14. Feb. 2024Hotspots in Tirol und Wien

Über 80 Masernfälle in Österreich

Die AGES-Statistik weist bis vorige Woche 75 bestätigte Masernfälle in 6 Bundesländern auf, davon je ein Drittel in Tirol und Wien. Nun meldeten auch Salzburg und Vorarlberg erste bestätigte Fälle. In Europa gibt es laut ECDC fast 2.000 Verdachtsfälle, davon mehr als 1.700 in Rumänien mit bereits 3 neuen Todesfällen.

Impfausweis mit Spritze - Masern
Zerbor/AdobeStock

Am Dienstagnachmittag, 13.2.2024, aktualisierte die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) die Masern-Daten1 für Österreich: Demnach finden bereits 75 bestätigte Fälle im epidemiologischen Meldesystem (EMS). Die AGES geht davon aus, dass die Fallzahlen weiter ansteigen werden.

Die meisten Fälle verzeichnet derzeit Tirol mit 27 (+16), gefolgt von Wien (25/+1), Niederösterreich (9), Burgenland (6), der Steiermark (5/+3) und Oberösterreich (3).

In der Realität sind es jedoch schon wesentlich mehr, wie ein Blick in die Bundesländer zeigt. In der Steiermark gibt es bereits 8 bestätigte Fälle, dazu kommen 14 Verdachtsfälle, am Montag war noch von 7 Verdachtsfällen die Rede. Ein Kind müsse am LKH Graz behandelt werden. In Niederösterreich sind es laut Landessanitätsdirektion (Stand 14.2.2024) bereits 11 bestätigte Masernfälle.

In Salzburg ein Kind hospitalisiert

Am Dienstag berichtete auch Salzburg vom ersten bestätigten Fall: Ein 6-Jähriger sei in die Kinderklinik gebracht worden, wird der Leiter des Gesundheitsamtes, Dr. Rainer Pusch, in einem "ORF-Bericht" zitiert. Auch der 1-jährige Bruder des Buben habe mittlerweile Fieber. Bereits vor 4 Tagen meldete das Land Vorarlberg einen bestätigten Masernfall, auch dieser ist noch nicht in der AGES-Statistik enthalten. VP-Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher, MBA, MSc, ruft dringend zur Impfung auf.

Somit gibt es aktuell in Österreich bereits mindestens 82 bestätigte Masernfälle in 8 Bundesländern, nur Kärnten ist bisher noch nicht betroffen. Gemeldet (nicht bestätigt) wurden seit Jahresanfang laut APA sogar „schon mehr als 100 Masernfälle“. Zum Vergleich: Im Vorjahr gab es bis zum 22. Februar bundesweit 25 bestätigte Fälle, davon 22 in der Steiermark (siehe medonline-Bericht). Im gesamten Jahr 2023 kletterten die Zahlen auf 186 bestätigte Masernerkrankungen, davon 105 in der Steiermark und 60 in Wien.2

Österreich schon wieder auf Platz 2

Im europäischen Vergleich (EU27 plus Norwegen und Island) lag Österreich damit auf dem unrühmlichen 2. Platz, wie der Infektionsatlas3 des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) zeigt. Wenn auch mit großem Abstand zum Spitzenreiter Rumänien (19 Mio. EW) mit 1.078 bestätigten Fällen (gemeldete Fälle: 1.755). Diese Zahlen dürften jedoch heuer bei Weitem überschritten werden – und Österreich ist derzeit schon wieder Nummer 2.

Der ECDC-Report4 der KW6 (4.–10. Februar) berichtet, dass es laut den am 5. und 6. Februar gesammelten Daten aus öffentlichen und medialen Quellen 1.861 neue Verdachts- oder bestätigte Fälle gibt: Österreich (27), Estland (1), Deutschland (18), Griechenland (3), Ungarn (6), Island (1), Irland (1 Todesfall), Italien (59, davon 32 noch 2023 und 27 im neuen Jahr), Portugal (6) und Rumänien (1.737 seit 07.01.2024, davon 3 Todesfälle).

Ausbruch in Rumänien: 6 Todesfälle, davon 4 Kinder

Ein Update der Ende 2023 ausgebrochenen Masern-Epidemie in Rumänien (siehe auch euractiv.de-Bericht, 07.12.2023) weist laut ECDC 4.679 bestätigte Fälle bis zum 6.2.2024 auf, darunter 6 Todesfälle. Von diesen waren 4 Kinder, die noch nicht geimpft werden konnten, 2 davon mit Grunderkrankungen, und 2 Erwachsene im Alter von 20–35 Jahren mit Grunderkrankungen. Zu Österreich merkt der ECDC-Report an, dass 22 der 27 bis 2. Februar gemeldeten Fälle in KW 4 und 5 auftraten.

„Die Lage ist dramatisch“, betonte Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Lukas Weseslindtner, Leiter des nationalen Referenzlabors für Masern, Mumps und Röteln der MedUni Wien, zuerst gegenüber Ö1 (12.2.2024). Schon letztes Jahr sei Österreich mit Rumänien zusammen Spitzenreiter gewesen, heuer schaue es nicht wesentlich besser aus.

Impfappell, um Babys zu schützen

Dabei könnte mit entsprechend hohen Durchimpfungsraten – 95% der Bevölkerung (2 Impfungen ab dem vollendeten 9. Lebensmonat) – das Masernvirus ausgerottet werden. Derzeit seien aber nur rund 80–90% der Kleinkinder geimpft. Von den unter 10-Jährigen verfügen laut Weseslindtner rund 30.000 über keinen ausreichenden Impfschutz. Er appelliert an alle, auch an Erwachsene, die nicht oder nur einmal geimpft sind, sich impfen zu lassen – nicht zuletzt, um Babys bis 9 Monate zu schützen.

Auch das Gesundheitsministerium (BMSGPK) ruft zur Impfung auf. Denn bei 20 von 100 Masernfällen treten Komplikationen wie Bronchitis, Mittelohr- und Lungenentzündung auf. Bei etwa 1 von 1.000 Erkrankten kommt es zu einer lebensbedrohlichen Gehirnentzündung. Sehr selten könne Jahre später ein „Gehirnzerfall“ auftreten, der immer tödlich verlaufe (subakute sklerosierende Panenzephalitis, SSPE). In Ausbruchssituationen kann laut BMSGPK die MMR-Impfung bereits ab dem vollendeten 6. Lebensmonat (in Ausnahmefällen, abweichend von der Fachinformation) erfolgen. In diesem Fall werden 3 Impfungen empfohlen.5

Wie viele Personen der Gesamtbevölkerung Österreichs ausreichend gegen Masern geimpft sind, lässt sich nicht einfach beantworten. Zuletzt sei die Zahl der abgerufenen Kombinationsimpfungen gegen MMR seit 2020 gesunken. Das ergab eine schriftliche Anfrage der NEOS-Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler an Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), wie die APA berichtet. Zudem könne es sein, dass die Zahl der abgerufenen Dosen nicht der Zahl der verabreichten Impfungen entspreche. Denn es gebe keine Eintragungspflicht für die MMR-Impfung.

Laut ECDC: 94% Impfquote in Österreich

Im ECDC-Atlas der Infektionskrankheiten wird bemerkenswerterweise die Durchimpfungsrate (2 Impfungen) in Österreich für das Jahr 2022 mit 94% (sic!) angegeben. Auch die meisten anderen europäischen Länder weisen eine Impfquote von >90% aus. Die zur Masernvirus-Ausrottung erforderlichen 95% geben jedoch nur Polen (95%), Portugal und Slowakei (96%) und Ungarn (99%) an.

Impfquoten zwischen 75–84% werden von Belgien, Griechenland und Island angegeben. Keine Daten gibt es zu Irland. 85–89% Durchimpfungsrate weisen Bulgarien, Zypern, Italien, Litauen, Lettland und die Niederlande auf. Der Schnitt der EU27 plus Norwegen und Island beträgt 89,7%. Rumänien liegt an vorletzter Stelle mit 71%, die geringste Masern-Impfquote hat Estland mit nur 68%.