Österreichische Schmerzgesellschaft fordert Rechtsanspruch auf ärztliche Zweitmeinung
Mehr Patientensicherheit, weniger medizinische Fehleinschätzungen oder unnötige Eingriffe: Im Zweifelsfall wäre eine zweite ärztliche Meinung oft ein Gewinn und kann Geld und Ressourcen sparen. Doch noch gibt es keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Zweitmeinung in Österreich. Die Österreichische Schmerzgesellschaft (ÖSG) möchte dies gerne ändern.
Besteht Unklarheit in Bezug auf eine Diagnose oder soll die Einschätzung des behandelnden Arztes zur Sicherheit noch einmal bestätigt werden, können Patienten bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) einen Antrag auf Zweitmeinung stellen und argumentieren, warum sie diese für notwendig erachten. Anders als etwa in Deutschland, haben sie aber keinen Rechtsanspruch darauf. Wird der Antrag abgelehnt, müssen die Patienten die ärztliche Leistung aus eigener Tasche bezahlen. „Die Österreichische Schmerzgesellschaft möchte das ändern – wie viele andere medizinische Fachgesellschaften auch. Wenn sich Patienten hinsichtlich Diagnose oder Therapieempfehlung nicht sicher sind, sollten sie das Recht auf eine Zweitmeinung haben“, sagt OÄ Dr. Waltraud Stromer, Präsidentin der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG), anlässlich der 21. Österreichischen Schmerzwochen der ÖSG. „Vier Augen sehen aber mehr als zwei. Bei Unklarheiten eine zweite Meinung einzuholen, ist durchaus auch im Interesse der behandelnden Ärzte und kein Zeichen von Inkompetenz oder Unsicherheit. In bestimmten Fällen empfehlen gute Ärzte von sich aus eine Zweitmeinung“, sagt Stromer. Die ÖSG-Präsidentin ist überzeugt, dass eine zweite Meinung von den Patienten geschätzt wird, weil sie das Sicherheitsgefühl erhöht, die bestmögliche Behandlung zu bekommen.
Zweitmeinung hat Einsparpotenzial
Ein weiteres Argument für die Zweitmeinung ist, dass damit Ressourcen und Geld eingespart werden können. So zeigte etwa eine Studie aus Deutschland, dass Wirbelsäulen-Operationen zwar innerhalb von zehn Jahren um 71 Prozent zugenommen haben, jedoch sehr oft medizinisch nicht erforderlich sind. Im Zuge der Studie wurden mit einem Zweitmeinungsverfahren OP-Indikation und konservative Therapiealternativen überprüft. Dabei wurde nur bei 7,7 Prozent der Fälle die Notwendigkeit der OP bestätigt. Bei rund 45 Prozent der Patienten wurde alternativ eine besondere Versorgung im Rahmen eines ambulanten multimodalen Intensivprogramms empfohlen, bei beinahe der Hälfte der Betroffenen die Fortführung der Behandlung als ausreichend angesehen. In neun von zehn Fällen war die Absage einer kosten- und ressourcenintensiven Operation endgültig und die OP musste nicht nachgeholt werden.