9. Sep. 2019

Digitale Roadmap gefordert

Die Industrieplattform Medizinsoftwarehersteller fordert verbindliche Ziele, Kosten-Nutzen-Analysen sowie mehr Geld, um Projekte wie ELGA effizient umzusetzen. Die Sozialversicherung kontert.

Die Plattform der Medizinsoftwarehersteller forderte vor kurzem im Rahmen einer Pressekonferenz eine raschere und umfassendere Umsetzung der Elektronischen Gesundheitsakte ELGA. Derzeit haben die privaten Medizinsoftwarehersteller einen Jahresumsatz von 100 Millionen Euro – nötig wären ihrer Meinung nach aber 300 Millionen, um die digitalen Leistungen entsprechend auszubauen und so Verbesserungen für die Patienten zu erreichen. Die künftige Bundes­regierung solle den digitalen Gesundheitsstandort zur „Causa Prima“ erklären. Denn mit den geforderten Investitionen könnten zusätzlich rund zwei bis vier Milliarden Euro eingespart werden, rechneten Ing. Eduard Schebesta, Sprecher der Industrieplattform Medizinsoftwarehersteller, und Dr. Manfred Müllner, stellvertretender Geschäftsführer des Fachverbandes der Elektro- und Elektronikindustrie, vor. Dabei bezogen sie sich auf eine McKinsey-Studie, die für Deutschland ein Einsparungspotenzial von 39 Milliarden Euro pro Jahr ergab, und rechneten dieses auf Österreich um.
Die Lösung sehen Schebesta und Müllner darin, dass man in den Kassenverträgen der Ärzte und auch in den Verträgen der Sozialversicherungen mit den Apotheken darauf Rücksicht nehmen und Ärzten und Apothekern ein zusätzliches Honorar für die Investitionen in ihre Hard- und Software bezahlen müsste.

Problemfall Radiologe

Als Beispiel führte Schebesta Radiologiebefunde aus dem niedergelassenen Bereich an, die derzeit nicht in ELGA gespeichert werden. „Ein Röntgenbild im ELGA-System zu verspeichern kostet zwei Euro“, berichtete Schebesta. Diese zwei Euro werden den Radiologen aber nicht ersetzt, daher würden die Röntgenbilder nicht in ELGA verspeichert. Vielmehr werden Röntgenbilder, die im niedergelassenen Bereich bereits erstellt wurden, im Krankenhaus noch einmal gemacht, was – ohne Lohnkosten – noch einmal mit rund 200 Euro zu Buche schlägt. Gleiches gelte für Labor- und Facharztbefunde aus dem niedergelassenen Bereich, die derzeit ebenfalls nicht in ELGA eingespeichert werden.
Die Softwarehersteller fordern daher, „dass alle Stakeholder des digitalen Gesundheitswesens (Bund, Länder, Ärztekammer, Apothekerkammer, ÖGK/SV, ELGA, Softwarehersteller der FEEI-IPMED und FVUBIT) gemeinsam eine digitale Roadmap für das Gesundheitswesen erarbeiten“, betonte Müllner. Diese sollte verbindliche Ziele, Finanzierungspläne und eine Kosten-Nutzen-Analyse enthalten.

Bitte warten

Bis es so weit sein wird, dass man Röntgenbilder tatsächlich aus ELGA abrufen kann, wird es allerdings noch dauern. Denn derzeit ist nur die Abspeicherung von Befunden (E-Befund) in ELGA vorgesehen. So erklärte ELGA-Geschäftsführer
Dr. Franz Leisch auf Nachfrage der Pharmaceutical Tribune, dass Röntgenbilder auch künftig nicht in ELGA verspeichert werden sollen, sondern dass vielmehr die Möglichkeit geschaffen werden soll, über einen Link im E-Befund auf die Bilder zuzugreifen. Radiologen verfügen bereits jetzt über ein Archiv, in dem sie die Röntgenbilder speichern, ELGA soll dann das Log-in und die Identifikation der Teilnehmer übernehmen. Dazu soll es Anfang nächsten Jahres bereits den ersten Pilotversuch geben.

Sozialversicherung winkt ab

Ob die geforderten zusätzlichen 200 Millionen Euro pro Jahr tatsächlich via Ärzte und Apotheker an die privaten Medizinsoftware­hersteller fließen werden, ist ebenfalls fraglich. Im Gespräch mit Pharmaceutical Tribune kam von DI Volker Schörghofer vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger jedenfalls eine Absage. „Es gab eine Förderung für Ärzte, an ELGA teilzunehmen“, erzählt er. So wurden 1.314 Euro an alle Ärzte und Apotheker ausbezahlt, die beweisen konnten, dass sie einen ELGA-Zugang haben. Schörghofer: „Dieser Betrag deckt meiner Meinung nach die Softwarekosten ab, die jeder Arzt und Apotheker hat, um das ELGA-­Softwaremodul in seiner Software zu verwenden. Hier ist aus meiner Sicht kein weiteres Geld nötig, das die öffentliche Hand über den Arzt oder Apotheker an die Software­indus­trie zahlt.“

Keine Notwendigkeit

Die Ärztekammer wiederum sieht keine Notwendigkeit, den E-Befund derzeit in ELGA einzuspeichern. Dort erwartet man vielmehr, dass zunächst einmal eine Mängelliste, die das deutsche Fraunhofer-Institut bei der Evaluierung des E-Befundes erstellte, abgearbeitet wird. Erst danach könne man über die Einführung des E-Befundes sprechen. Von Verhandlungen über die Finanzierung bzw. einer Geldforderung für das Einspeichern der Daten ins ELGA-System sei man noch weit entfernt. „Darüber haben wir in Wahrheit überhaupt noch nicht geredet“, so Mag. Jürgen Schwaiger von der Österreichischen Ärztekammer im Gespräch mit Pharmaceutical Tribune.

Industrieplattform Medizinsoftwarehersteller
In der Industrieplattform Medizinsoft-ware – ein Netzwerkpartner des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) – sind Unternehmen organisiert, die in Österreich Software für den Gesundheitsbereich erstellen.
Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zum effizienten Umgang mit medizinischen und administrativen Daten im Gesundheitswesen. Mitglieder sind: A1 Telekom, HCS, Data, CAS, Compugroup, MCW, Innomed, APO Verlag, Siemens, Schachner
& Schlemmer Gesellschaft m.b.H, LukasSoftware und ALPHAVILLE Computergesamtlösungen GesmbH.