Testosteron und DHEA: Wer profitiert von einer Substitution?
Testosteron gilt in der Anti-Aging-Industrie als vermeintlicher Jungbrunnen. Es soll Muskelmasse, stärkere Knochen und mehr Lust auf Sex fördern. Doch wie fundiert ist die wissenschaftliche Evidenz? Wer profitiert von einer Substitution, und wie sicher ist sie in Bezug auf Herz-Kreislauf-Ereignisse? Prof. Dr. Bernd Schultes vom Stoffwechselzentrum St. Gallen beleuchtete diese Fragen beim Kardiologie Review Kurs 2025.

Testosteron werde oft als Wundermittel für Männer angesehen, aber die klinischen Erfolge seien meist enttäuschend, dämpft der Experte gleich zu Beginn seines Vortrags die Erwartungen.
Altern und Übergewicht verringern Testosteron bei Männern
Alter und Body-Mass-Index beeinflussen den Testosteronspiegel erheblich. Besonders adipöse Männer leiden unter Testosteronmangel. Warum? „Fettzellen enthalten das Enzym Aromatase. Bei Menschen mit Adipositas ist dessen Aktivität im Fettgewebe erhöht. Dadurch wird Testosteron verstärkt in Estradiol umgewandelt“, erklärt der Referent. Estradiol hemmt die Ausschüttung von LH (luteinisierendes Hormon) in der Hypophyse und damit die Testosteronbildung im Hoden.
Wie lässt sich Testosteron bei Betroffenen erhöhen? Dr. Schultes verweist auf eine Studie mit Patienten nach einer Magenbypass-OP: „Hier sahen wir einen deutlichen Anstieg des Testosteronspiegels, wenn die Patienten Gewicht verloren hatten.“
Eine Studie mit Aromatasehemmern verbesserte zwar die Hormonwerte, zeigte aber keinen Effekt auf Stoffwechsel, körperliche Funktion oder Stimmung. „Das war reine Laborkosmetik.“
Freies Testosteron über SHBG berechnen
„Um das Testosteron zu untersuchen, müssen Sie mindestens zwei Messungen des Gesamttestosterons vornehmen“, betont der Experte. „Denn ein Wert ist kein Wert.“ Er rät davon ab, freies Testosteron direkt zu messen. „Das ist viel zu gering. Außerdem sind die meisten Assays, die die Labore verwenden, nicht geeignet.“ Stattdessen empfiehlt er, das Sexualhormon-bindende Globulin (SHBG) zu messen und daraus das freie Testosteron zu berechnen.
Der Referent hebt die zirkadiane Rhythmik von Testosteron hervor. „Für einen aussagekräftigen Wert müssen Sie das Blut zwischen 7 und 10 Uhr morgens abnehmen.“
Männer mit Adipositas haben oft niedriges Gesamttestosteron, während SHBG hochreguliert ist, was die Reduktion des freien Testosterons mildert. Ein erhöhtes LH deutet auf eine nachlassende Hodenfunktion hin.
Vor jeder Testosterongabe sind mögliche Differenzialdiagnosen zu beachten. Der Endokrinologe empfiehlt die Bestimmung von:
- LH (Hypophyseninsuffizienz),
- Prolaktin (Hyperprolaktinämie) und
- Ferritin (Hämochromatose).
Zudem hat er eine wichtige Botschaft zum diagnostischen Algorithmus. „Oft ist der erste Gedanke, ein MRT der Hypophyse zu machen. Das ist falsch, denn in der Endokrinologie bestimmen wir zunächst die Laborwerte.“ Er verweist dabei auf das häufige Vorkommen von Inzidentalomen der Hypophyse und Nebenniere, die keine therapeutische Konsequenz haben.
Wirksamkeit oder Modeerscheinung?
Placebokontrollierte Studien zeigen, dass selbst ältere Männer mit niedrigem Testosteron und Symptomen nur teilweise von einer Substitution profitieren. Vor allem die sexuelle Funktion verbessert sich. Die Muskelmasse nimmt zu, jedoch nicht die körperliche Leistungsfähigkeit und Vitalität. Die Gewichtsreduktion ist moderat, Diabetes oder das Lipidprofil verbessern sich nicht signifikant.
Ist die Therapie sicher für das Herz?
Eine Studie aus dem Jahr 2010 verunsicherte, da sie bei älteren, gebrechlichen Männern über 65 Jahren wegen erhöhter kardiovaskulärer Ereignisse und Übersterblichkeit abgebrochen werden musste.
„Testosteron ist wahrscheinlich kardiovaskulär sicher“, beruhigt der Referent und verweist auf eine placebokontrollierte Studie aus 2023 mit über 2.500 Patienten, die kein signifikantes Risiko für Myokardinfarkte, Schlaganfälle oder Gesamtmortalität zeigte.
Wann profitieren Männer von Testosteron?
„Wir empfehlen die Substitution, wenn das Gesamttestosteron unter 8 nmol/l (<230ng/dl) liegt und die Männer eine entsprechende klinische Symptomatik haben“, erklärt der Experte. Bei Werten zwischen 8 und 12 nmol/l sollte die Substitution vom freien Testosteron abhängen. Keine Indikation besteht bei Werten über 12 nmol/l.
Kontraindiziert ist die Substitution bei Prostatakarzinom, auffälligem PSA-Wert über 4ng/ml, Mammakarzinom, Hämatokrit über 50 Prozent und Kinderwunsch. Testosteron erhöht den Hämatokrit und kann Prostatahyperplasie sowie Schlafapnoe verschlechtern, berichtet der Referent. Die Inzidenz eines Prostatakarzinoms steigt jedoch nicht.
Testosteron wirkt über seine Umwandlung zu Estradiol auch osteoprotektiv. Dennoch zeigte eine aktuelle Studie eine erhöhte Frakturrate unter der Substitution. „Die Ursachen sind unklar. Vermutlich spielt ein verändertes Risikoverhalten der Patienten eine Rolle“, so der Endokrinologe.
Unzureichende Daten zu Testosteron bei Frauen
In den USA sind Dehydroepiandrosteron (DHEA)-Präparate verbreitet. DHEA ist ein Prähormon, das in der Nebenniere gebildet wird und zu Testosteron und Estradiol wird.
„Bei Frauen ist die Datenlage aber insgesamt schwach“, erläutert der Experte. „Wir empfehlen eher die Substitution mit Testosteron als mit DHEA.“ Es gebe allerdings keine klare Definition für Androgenmangel bei Frauen.
Die Substitution verbessert laut Experten die Sexualfunktion von Frauen mit verminderter Libido. Diese Indikation müsse aber streng abgeklärt werden, mahnt Prof. Schultes. Auch urogenitale Symptome könnten sich bessern. Nebenwirkungen sind Hirsutismus und Akne.
„Es gibt keine Sicherheitsdaten bei langfristiger Anwendung“, betont der Endokrinologe und verweist darauf, dass die Substitution selbst bei Nebennierenrindeninsuffizienz nicht eindeutig empfohlen ist.