Gesundheit als Wahlthema: Positionen und Schwerpunkte
NATIONALRATSWAHL 2017 – Die Gesundheit ist des Menschen höchstes Gut, heißt es. Wie damit gesundheitspolitisch der Sichtweise und der Ideologie. Das jedenfalls legt eine Analyse der aktuellen Wahlprogramme nahe. (Pharmaceutical Tribune 16/2017)
Die Positionen verschiedener gesundheitspolitischer Stakeholder sind unterschiedlich – in einem sind sich aber alle einig: Es ist viel zu tun und die Zeit drängt! Überlastete Ambulanzen, ein drohender Ärztemangel, Versorgungslücken, Ungerechtigkeiten in der Leistungserbringung sind nur einige Baustellen, die es zu bearbeiten gilt. Und das alles bei einem durch die demografische Entwicklung steigenden Bedarf. Umso ernüchternder ist der geringe Stellenwert von Gesundheitsthemen in der Politik, wie eine Recherche der Pharmaceutical Tribune dokumentiert. 212 Seiten hat etwa das Wahlprogramm der SPÖ, ganze 16 Seiten umfasst das Kapital „Gesundheit & Alter“ und der Löwenanteil davon entfällt auf Pflege und Pensionen. Für die Gesundheit im engeren Sinne bleiben im „Plan A“ der Kanzlerpartei lediglich 4 Seiten übrig.
Im Vergleich zum Wahlprogramm der FPÖ ist selbst das noch üppig. Diese umreißt im 56 Seiten langen Wahlprogramm die Themen Pflege und Gesundheit auf knackigen 2 Seiten – was einem prozentuellen Anteil von 3,6 Prozent entspricht, bei der SPÖ sind es keine 2 Prozent (inklusive Pflege 4,7 Prozent). Die „neue“ ÖVP von Sebastian Kurz arbeitet noch an ihrem Programm, die bereits präsentierten Teile 1 und 2 umfassen gemeinsam 216 Seiten, wovon 7 (3,2 Prozent) aus dem ersten Teil der Gesundheit gewidmet sind (Teil 2 beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Thema Bildung). Zählt man 5 Seiten zum Thema „Alter, Pflege, Hospiz“ dazu, kommt man auf rund 5,5 Prozent. Mit der noch ausstehenden Präsentation des dritten Teiles wird dieser Anteil vermutlich noch weiter verwässert werden.
Die Programme im Detail:
SPÖ: Gleiche Leistungen für alle und mehr Transparenz
Die SPÖ bescheinigt in ihrem Wahlprogramm, dem „Plan A“, unserem Gesundheitssystem „nicht wirklich krank, aber auch nicht topfit“ zu sein. Angeprangert wird vor allem, dass die Versicherten bei gleichen Beiträgen unterschiedliche Leistungen erhalten. Ziel sei es, die Leistungen anzugleichen und Selbstbehalte zu streichen. Ein zweiter wichtiger Punkt ist es, die Wartezeiten für MRT- und CT-Untersuchungen zu reduzieren. Dafür sollen z.B. Terminservicestellen für dringende Fälle bei den SV-Trägern eingerichtet werden, die Zuweisungssysteme sollen effektiv gestaltet werden und nach Dringlichkeit differenzieren. Ziel ist eine Wartezeit für eine CT-Untersuchung von zwei, für eine MRT-Untersuchung von vier Wochen. Hochakute Fälle sollen sofort erledigt werden. Die durchschnittlichen Wartezeiten sollen einsehbar gemacht und die Vertragsbeziehungen zwischen der Sozialversicherung und den MRT-/ CT-Instituten neu geregelt werden. Nicht zuletzt soll das Angebot durch den Ausbau der eigenen Einrichtungen der Krankenversicherungsträger gestärkt werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Ausbau der wohnortnahen ärztlichen Versorgung. Hierfür sollen attraktive Modelle für die hausärztliche Versorgung (Stichwort Primärversorgung) geschaffen werden. „Wir müssen gute Bedingungen für die KassenärztInnen schaffen, damit wir auch jene, die heute lieber als WahlärztInnen tätig sein wollen, ins Kassensystem zurückholen“, heißt es im Programm. Eine „Herzensangelegenheit“ ist der SPÖ die psychische Gesundheit. So wurde das Kontingent für kostenlose Psychotherapieeinheiten bereits um 50 Prozent erhöht. „Mehr Geld für den Aus- und Umbau der psychotherapeutischen Versorgung und zur Bekämpfung der neuen Zivilisationskrankheiten kann kein Schaden sein“, so das Programm. Weitere Punkte betreffen die niedergelassene Facharztversorgung, die künftig „unter einem Dach“ erfolgen soll, um Patienten lange Wege zu ersparen sowie die Auflösung der Rücklagen der Sozialversicherungen, die für eine Verbesserung der ärztlichen Versorgung eingesetzt werden sollen.
ÖVP: Prioritäten setzen und Ausgaben reduzieren
„Neue Gerechtigkeit & Verantwortung“ heißt der erste Teil des Parteiprogramms der ÖVP, in dem auch das Thema Gesundheit behandelt wird. „Wir sind Spitzenreiter bei den Ausgaben im Gesundheitssystem, aber nur im Mittelfeld bei den Ergebnissen“, wird klar die Linie vorgegeben. Die höhere Ergebnisqualität bei geringeren Ausgaben soll vor allem durch eine Priorisierung erreicht werden: Prävention vor Therapie, ambulante vor stationärer Behandlung, Versorgung durch niedergelassene Ärzte vor Versorgung durch Spitalsambulanzen. Initiativen sollen vor allem bei der jährlichen Vorsorgeuntersuchung gesetzt werden: Personen, die diese in Anspruch nehmen, sollen einen finanziellen Bonus bekommen. Um die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem zu steigern, müsse man an mehreren Hebeln ansetzen, z.B. den Wartezeiten auf wichtige Operationen (Ressourcen optimal nutzen, Auslastungsmanagement von OPs, Transparenz) oder dem effizienteren Einsatz von Medikamenten (Millionenausgaben zur Behandlung von Nebenwirkungen, bessere Abstimmung der Medikamente auf die Patienten, Gendermedizin).
Zusätzlich sollen die Menschen verstärkt in den niedergelassenen Bereich gelotst werden, dort sei die Behandlung individueller, flexibler und effizienter. Gleichzeitig soll die Spitalsfinanzierung reformiert werden – man müsse weg von einer behandlungsorientierten und hin zu einer ergebnisorientierten Finanzierung. „Wir sind nicht daran interessiert, dass die Menschen möglichst viele Untersuchungen und Behandlungen bekommen, sondern dass sie möglichst gesund sind und wieder werden“, heißt es wörtlich. Weitere Punkte im Programm sind die Nutzung der Vorteile von Telemedizin und Digitalisierung, der Missbrauchsschutz der E-Card (Foto), mehr Patienteninformationen sowie die stärkere Vernetzung von Spitalsambulanzen und Hausärzten. Nicht zuletzt hat sich die ÖVP die Reduktion der Zahl der Sozialversicherungsträger nach vorangehender Leistungsharmonisierung auf die Fahnen geheftet.
FPÖ: Mehr extramural statt Spital
Die FPÖ bekennt sich in ihrem Wahlprogramm zu „einer hochwertigen medizinischen Versorgung für alle Staatsbürger“. Das österreichische Gesundheitssystem benötige Strukturreformen und nicht Einsparungen. Sparpotenzial sieht die FPÖ in der Verschiebung medizinischer Leistungen von den Spitälern wieder zurück in den ambulanten, niedergelassenen Bereich. Besondere Bedeutung komme dem Hausarzt zu. Er solle weiterhin eine zentrale Rolle spielen und nicht durch „an die DDR erinnernde Primärversorgungszentren“ ersetzt werden.
Konkret fordert die FPÖ:
- Die Zusammenlegung aller Krankenkassen „mit getrennten Rechnungskreisen für Staatsbürger und Ausländer“.
- Bessere Bezahlung und Aufwertung aller Berufe im medizinischen und im Pflegebereich.
- Krankenversicherungsbeiträge müssen den Patienten zukommen und „dürfen nicht in der Bürokratie versinken“.
- Die jährliche Valorisierung des Pflegegeldes und den Ausbau stationärer Pflegeeinrichtungen.
Grüne: Nicht-ärztliche Gesundheitsberufe aufwerten
Die Grünen tanzen in der Machart aus der Reihe: Gesundheit ist im 64-seitigen Wahlprogramm zwar kein eigenes Kapitel, zieht sich jedoch durch das ganze Werk. Die Grünen wollen etwa eine „Aufwertung der nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe auf allen Ebenen“: Die neue Primärversorgung biete eine Chance zur „Gleichstellung“ der Gesundheitsberufe.
Neos: Versorgungsfunktion von Apotheken stärken
Bei den Neos dreht sich das „Manifest zur Nationalratswahl 2017“ v.a. um Wirtschaft, EU und Bildung. Nur im Parteiprogramm „Pläne für ein neues Österreich“ (2016) widmen sich 8 von 164 Seiten der „Gesundheit und Pflege“: z.B. sind die Neos für eine „Stärkung der Versorgungsfunktion von Apotheken im Sinne eines einfachen Zugangs“.
Positionen der Newcomer und kleinen Parteien
Auch bei den restlichen fünf bundesweit antretenden Parteien ist das Gesundheitsthema kein großes. Die „Weißen“ und die Liste „GILT“ (Roland Düringer) machen generell keine themenspezifischen Ansagen. Peter Pilz hat gar kein Programm, sondern Kandidaten, „die Programme sind“. Für Pflege und Gesundheit ist das Teresa Roscher, Pflegeassistentin. Die FLÖ (Freie Liste Österreich) serviert als Programm einen zweiseitigen Folder, allerdings betreffen von 26 Forderungen gleich fünf Gesundheit und Pflege. Das dürfte dem Spitzenkandidaten in Salzburg, dem Arzt Dr. Karl Schnell, geschuldet sein. Die KPÖ liefert 17 Seiten Wahlprogramm, davon eine Seite zur Gesundheitspolitik.