Jucken, Brennen und Schübe – was bei atopischer Dermatitis hilft
Atopische Dermatitis wird längst schon nicht mehr als Kinderkrankheit angesehen. Sie kann in jedem Alter auftreten. In der Praxis geht es oft um die richtige Basistherapie und darum, wann eine Eskalation eine intensivere Behandlung nötig macht. Dr. Maya Wolfensperger vom Stadtspital Zürich fasste bei einer Fortbildung den aktuellen Stand zur Pathogenese und Therapie zusammen.

„Die Neurodermitis betrifft alle – von den Jüngsten bis zu den Ältesten“, erinnerte Dr. Wolfensperger. Auch ältere Menschen bleiben nicht verschont. Bei Kindern tritt sie jedoch häufiger auf: 10–15% der Kinder sind betroffen, aber nur 3–8% der Erwachsenen.
Der Begriff „Neurodermitis“ ist irreführend, da er eine rein neurogene Ursache suggeriert, und somit stressbedingt sei. "Das ist sie nicht“, stellt die Expertin klar. Korrekt ist der Begriff „atopische Dermatitis“ (AD) oder „atopisches Ekzem“. Das beschreibt die chronisch-entzündliche, nicht infektiöse Hauterkrankung besser.
Die Diagnose des atopischen Ekzems erfolgt im Prinzip klinisch. Typisch sind entzündliche Läsionen in großen Beugen, am Hals, an Händen oder Füßen, begleitet von starker Trockenheit und Juckreiz. Akut zeigt sich AD durch Rötung und Bläschen, chronisch durch Rötung, Schuppung und schließlich Lichenifikation. Bei „Skin of Color“ fehlt oft das Erythem, was die Diagnose erschwert.
Verteilung der Läsionen ändert sich
Die Verteilung der Läsionen ändert sich mit dem Lebensalter: Bei Säuglingen kann die gesamte Haut betroffen sein, außer der Windelregion. Bei Kindern tritt die Entzündung großflächig an den Beugeseiten der Extremitäten auf, bei Jugendlichen und Erwachsenen konzentriert sie sich auf große Beugen und betrifft zusätzlich Hände, Füße und Hals-/Kopfregion.
Bei der akuten AD handelt es sich um eine Th2-betonte entzündliche Erkrankung. „Das atopische Ekzem ist oft nur die Spitze des Eisbergs“, betonte die Dermatologin. Häufig treten komorbide atopische Erkrankungen wie Asthma, allergische Rhinitis oder Nahrungsmittelallergien auf. Auch bakterielle Hautinfektionen und psychische Begleitsymptome sind keine Seltenheit bei Menschen mit atopischer Dermatitis.
Komplexe Ursachen
Eine einfache Antwort auf die Frage nach der Ursache gibt es nicht. „Wenn die Patientinnen und Patienten fragen: ‚Wieso habe ich das?‘ – lässt sich das nicht in einem Satz beantworten. “ Genetik, Umwelt, Mikrobiom und Immunregulation spielen bei der Entstehung offenbar zusammen. Kinder auf Bauernhöfen erkranken bekanntlich seltener, aber das garantiert keinen Schutz.
Auch die Ernährung hat einen Einfluss. Diäten sind bei Neurodermitis allerdings nicht angezeigt, so Dr. Wolfensperger. Insbesondere Erwachsene sollten normal essen. Für Säuglinge mit erhöhtem Risiko empfiehlt sie vier Monate Vollstillen und danach eine frühzeitige, vielfältige Einführung von Breinahrung. „Fisch scheint protektiv zu sein, und Kinder, die früh Erdnüsse konsumieren (bei Babys wäre dies in Form von Mus), entwickeln seltener eine Erdnuss-Allergie. “ Die orale Aufnahme von Allergenen begünstigt die Toleranzentwicklung.
Ein weiterer Schutzfaktor ist der Kontakt zu bestimmten Tieren. Ein Hund in der Familie senkt das Risiko für AD, sofern ihm Freigang möglich ist, wie gezeigt werden konnte. Für Katzen gilt dies jedoch nicht.
Die Basistherapie
Die Behandlung erfolgt stufenweise und beginnt mit der konsequenten Pflege der trockenen Haut. „Atopiker erkennt man am Duschverhalten: lange Warm-Duscher; das ist ungünstig“, so die Referentin. Empfohlen werden kurze, lauwarme Duschen mit Syndet statt Seife, anschließend sanftes Abtupfen und sofortiges Eincremen, bestenfalls mit parfümfreier Pflege.
Das Mikrobiom spielt bei AD eine zentrale Rolle. Außderdem nimmt Staphylococcus aureus bei Ekzemschüben zu. Daher können desinfizierende Bäder Schüben vorbeugen. Zwei solche Bäder pro Woche können Studien zufolge die Entzündung und bakterielle Belastung der Haut reduzieren.
Zur Basistherapie gehören auch Aufklärung und Stressmanagement. „Das atopische Ekzem begleitet Patientinnen und Patienten ein Leben lang. Es kommt in Schüben, häufig in Stressphasen. Achtsamkeitsmeditationen und gute Schlafhygiene können helfen, den Juckreiz-Kratz-Kreislauf zu durchbrechen.“
Keine Angst vor Entzündungshemmung
In Stufe 2 der Behandlung kommen topische Steroide oder Calcineurin-Inhibitoren hinzu. „Viele Menschen haben Angst vor Kortison – oft, weil Apotheker oder Hausärzte warnen: ,Nicht zu viel, nicht zu lange‘‘, sagte Dr. Wolfensperger. Richtig eingesetzt sei Kortison aber „sehr nebenwirkungsarm und ein günstiges, wirksames Mittel“.
Die Referentin empfiehlt Mometasonfuroat, ein stark wirksames, verestertes Steroid, das in der Haut schnell gespalten wird. Dadurch wird die Resorption verhindert. Systemische Nebenwirkungen seien dadurch praktisch ausgeschlossen. Das Präparat könne man selbst Schwangeren unbesorgt verschreiben.
Weitere Eskalationsstufen
Weitere Therapieoptionen umfassen Lichttherapie und weiters eine Tuchtherapie zur Wirkungsverstärkung topischer Präparate.
Bei schweren Verläufen kommen verschiedene systemische Therapien zum Einsatz, die allerdings durch Dermatologinnen bzw. Dermatologen einleiten müssen. Dr. Wolfensperger betonte weiters, dass neben Basistherapie und modernen Medikamenten auch die Patientenschulung zur Behandlung gehört. „Mit den Patienten zu reden, wird heute manchmal ein bisschen vergessen.“
Wolfensperger M. Neurodermitis - State of the Art. FomF WebUp Dermatologie, 7. Oktober 2025, online
