4. März 2020Phytoöstrogene und Tumorzellen

Vorsicht vor Soja & Co bei Brustkrebs

Weibliche Gesundheit. Geschlechtssymbol aus rosaroten Pillen oder Tabletten auf Holztisch
Tero Versalinen/GettyImages

Soja-Isoflavone können offenbar das Wachstum von hormonabhängigen Brustkrebszellen fördern, wie ein Pharmazeuten-Team der Universität Wien herausfand. Die Forscher raten Brustkrebspatientinnen zur Vorsicht und wollen als Nächstes die Wirkstoffe der Traubensilberkerze untersuchen.

Bisher war bekannt, dass Östrogene das Wachstum von Mammakarzinomen, Gebärmutter- und Eierstockkrebs begünstigen können. Viele Frauen scheuen daher bei (post)menopausalen Beschwerden eine Hormonersatztherapie und greifen lieber zu pflanzlichen Alternativen – den Phytoöstrogenen. Doch Krebspatientinnen sollten diese ebenfalls meiden, geht es nach den bisherigen Ergebnissen eines vom Wissenschaftsfonds (FWF) geförderten Forschungsprojekts. „Selbst dann, wenn eine Frau, die Brustkrebs hat, zweimal täglich Tofu isst, könnte es sein, dass das Wachstum der Tumorzellen angeregt wird“, warnt Forschungsprojektleiter a.o. Univ.-Prof. Mag. Dr. Walter Jäger, Abteilung für klinische Pharmazie und Diagnostik, Department für Pharmazeutische Chemie, Universität Wien, vergangene Woche in einer Aussendung des FWF.

Cave hochdosiertes Resveratrol

Das Forscherteam untersuchte Brusttumorzellen, die von Patientinnen in unterschiedlichen Stadien gewonnen wurden. Die Zelllinien seien in Gegenwart und Abwesenheit von Phytoöstrogenen mit modernsten molekularbiologischen Methoden charakterisiert worden. „Wir haben uns sowohl Resveratrol, das unter anderem in der Weintraube vorkommt und als krebshemmend gilt, als auch Sojabestandteile angesehen“, berichtet Jäger. Hinsichtlich Resveratrol dürfte es zwar Entwarnung geben. Zumindest jene in Österreich erhältlichen Produkte stellen laut dem Pharmazeuten hinsichtlich ihrer Dosierung kein Risiko dar – im Gegensatz zu via Internet leicht zugänglichen Produkten mit hoher Dosierung. Aus anderen Studien sei bekannt, heißt es in der Aussendung, dass 500 mg Resveratrol über einen längeren Zeitraum eingenommen „bei gesunden Frauen“ in den Hormonstoffwechsel eingreife.

Soja-Isoflavone hemmen Abbau von Tumorzellen

Bei Soja stellten Jäger und Kollegen eine klare Wechselwirkung auf körpereigene Östrogene fest. Konkret bei den Isoflavonen Genistein und Daidzein zeigten die molekularbiologischen Analysen einen „deutlichen Einfluss“ auf den Metabolismus dieser Hormone in Brustkrebszellen: Deren Abbau wurde gehemmt. Daher rät Jäger bei hormonabhängigem Brustkrebs nicht nur von zu viel Tofu am Speiseplan ab, sondern insbesondere von isoflavonhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln.

Das Forschungsprojekt, das in Zusammenarbeit mit der Universität Ljubljana in Slowenien erfolgt, läuft noch bis Frühjahr 2020. Als Nächstes wollen die Wissenschaftler die Wirkstoffe der Traubensilberkerze untersuchen, die gerne bei Wechselbeschwerden in Tabletten- oder Kapselform angeboten werden.

Analysemethoden aus Wien

Mit den in Wien entwickelten Analysemethoden könnten auch Arzneimittel und ihre Wirkungen auf den Hormonhaushalt getestet werden, heißt es in der Aussendung. Jäger und sein Team haben Eierstockkrebszellen auf häufig eingesetzte Zytostatika untersucht, die oft Resistenzen entwickeln: „Wir haben erstmals gesehen, dass resistente Tumorzellen schlagartig schlechter metabolisieren, das heißt, man sieht, welche resistent sind und welche nicht.“ Jedoch seien solche Methoden zur Hormonanalyse in den Kliniken noch nicht ausgereift, da die Tests sehr aufwendig und damit kostenintensiv – aber eben auch effektiv – ausfallen würden.

Generell möchten die Forscher neben der Wirkung von Phytopharmaka auf den Hormonhaushalt auch mehr Einblick in andere Stoffwechselprozesse geben, beispielsweise wie sich Konzentrationen verschiedenster körpereigener Produkte in einem Gewebe oder in Körperflüssigkeiten wie Urin oder Blut verändern, wenn Naturstoffe oder Arzneimittel eingenommen werden. Diese Angaben würden noch bei Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln fehlen. „Wir hätten gerne, dass man den endogenen Stoffwechsel viel genauer anschaut“, wünscht sich Jäger, wozu es gut entwickelte Analysemethoden brauche. Dieses Wissen könnte helfen, sowohl unerwünschte Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen als auch neue Arzneistoffe zu finden, die gezielt auf spezifische Stoffwechselwege einwirken.

Übrigens: Bei Frauen, die nicht an Brustkrebs erkrankt sind, sollten Isoflavone nicht schaden, antwortete Jäger in einem Kommentar auf die entsprechende Frage einer Leserin.

 

Referenzen:
Poschner, S., Wackerlig, J., Castillo-Tong, D. C., et al.: Metabolism of estrogens: Turnover differs between platinum-sensitive and-resistant high-grade serous ovarian cancer cells, in: Cancers 2020, 12(2), 279, https://doi.org/10.3390/cancers12020279
Poschner, S., Maier-Salamon, A., Zehl, M., et al.: Resveratrol Inhibits Key Steps of Steroid Metabolism in a Human Estrogen-Receptor Positive Breast Cancer Model: Impact on Cellular Proliferation, in: Frontiers in Pharmacology 2018; 9: 742, https://doi.org/10.3389/fphar.2018.00742
Poschner, S., Maier-Salamon, A., Zehl, M., Wackerlig, J., Dobusch, D., Pachmann, B., Sterlini, K. L., Jaeger, W.: The Impacts of Genistein and Daidzein on Estrogen Conjugations in Human Breast Cancer Cells: A Targeted Metabolomics Approach in: Frontiers in Pharmacology 2017, https://doi.org/10.3389/fphar.2017.00699