9. Sep. 2019

Wer hat das Rezept für den 29. September?

13 Parteien rittern am 29. September um die Gunst von 6,4 Millionen Wahlberechtigten. Als Entscheidungshilfe haben wir Vertreter der sechs größten Parteien gebeten, uns die unten stehenden fünf Fragen zu beantworten. Da sowohl bei der ÖVP als auch bei der FPÖ ein Apotheker auf der Liste der Kandidaten steht, haben wir bei diesen beiden Parteien die zwei Apotheker um ihre Antworten gebeten – bei den anderen Parteien haben die jeweiligen Bundes- bzw. Gesundheitssprecher unsere Fragen beantwortet.

Die Fragen

  1. Warum sollen Apotheker am 29. September Ihnen/Ihrer Partei ihre Stimme geben?
  2. Welche drei Punkte möchten Sie in der nächsten Legislaturperiode verändern?
  3. Was sind für Sie die wichtigsten Baustellen im Gesundheitssystem in Bezug auf Apotheker?
  4. Wie stehen Sie zu Aut idem?
  5. Wie sehen Sie die Rolle der ärztlichen Hausapotheken?

Mag. Thomas Veitschegger, Apotheker, Nationalratskandidat ÖVP

  1. Ich hoffe auf viele Vorzugsstimmen, ganz besonders von der Bevölkerung aus meiner Heimatregion wie auch von Apothekerinnen und Apothekern aus ganz Österreich. Für die Menschen werde ich eine starke Stimme dafür sein, dass sie auch morgen in Österreich eines der besten Gesundheitssysteme vorfinden – mit uns Apothekerinnen und Apotheker als tragende Säule. Für unseren Stand möchte ich dazu beitragen, dass unsere tägliche Arbeit nahe an den Menschen und ihren Bedürfnissen auch die richtige Wertschätzung in der Politik bekommt.
  2. Ich würde erstens die Rolle der niedergelassenen Apothekerschaft im Rahmen von Disease-Management-Programmen (DMP) stärken und den Ausbau der klinischen Pharmazie vorantreiben. Zweitens müssen wir dringend bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen für öffentliche Apotheken schaffen. Und zu guter Letzt werde ich immer für ein gutes Miteinander zwischen Ärzten, Apothekerschaft und anderen Gesundheits- und Sozialberufen eintreten.
  3. Die Apothekerschaft hat in den letzten Jahren immer mehr Aufgaben übernommen, ohne dafür honoriert worden zu sein. Weiters wird die Überalterung der Gesellschaft und die Ausgliederung vom Spital in den niedergelassenen Bereich neue Aufgaben und Chancen für uns Apothekerinnen und Apotheker bringen – entsprechende finanzielle Dotierungen müssen von öffentlicher Hand dafür vorgesehen werden.
  4. Unsere Kammerpräsidentin Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr hat in Alpbach einen sehr interessanten Vorschlag präsentiert. Dabei geht es nicht um eine generelle Aut-idem-Lösung, sondern um einen erweiterten Notfallparagraphen bei Nicht­lieferbarkeit von Medikamenten. Wer täglich an der Tara steht, weiß, wie viel Zeit in der Apotheke und für den Kunden eingespart wird, wenn der Gesetzgeber diesem Vorschlag nähertritt. Ich finde, das wäre ein vernünftiger Interessens­ausgleich zwischen Ärztekammer, Pharmaindustrie und uns.
  5. Oberste Priorität hat eine gute AM-Versorgung der Bevölkerung, für die die öffentlichen Apotheken verantwortlich sind. Ärztliche Hausapotheken haben in entlegenen ländlichen Regionen, in denen öffentliche Apotheken bei den derzeitigen Strukturen nicht die Versorgung übernehmen können, ihre Berechtigung. Wir haben in Österreich mit unseren öffentlichen Apotheken die wahrscheinlich beste Arzneimittelversorgung der Welt. Da gibt es mit Sicherheit keinen Änderungsbedarf.

 

Philip Kucher, Gesundheitssprecher der SPÖ

  1. Apotheker haben eine besonders wichtige Rolle in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung. Die SPÖ setzt sich dafür ein, die qualitätsvolle Versorgung weiterhin aufrechtzuerhalten und die Stabilität nicht durch radikale Änderungen zu gefährden. Unsere Bewegung hat immer ein offenes Ohr für die Anliegen der ApothekerInnen bewiesen und steht auch immer in Kontakt mit Kammern und Verbänden, um aktuelle Entwicklungen und Problemstellungen zum Wohle aller zu berücksichtigen und gemeinsam zu lösen.
  2. Die ärztliche Sachleistungsversorgung wohnortnah sicherstellen.
    ▶ Die Arzneimittelversorgung auf sichere Beine stellen.
    ▶ Wirklich gleich gute Leistungen für alle Versicherten erreichen
  3. Eine der großen Herausforderungen der Zukunft ist sicher die Verfügbarkeit von Arzneimitteln und die steigenden Arzneimittelkosten. Hier bedarf es der Anstrengung aller Stakeholder, auch im Sinne der Erhaltung unserer hohen Arzneimittelsicherheit.
    Der steigende Ärztemangel in der Sachleistungsversorgung wird uns sicher in den kommenden Jahren beschäftigen. Es müssen daher alle Anstrengungen unternommen werden, um eine hochwertige, wohnortnahe und patientenfreundliche medizinische Versorgung sicherzustellen
  4. Die Wirkstoffkunde ist natürlich die zentrale Kompetenz der Pharmazeutinnen und Pharmazeuten. Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass Aut-idem-Verschreibungen durchaus sinnvoll und ökonomisch wirksam sind. In Österreich ist das bisher nicht angedacht. Allerdings muss man sich angesichts der derzeit immer wieder auftretenden Lieferengpässe überlegen, ob in solchen Fällen die Kompetenz der ApotherkerInnen gestärkt werden sollte, um die Abgabe von wirkstoffgleichen Arzneimitteln zu ermöglichen. Ähnliches könnte im Rahmen von ELGA und E-Medikation auch bei Unverträglichkeiten diskutiert werden
  5. Hausapotheken stellen eine subsidiäre Versorgungsform mit Arzneimitteln dar, die vor allem im ländlichen Bereich als Ergänzung sehr wichtig sind. Dennoch ist für uns der Zugang zur Versorgung durch öffentliche Apotheken mit größerem Angebot, zusätzlicher Beratung und Expertise österreichweit sicherzustellen.

Mag. Gerhard Kaniak, Apotheker, Nationalratskandidat FPÖ

  1. Ich komme aus einer Apothekerfamilie und bin seit sieben Jahren selbstständiger Apotheker, kenne alle Sorgen und Probleme aus der Praxis. In der Politik vertrete ich die Anliegen der Apotheker unabhängig von unserer Standesvertretung, aber immer dialogsuchend. Mir ist es wichtig, andere Gesundheits­berufe mit ins Boot zu holen, denn nur gemeinsam können wir zu einer tragfähigen und umsetzbaren Lösung kommen.
  2. ▶Umsetzung der von mir bereits die letzten zwei Jahre mit ausgearbeiteten Apothekengesetznovelle, welche den Handlungsspielraum der Apotheken zukünftig verbessern wird (z.B. AM-Zustellungen im eigenen Versorgungsbereich, bis zu drei Filialapotheken mit einer Konzession, …)
    ▶ Etablierung der Klinischen Pharmazie
    ▶ Entwicklung eines neuen Honorarsystems, in dem die Leistungen der Apotheken eine angemessene Entlohnung finden, die Abhängigkeit von Nebenumsätzen reduziert und eine Abkopplung von den Arzneimittelkosten erreicht wird.
  3. Die Apotheke ist eine unverzichtbare Erstanlaufstelle für alle Gesundheitsfragen. Dieser Stellenwert muss in Zukunft noch weiter ausgebaut, die Kompetenzen erweitert und die Leistungen angemessen honoriert werden. Apotheker können dabei Ärzte entlasten und die Patientenströme effizienter lenken. Hierzu benötigen wir u.a. eine Änderung der Rezeptpflicht bei Impfstoffen, Erweiterung des Notfallparagraphen, verstärkten OTC-Switch sowie volle Teilhabe an den neuen digitalen Gesundheitsdiensten wie E-Impfpass und ELGA.
  4. Kritisch. Ich halte es für wichtiger, die Versorgung der Patienten bestmöglich zu gewährleisten. Dafür bedarf es nur einer Erweiterung des Notfallparagraphen, sodass bei Nichtverfügbarkeit eines Arzneimittels unmittelbar auf ein anderes, gleichwertiges Präparat aus dem In- oder Ausland gewechselt werden kann.
  5. Diese erfüllen grundsätzlich eine wichtige Rolle in der Versorgung ländlicher Regionen. Wenn sich die Ansiedelung einer öffentlichen Apotheke ergibt, ist diese klar zu bevorzugen und das Substi­tut „Ärztliche Hausapotheke“ hat seine Daseinsberechtigung an diesem Standort verloren.

Mag. Gerald Loacker, Gesundheitssprecher der NEOS

  1. Wer Innovation und Weiterentwicklung des Gesundheitssystems ohne Klientelpolitik will, ist bei uns definitiv am besten aufgehoben.
  2. In erster Linie wollen wir eine stärkere niedergelassene Versorgung, wobei wir die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen niedergelassenen Gesundheitsberufen stärken (Primärversorgung) und das Wissen der einzlenen Gesundheitsberufe besser nutzen wollen. Außerdem wollen wir die Wahlfreiheiten der Versicherten ausbauen (freie Kassenwahl bei Mehrfachversicherung, freiwillige Einschreibmodelle, freiwillige Selbstbehalt-Modelle mit Gesundheitszielen nach SVA-Vorbild für alle Kassen). Der Ausbau von strukturierter Versorgung bei chronisch Kranken ist ein weiteres großes Ziel. Derzeit sind beispielsweise nur 10 % der Diabetiker in einem DMP, in England sind es 90 %.
  3. Das Versorgungspotenzial des niedergelassenen Bereichs wird immer noch zu wenig genutzt und stattdessen kleingehalten. Aber auch was die Zusammenarbeit in Netzwerken betrifft, gibt es bei der Infrastruktur (IT, Digitalisierung) noch viele Möglichkeiten. Riesiges Potenzial gibt es (wie bereits erwähnt) bei der strukturierten Versorgung von chronisch Kranken, wobei sich hier sämtliche Gesundheitsberufe durch spezielle Beratungsangebote einbringen können.
  4. Ein interessantes Thema, das mit allen Beteiligten disktuiert werden sollte, da es hierfür einen breiten Konsens braucht. Wir sehen das Potenzial und das Wissen der nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe wie Apotheker derzeit noch zu wenig genutzt. Auf jeden Fall wären diesbezüglich haftungsrechtliche Fragen zu klären.
  5. Grundsätzlich ist ein „One-Stop-Shop“ zu begrüßen. Zurzeit dienen Hausapotheken aber zu oft als Einkommensersatz für unterbepreiste Honorarkataloge. Hier wünschen wir uns, dass die Einkommen der niedergelassenen Ärzte künftig wieder zu einem größeren Teil über die Honorarkataloge kommen, um Fehlanreize zu vermeiden.

 

Nadja Helmy,  Nationalratskandidatin JETZT – Liste Pilz

  1. Weil am Ende des Tages jede Entscheidung im medizinischen Bereich zum Wohle der BürgerInnen und Bürger getroffen werden muss und nicht im Sinne von Parteikalkül und Parteitaktik.
  2. ▶Ein Mehr an Studienplätzen für Studierende, die im Anschluss ihre Tätigkeit auch in Österreich ausüben. Damit einhergehend natürlich eine Verbesserung der Ausbildungsqualität, aber auch der Rahmenbedingungen für Jungärzte für einen attraktiven Berufseinstieg (Möglichkeit von Gruppenpraxen und neuen Job-Sharing-Modellen im niedergelassenen Bereich). Stopp der Abwanderung von Kas­senärzten ins Wahlarztsystem durch bessere Kassenverträge.
    ▶ Einführung der Impfpflicht für hochansteckende Infektionskrankheiten wie Masern.
    ▶ Freigabe von Cannabis in der Medizin.
  3. ▶ Nachwuchsfrage hinsichtlich Kassenärzten: Es bedarf einer Attraktivierung von Kassenstellen, vor allem im ländlichen Bereich (Bezahlung, Bürokratieabbau für Kassenärzte und neue interessante Angebote für junge ÄrztInnen).
    ▶ Nacht- und Bereitschaftsdienste: Die für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung so wichtigen, aber für Apotheken
    unrentablen Nacht- und Bereitschaftsdienste müssen von der öffentlichen Hand finanziell unterstützt werden.
  4. Aut idem ist jetzt schon verbreitete Praxis und wird von den meisten Patienten geschätzt. Zudem ist es so möglich, ein Generikum, also ein wirkstoffgleiches, aber preisgünstigeres Präparat an den Patienten abzugeben, was für diesen somit eine große Verbesserung bedeutet und daher auch von uns unterstützt wird.
  5. Diese haben da ihre Berechtigung, wo keine öffentlichen Apotheken in zumutbarer Entfernung sind. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung im ländlichen und im urbanen Raum muss sicher­gestellt und die Erreichung (Konzept der Filialapotheke wäre hier breit wünschenswert) auch für weniger mobile, oft ältere und kranke Menschen gut gegeben sein.

Mag. Werner Kogler, Bundessprecher der Grünen

  1. Die Grünen haben als einzige Partei ein Konzept, das die Lösung der drängendsten Probleme dieser Generation (Klimawandel, Digitalisierung) mit Erhalt und Ausbau der sozialen Sicherheit und den Ausbau des solidarischen Gesundheitssystems verbindet.
  2. ▶Eine ökosoziale Steuerreform und wirksame Schritte gegen die Folgen der menschengemachten Klimaerwärmung
    ▶ Stärkung des sozialen Ausgleichs insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel und die Digitalisierung der Gesellschaft
    ▶ Stärkung des demokratischen Rechtsstaats und Ausbau der Kontrollrechte zur Verhinderung von Korruption
  3. ▶ Die Stärkung der Primärversorgung
    ▶Das Schließen von bestehenden Versorgungslücken regionaler sowie fachlicher Art
    ▶ Die Verbesserung der Kom­munikation und Kooperation zwischen den Gesundheitsberufen sowie zwischen Gesundheitsberufen und PatientInnen
  4. Derzeit keine dringende Notwendigkeit, aber eine Möglichkeit
  5. Grundsätzlich soll ärztliche Tätigkeit alleine zu einem ausreichenden Einkommen führen, ärztliche Haus­apotheken somit eine Ausnahme sein. In Regionen mit strukturellen Nachteilen meinen wir, dass Nachteile durch zusätzliche Mittel und Angebote, die vom Bund und den Ländern zu finanzieren sind, auszugleichen sind und nicht primär durch zusätzliche nichtärztliche Funktionen der ÄrztInnen. Es ist uns aber klar, dass es auch Situationen gibt, in denen hausärztliche Apotheken unerlässlich sind, um die Versorgung aufrechtzuerhalten.