11. Jän. 2024Arzneimittelversorgung

Paxlovid-Streit beigelegt, offene Fragen bei Privatrezepten

Das Zerwürfnis zwischen Apothekerkammer und Gesundheitsministerium um den Engpass des Covid-Medikaments Paxlovid ist beigelegt. Allerdings bleiben Fragen offen, z.B. nach dem laut Österreichischer Gesundheitskasse (ÖGK) „eher hohen“ Anteil an gratis eingelösten Privatrezepten auf Kosten des Steuerzahlers.

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Milos/AdobeStock

Noch zu Neujahr war in manchen Medien (wie dem ORF und der „Kronen Zeitung“) von 20.000 „spurlos“ verschwundenen Paxlovid-Packungen die Rede. medonline machte sich auf die Spur der Sache und erfuhr von der Apothekerkammer, dass es sich hierbei um alte Zahlen bis Ende November/Anfang Dezember 2023 handelte – am Höhepunkt des Versorgungsengpasses mit Paxlovid und in einer Zeit, wo alleine in der ersten Adventwoche rund 42.000 Menschen wegen einer CoV-Erkrankung im Krankenstand waren.

Die Zahl der eingelösten Rezepte hatte die Apothekerkammer in einer Aussendung am 12.12.2023 offengelegt und sich damit gegen die Kritik von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) gewehrt, die Packungen seien „vom Erdboden verschwunden“. Im Gegenteil: Es gebe in Österreich einfach zu wenige Packungen. Insgesamt hat der Bund 180.000 Packungen auf Kosten der Steuerzahler beschafft.

Abgabe durch ärztliche Hausapotheken „unklar“

Davon wurden zwischen März 2022 und Ende November 2023 insgesamt 123.000 Packungen an die öffentlichen Apotheken ausgeliefert. Die restlichen 57.000 Packungen gingen an Krankenhäuser und die ärztlichen Hausapotheken. Wie viele dieser Packungen an wen abgegeben worden und wie viele noch verfügbar sind, sei unklar, spielt die Apothekerkammer den Ball zurück, bevor sie ihre eigenen Zahlen offenlegte.

Demnach wurden von den 123.000 an die öffentlichen Apotheken ausgelieferten Packungen 90.000 bis Ende November 2023 auf Kassenrezept abgegeben (exklusive 37 Apotheken, von denen noch die Abrechnungszahlen gefehlt hatten). 15.000 Packungen gingen via Privatrezept über die Tara, u.a. „an Touristen, Ärzte, Lehrer, Beamte, Rechtsanwälte, Gemeindebedienstete etc.“.

Der Rest: Rund 4.600 Packungen wurden wegen abgelaufener Haltbarkeit fachgerecht entsorgt (bevor diese auf EU-Ebene verlängert wurde). Im Dezember haben die Apotheken nach Hochrechnungen rund 8.000 Packungen über Kassen- und Privatrezepte abgegeben. Fehlen noch etwa 2.000 Packungen: Diese soll eine einzelne Apotheke veruntreut haben, weswegen die Apothekerkammer im Vorjahr, am 16.1.2023, unverzüglich eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft eingebracht hat.

Apothekerkammer: „Informationsfluss funktioniert bestens“

Das Gesundheitsministerium (BMSGPK) hat am 13.12.2023 die Nachbestellung von insgesamt 18.000 Packungen verkündet – also knapp jene Menge, die als „spurlos“ verschwunden deklariert worden war. 2 Tage später kamen die ersten Tranchen an, wobei man laut Ministerium bereits in den Tagen zuvor die Apotheken weitgehend aus Beständen von Krankenhäusern versorgen konnte. Außerdem habe die Apothekerkammer ein neues Monitoring zugesagt, das Engpässe für die Zukunft verhindern soll.

Dieses Monitoring der kostenlos (ohne Rezeptgebühr) abgegebenen Paxlovid-Packungen dürfte installiert sein. „Der Informationsfluss wurde optimiert und funktioniert jetzt bestens“, informiert die Apothekerkammer. Was die Dezember-Zahlen der Kassen- und Privatrezepte anbelangt, würden noch keine Abrechnungszahlen vorliegen. Jedoch: „Sämtliches verfügbares Datenmaterial wurde von der Apothekerkammer zu jedem Zeitpunkt an den Bund weitergegeben.“

Dabei sei zu beachten, dass die Apotheken ihre Abrechnungen jeweils bis zum 15. des darauffolgenden Monats bei der Pharmazeutischen Gehaltskasse einreichen müssen: „Die vollständigen Abrechnungszahlen inklusive Dezember sind daher erst im Laufe des Jänners verfügbar.“ Was die eingelösten Privatrezepte betrifft: Deren Anzahl lasse sich mangels Rechtsgrundlage nicht zentral dokumentieren. Darüber hinaus würden sie den Patientinnen und Patienten zur etwaigen Weiterverwendung wieder mitgegeben.

Paxlovid auf Vorrat abgegeben?

Ob bei den 15.000 Privatrezepten bis Ende November auch – unerlaubterweise – welche auf Vorrat verschrieben und eingelöst wurden, könnten Apotheken nicht überprüfen, das sei nicht ihre Aufgabe. „Die Verschreibung von Arzneimitteln obliegt ausschließlich der Ärzteschaft. Sie tut dies in eigener Verantwortung.“ Die Apotheken müssen das verschriebene Medikament an die relevante Person abgeben: „Ob ein Medikament auf Vorrat verschrieben wird und aus welchem Grund, ist für die Apothekerschaft nicht feststellbar.“

Zur mutmaßlichen Veruntreuung von 2.000 Packungen informiert die Apothekerkammer: „Es handelt sich um ein laufendes Verfahren innerhalb der Strafjustiz, zu dem wir keine Angaben machen (dürfen).“ Generell hält die Kammer zu dieser Causa fest: „Im Aufsichtsbereich der Apothekerkammer wurde eine Disziplinaranzeige beim Disziplinarrat eingebracht. Es geht um strafrechtlich relevante Vorwürfe, deren Verfolgung in die Zuständigkeit der Justiz fällt.“

BMGSPK und Ärztekammer: Versorgung gesichert

Das Gesundheitsministerium bestätigt ebenfalls, dass man „in regelmäßigem Austausch“ mit der Apothekerkammer sei, „die Versorgung ist gesichert“. Die angeforderten Belege für die abgegebenen Packungen seien aber noch nicht eingetroffen. Und auch die Ärztekammer für Wien, wo der Paxlovid-Mangel besonders evident und die Kritik am Ministerium entsprechend scharf war, berichtet: „Aktuell gibt es keine Versorgungslücken.“ Das hänge aber auch damit zusammen, dass es einen Rückgang der Covid-Erkrankungen gebe, dafür aber die Influenza-Welle angekommen sei.

In diesem Zusammenhang verweist die Ärztekammer auf eine aktuelle Aussendung, wonach es „keinesfalls eine zweite Causa Paxlovid“ geben dürfe. „Es braucht nun ausreichend antivirale Medikamente wie Tamiflu, um die Patientinnen und Patienten mit Influenza behandeln zu können und somit Krankenstandstage und Leid zu reduzieren“, betont Dr. Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin und Obfrau der Kurie der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer für Wien.

Ärztekammer befürchtet wieder Engpass – bei Influenzamedikament

Und erneut setzt es Schelte für den Gesundheitsminister: Er sei auch auf die Influenza-Welle nicht vorbereitet, die bundesweite Impfkampagne habe sich als Flop entpuppt. Bei der kostenlosen Influenza-Impfung habe es sich um eine Mogelpackung gehandelt, Stichwort Selbstbehalt und mangelhafte Logistik des Impfstoffes. Neben einer Sicherung der Versorgung mit wichtigen Medikamenten fordert Kamaleyan-Schmied Influenza-Tests auf Kassenleistung.

ÖGK: Paxlovid-Erstattung nur nach positivem Test bei Risikopersonen

Zurück zu Paxlovid: Ab dem 1. Februar 2024 übernimmt die Sozialversicherung. Das heißt, es ist die Rezeptgebühr zu zahlen und bei Privatrezepten die vollen Kosten von bis zu 900 Euro pro Packung, informiert Andreas Huss, Arbeitnehmer-Vertreter in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Das sei der Marktpreis. Und auch wenn die ÖGK günstigere Preise verhandelt habe: Der Sozialversicherung werde die Erstattung von Paxlovid-Kassenrezepten 45 Millionen Euro jährlich kosten, der Gesetzgeber habe sich da „abgeputzt“.

Den Privatanteil von rund 14% bis Ende November (90.000 Kassenrezepte und 15.000 Privatrezepte) hält Huss für „eher hoch“. Privatrezepte beträfen die ÖGK zwar nicht, aber man werde überprüfen, ob Kassenrezepte wie vorgesehen nur nach positivem Test bei Risikopersonen verschrieben werden – auch bei ärztlichen Hausapotheken.