, um mit Aktionismus die ebenso notwendigen wie unangenehmen Schritte hinauszuzögern.

Die schlechte Nachricht: Das ist vorbei. Jetzt ist „no time to waste“, wie es so treffend heißt. Jetzt kommt man um Reformen nicht mehr herum.

Die gute Nachricht: Jetzt, mit dieser breiten Koalition besteht die Chance Nägel mit Köpfen zu machen. (Immerhin hat sie bereits einige Male positiv überrascht und ihre gesundheitspolitischen Maßnahmen gehen in die richtige Richtung.)

Das heißt, hinschauen, was gebraucht wird. Befindlichkeiten sein lassen. Auch unangenehme Entscheidungen treffen. Und vor allem Experten von Anfang an in Entscheidungsprozesse einbinden, auf sie hören und ihre Expertise dort einsetzen, wo sie bestmöglich genutzt werden kann.

Wir Apothekerinnen und Apotheker sind solche Experten. Wir haben eine hohe Kompetenz, umfassendes Wissen und ein flächendeckendes, sehr gut funktionierendes System, das flexibel und kurzfristig genutzt werden kann. Das haben wir schon oft bewiesen.

Und wir haben noch etwas: Wir haben das Vertrauen der Menschen und einen direkten Zugang zu ihnen, wie kaum ein anderer Gesundheitsberuf. Diesen USP von uns richtig und rechtzeitig zu nutzen ist essenziell für eine erfolgreiche Gesundheitsreform, die gewährleistet, dass die Maßnahmen und Angebote dort ankommen, wo sie gebraucht werden, mit so wenig Streuverlust wie möglich.

Eine gute Gesundheitsversorgung beginnt in der Apotheke. Es wird Zeit, dass die Potenziale und die Möglichkeiten der Apothekerschaft entsprechend genutzt werden, z.B. für eine bundesweite, durchdachte Präventionsstrategie, den Ausbau telemedizinischer Angebote (von dem zwar alle reden, aber nichts weitergeht), einen gezielteren Einsatz unserer Funktion als Gatekeeper u.v.m. Wir versorgen täglich über 600.000 Menschen. Wir haben unsere Kompetenz und Verlässlichkeit auch in Krisensituationen exzellent unter Beweis gestellt.

Eine (Gesundheits-)Politik, die diese wertvolle Ressource ignoriert, wird scheitern. Nur mit der konsequenten Einbindung der Apotheke als Institution besteht unter den gegebenen Umständen die Chance, unser Gesundheitssystem wirklich zu reformieren und die Versorgung zu verbessern. Wir können uns ein teures, ineffizientes Gesundheitssystem nicht mehr leisten.

Ebenso wenig können wir uns ein schlechtes Gesundheitssystem leisten, in dem Menschen nicht versorgt werden, weil die Mittel nicht dort verfügbar sind, wo sie bestmöglich eingesetzt werden können.

Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Es wäre fahrlässig, sie dort liegen zu lassen.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Gastkommentar, für den der jeweilige Autor verantwortlich ist. Die Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und Herausgeber wieder.