8. Dez. 2025Evidenz für die Allgemeinmedizin

Warum Gesundheitschecks so beliebt sind

Eine qualitative Evidenzsynthese von Cochrane Österreich zeigt, dass allgemeine Gesundheitschecks von Nutzer:innen und Anbieter:innen aus verschiedensten Gründen geschätzt werden. Psychosoziale Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle.

Arzt und Patient beim Gesundheitscheck
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Gesundheitschecks werden unter anderem als wertvolle Gelegenheit gesehen, um mit Patientinnen und Patienten über Lebensstil und Gesundheitsverhalten ins Gespräch zu kommen.

Gesundheitschecks für symptomfreie Erwachsene sind in vielen Ländern Teil des Standardangebots der Prävention. Diese Screenings sollen beispielsweise die Sterblichkeit senken oder kardiovaskuläre Ereignisse verhindern.

Doch die Wirksamkeit wird durchaus in Frage gestellt: Ein viel beachteter, wenngleich durchaus kontrovers diskutierter Cochrane-Review (Krogsbøll 2019) kam zu dem Schluss, dass die so genannten „Gesundenuntersuchungen“ ihre Versprechen nicht erfüllen.

Ursachenforschung

Vor diesem Hintergrund hat ein achtköpfiges Team um Isolde Sommer von Cochrane Österreich (Universität für Weiterbildung Krems) untersucht, warum allgemeine Gesundheitschecks verbreitet und beliebt sind bzw. aus welchen Gründen sie abgelehnt werden – von Klient:innen, Anbieter:innen und Entscheidungsträger:innen. Dabei ging es auch darum, welche Werte, Erfahrungen oder Bedürfnisse hinter diesen Haltungen stehen.

Im Rahmen einer umfassenden qualitativen Evidenzsynthese (QES) sichtete das Team insgesamt 146 Studien und wählte 36 gezielt aus, um eine breite Vielfalt an Regionen, Personengruppen und Settings berücksichtigen zu können. Die qualitativen Daten dieser Studien stammten überwiegend aus Interviews und Fokusgruppen.

Aus Fürsorge und Furcht

Die Ergebnisse* zeigen, dass Gesundheitschecks diverse Bedeutungen haben, die weit über bestimmte medizinische Ziele und wissenschaftliche Evidenz hinausgehen. Viele Menschen sehen die Gesundheitschecks offenbar als einen Akt der (Selbst-)Fürsorge. Sie verbinden damit ein Gefühl der Sicherheit – weil medizinischen Fachpersonen ihre Gesundheit „objektiv“ beurteilen.

Der Gesundheitscheck dient vielen als Motivation, um Lebensstiländerungen umzusetzen. Auch ein Verantwortungsgefühl gegenüber Familie oder Gesellschaft kann dazu führen, diese Leistung in Anspruch zu nehmen.

Gleichzeitig deutet die Analyse darauf hin, dass Menschen Gesundheitschecks dann nicht in Anspruch nehmen, wenn sie kein Vertrauen zum Gesundheitspersonal haben, wenn sie Angst vor bestimmten Diagnosen haben oder wenn es an Zeit und einer guten Erreichbarkeit für die praktische Umsetzung mangelt.

Anlass für Begegnung

Ärzt:innen und andere Gesundheitsdienstleister:innen sehen in Gesundheitschecks eine wertvolle Gelegenheit, um mit ihren Patient:innen über Lebensstil und Gesundheitsverhalten ins Gespräch zu kommen. Damit kann man Gesundheitschecks als eine Form der Kontaktpflege und des Austauschs sehen. Das ist etwas, das im Praxisalltag oft zu kurz kommt. Besonders betont wurde die Bedeutung einer kultursensiblen Betreuung.

Bei der Durchführung allgemeiner Gesundheitschecks berichteten Anbieter:innen von verschiedenen Hindernissen, etwa Zeitmangel, Personalknappheit, technischen Problemen und komplexen Erstattungsverfahren. Einige sehen eine mögliche Verbesserung des Zugangs darin, Gesundheitschecks an leicht erreichbaren Orten wie Supermärkten oder Kirchen anzubieten.

Entscheidungsträger:innen aus der Politik hoben hervor, dass eine erfolgreiche Einführung und dauerhafte Etablierung von Gesundheitschecks nur in einem förderlichen politischen Umfeld und mit breiter Unterstützung verschiedener Akteur:innen gelingen kann.

Die vielen Seiten der Wirksamkeit

Die qualitative Evidenzsynthese von Cochrane Österreich verdeutlicht, dass allgemeine Gesundheitschecks nicht alleine aufgrund erwiesener klinischer Effekte bewertet und genutzt werden. Beliebtheit und Ablehnung erklären sich offenbar auch durch individuelle Zuschreibungen und gesellschaftliche Bedeutungen.

*) Dieser Artikel bietet nur einen ersten Einblick in die umfangreichen Ergebnisse. Alle Details finden sich im vollständigen Cochrane-Review:

Sommer I, Harlfinger J, Toromanova A, Affengruber L, Dobrescu A, Klerings I, Griebler U, Kien C. Stakeholders' perceptions and experiences of factors influencing the commissioning, delivery, and uptake of general health checks: a qualitative evidence synthesis. Cochrane Database Syst Rev. 2025 Mar 20;3(3):CD014796. doi: 10.1002/14651858.CD014796.pub2. PMID: 40110911; PMCID: PMC11924333.

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Cochrane Österreich

Cochrane Österreich ist die nationale Vertretung des internationalen Forschungsnetzwerks Cochrane, zu dem sich Gesundheitsfachleute aus über 130 Ländern zusammengeschlossen haben, um zuverlässige und unabhängige Evidenzsynthesen bereitzustellen. Cochrane Österreich wird vom Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds gefördert. Mehr Infos und Newsletter: www.cochrane.at