12. Juni 2024Die Gesichter Seltener Erkrankungen – Teil 28

Prionenerkrankungen: Creutzfeldt-Jakob & Co.

Die Diagnose von Prionenerkrankungen kann eine Herausforderung sein, vererbbare Varianten lassen sich oft nur durch Gentests feststellen.

Ein Prion, ein Protein, das normale Proteine im Gehirn dazu bringen kann, sich abnormal zu falten.
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Prionenerkrankungen ist ein Überbegriff für sehr seltene neurodegenerative Krankheitsformen, die sowohl Menschen als auch Tiere betreffen können. Die bekanntesten Formen sind die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK), die Fatal Familial Insomnia (FFI) und das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSSS). Diese Erkrankungen schreiten zumeist sehr schnell voran und enden immer tödlich.

Alle Formen stellen Betroffene und deren Angehörige vor schier unbewältigbare Herausforderungen. Bei den Erkrankten lässt die Konzentration nach, das Gleichgewichtsgefühl wird immer schlechter, kognitive Fähigkeiten gehen immer mehr verloren, bis sich die Persönlichkeit ganz verändert. Für die Angehörigen ist es oft sehr schwierig, diese Veränderungen richtig einzuordnen und zuschauen zu müssen, wie schnell die Krankheit voranschreitet. Für die Medizin besteht die Herausforderung darin, die Zeichen richtig zu deuten und entsprechend schnell Untersuchungen einzuleiten, die den Verdacht bestätigen.

Creutzfeldt-Jakob Krankheit – Zeit ist knapp und kostbar

In den allermeisten Fällen sind es Angehörige, die manchmal auch plötzlich auftretende Veränderungen bei Betroffenen wahrnehmen. Valerie, Mitbegründerin der Selbsthilfegruppe Angehörige für Angehörige, berichtet von ihrem Vater, der mit 82 Jahren noch voll im Leben stand, dass sie Unsicherheiten im Gang bei ihm festgestellt hat, die zu Beginn nur nahen Angehörigen auffielen. Es folgte eine kurze Zeit der Verleugnung mit Ausreden für kleine Fehlverhalten, bis schließlich ein Termin bei einem Neurologen vereinbart wurde. Das Tückische an Prionenerkrankungen ist, dass die Symptomatik zu Beginn einer Demenz oder manchmal auch einer Parkinsonerkrankung sehr ähnlich ist. Aber der Verlauf ist deutlich schneller. Valerie und ihre Mutter blieben skeptisch und stellten den Mann nach einer neuerlichen Episode im Krankenhaus vor. Hier wurde dann innerhalb einer Woche die Diagnose CJK gestellt. Valeries Vater verstarb wenige Wochen nach der Diagnose, noch vor dem vereinbarten ambulanten Neurologentermin.

Die rasche Diagnose wurde von Unwissenheit um die Erkrankung und Angst vor Infektion überschattet. So musste Valerie von einem Tag auf den anderen in medizinischer Infektionsschutzkleidung ihren Vater im Einzelzimmer besuchen und ihm erklären, warum diese Maßnahme notwendig ist. Um anderen Angehörigen und auch Betroffenen solche und ähnlich unschöne Situationen zu ersparen und sie mit ihrem Erfahrungswissen zu begleiten, engagiert sie sich nun in der neugegründeten Selbsthilfegruppe.

Gerstmann-Sträussler-Scheinker Syndrom schleicht sich langsamer ins Leben

Sophie (Name von der Red. geändert) war ein kleines Mädchen, als ihr auffiel, dass ihre Mutter immer wieder Dinge vergaß, sie beispielsweise nicht vom Schulbus abholte, oder nicht in der Lage war, ein Mittagessen fertig zuzubereiten. Parallel dazu hatte ihr Vater Unsicherheiten im Gang der Mutter wahrgenommen. Bei einem niedergelassenen Neurologen und in Folge auch in einem Krankenhaus wurde zunächst Parkinson diagnostiziert. Aufgrund der hartnäckigen Zweifel des Vaters, selbst Psychotherapeut, an dieser Diagnose, wurden weitere Untersuchungen und letztendlich auch ein Gentest veranlasst, der ein GSS-Syndrom bestätigte. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Mutter nicht mehr zuhause wohnen und musste noch über 3 Jahre im Pflegeheim und zuletzt in einer Klinik betreut werden. Sophie war 10 Jahre alt, als ihre Mutter starb. Heute ist Sophie erwachsen und, wie Valerie, in der Selbsthilfe engagiert. Es ist ihr ein Anliegen, anderen Angehörigen in diesen schwierigen Situationen, die wegen der möglichen Vererbbarkeit vielleicht auch das eigene Leben betreffen, mit Erfahrungs- und Fachwissen zur Seite zu stehen.

Eine genetische Testung kann Klarheit bringen

Der langsamere Krankheitsverlauf und das häufig jüngere Alter erschweren die Diagnose, die nur über einen Gentest gestellt werden kann. Eine klare Familienanamnese kann Hinweise geben und eine prädiktive Testung ist nach dem 18. Lebensjahr möglich. Vor einer genetischen Testung ist bestmögliche Information und Aufklärung sehr wichtig. Die Vererbung (autosomal, dominant) liegt bei 50%. Die Entscheidung für oder gegen einen Gentest sollte sorgfältig abgewogen und mögliche Konsequenzen in Betracht gezogen werden. In Österreich ist eine genetische Testung rechtlich sehr gut abgesichert. Austausch und Informationen zum Thema bietet die Gruppe Angehörige für Angehörige.

Angehörige für Angehörige

Priv.-Doz. Dr. Ellen Gelpi, Leiterin des Österreichischen Referenzzentrums zur Erfassung und Dokumentation menschlicher Prionen-Erkrankungen (ÖRPE), hat gemeinsam mit Valerie und Sophie die Selbsthilfegruppe gegründet, um Angehörigen von Betroffenen mit CJK und anderen Prionenerkrankungen eine Anlaufstelle zu bieten. Es wird nicht nur Erfahrungswissen geteilt, sondern es werden auch Informationen zu Studien, Fortbildungen und Tipps zum Umgang mit Betroffenen ausgetauscht. Vor allem aber finden Angehörige hier Menschen, die um ihre Situation wissen und ihnen mitfühlend zur Seite stehen. 

Hört auf die Angehörigen!

Durch die unklaren Symptome zu Beginn der Erkrankung, die sich auch bei vielen anderen Erkrankungen zeigen, ist die Diagnose einer CJK oft schwierig. Bei den genetischen Formen wie GSS wird es durch den langsameren Verlauf noch schwieriger, diese von anderen neurodegenerativen Krankheiten abzugrenzen. Die Fatal Familiar Insomnia (FFI) kann fast ausschließlich über eine genetische Untersuchung nach Familienanamnese festgestellt werden. Daher plädieren Valerie, Sophie und auch Gelpi an alle Ärztinnen und Ärzte, denen Menschen vorgestellt werden, die sich plötzlich anders verhalten: Hören Sie den Angehörigen genau zu! Nehmen Sie Schilderungen einzelner ungewöhnlicher Begebenheiten ernst und machen Sie lieber einmal zu viel Diagnostik als einmal zu wenig.

Faktencheck: Prionenerkrankungen

Ein Prion ist ein fehlgefaltetes Eiweißmolekül, das von körpereigenen Enzymen nicht abgebaut werden kann und die Fähigkeit hat, die gesunde Form des Moleküls fehlzufalten und sich somit ohne nachweisbare Nukleinsäure zu vermehren. Es kommt zu neurodegenerativen Veränderungen im Gehirn, die zu Gedächtnis- und Bewegungsstörungen führen. Prionenerkrankungen sind zurzeit nicht ursächlich behandelbar und führen unweigerlich zum Tod.

Die bekanntesten Formen sind die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK), die letale familiäre Insomnie (Fatal Familial Insomnia, FFI) und das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSSS, GSS). Sie treten meist im Erwachsenenalter sporadisch auf, können aber auch familiär vererbt oder erworben werden.

Sie gelten als äußerst seltene Erkrankungen, man geht von 1–2 Personen auf 1 Million Einwohner pro Jahr weltweit aus. In Österreich erkranken etwa 15–18 Menschen pro Jahr, die alle über das Österreichische Referenzzentrum zur Erfassung und Dokumentation menschlicher Prionen-Erkrankungen (ÖRPE) erfasst und betreut werden. Prionenerkrankungen sind meldepflichtig.

Die 3 bekanntesten Prionenerkrankungen

Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) ist die am häufigsten auftretende Prionenerkrankung. Bei 80–90% der betroffenen Menschen tritt sie sporadisch und spontan, wie beispielsweise eine Alzheimer- oder Parkinsonerkrankung, auf. Typisch für diese Erkrankung sind Bewegungsstörungen, Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, Persönlichkeitsveränderungen und kognitive Einbußen. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei etwa 64 Jahren und die durchschnittliche Krankheitsdauer beträgt ca. 4–6 Monate.

Weniger als 1% der CJK werden durch Übertragung ausgelöst. Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat gemeinsam mit dem Österreichischen Referenzzentrum zur Erfassung und Dokumentation menschlicher Prionen-Erkrankungen hat Richtlinien für den Schutz vor einer Übertragung der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit bei invasiven Eingriffen herausgegeben.

Genetisch bedingt ist das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSSS, GSS), das sich klinisch anders verhält. Hier liegt das durchschnittliche Erkrankungsalter zwischen 50 und 60 Jahren und der Verlauf ist langsamer fortschreitend. Über Monate bis Jahre treten Gang- und Gleichgewichtsstörungen auf, im späteren Verlauf kommt es zu kognitiven Einbußen bis hin zur Demenz. Die durchschnittliche Krankheitsdauer beträgt etwa 5–6 Jahre.

Die Fatal Familial Insomnia (FFI) oder letale familiäre Schlaflosigkeit ist ebenso erblich bedingt. Betroffene zeigen Störungen im Schlaf-Wach-Rhythmus, die gemeinsam mit Hitzewallungen, Schwitzen, Blutdruckschwankungen, Gewichtsverlust sowie Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen auftreten. Diese Form kann zwischen dem 20. und 80. Lebensjahr auftreten, die durchschnittliche Krankheitsdauer liegt bei etwa 1,5 Jahren.

Diagnose

Neben den klinischen Symptomen sind ein EEG, eine Liquoruntersuchung und ein MRT bewährte Methoden. Bei den genetischen Krankheitsformen ist ein Mutationsnachweis im Erbgut notwendig.

Quelle: Priv.-Doz. Dr. Ellen Gelpi

Weitere Informationen: Österreichisches Referenzzentrum zur Erfassung und Dokumentation menschlicher Prionen-Erkrankungen, Leiterinnen: Univ.-Prof. Dr. Romana Höftberger, Priv.-Doz. Dr. Ellen Gelpi, Kontakt: oerpe@kin.at
Angehörige für Angehörige von Betroffenen mit Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und anderen Prionen-Erkrankungen, Kontakt: valerie.sindelar@hotmail.com