MIS-C nach Covid-19: Neue Hinweise auf Rolle des EBV
Das Multisystem Inflammatory Syndrome in Children (MIS-C) ist eine seltene, aber schwere entzündliche Erkrankung, die nach einer Covid-19-Infektion bei Kindern auftreten kann. Eine neue Studie legt nahe, dass eine Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus (EBV) durch SARS-CoV-2 dafür verantwortlich sein könnte. Dieses Zusammenspiel von Viren ist bereits im Zusammenhang mit Long Covid bekannt.

Eine Coronainfektion bei Kindern verläuft meist mit milden Symptomen. In seltenen Fällen können jedoch Komplikationen wie das Multiinflammationssyndrom MIS-C (auch Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome, PIMS) auftreten. Die genaue Ursache für MIS-C war bislang unbekannt.
Deutsche Forscher haben nun Hinweise auf eine mögliche Erklärung gefunden und ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature veröffentlich (1). Sie zeigten, dass bei Kindern mit MIS-C nicht nur Spuren des Epstein-Barr-Virus (EBV) vorhanden waren, sondern auch eine überschießende EBV-Immunreaktion.
MIS-C nach Covid-19
MIS-C/PIMS ist eine gefürchtete Komplikation von SARS-CoV-2. Es kann bei Kindern und Jugendlichen vier bis acht Wochen nach einer Coronainfektion auftreten. Besonders häufig betroffen sind Kinder im Grundschulalter (ca. 6-12 Jahre), wobei etwas mehr Jungen als Mädchen erkranken.
MIS-C äußert sich durch Fieberschübe, Hautausschläge und kardiovaskuläre Beteiligung bis hin zu Herzinsuffizienz, Myokarditis und Perikarditis. Rund die Hälfte der Patienten muss auf der Intensivstation behandelt werden, um ein Organversagen zu verhindern. Die Behandlung erfolgt meist anti-entzündlich, beispielsweise mit Steroiden.
Schätzungen zufolge entwickelte etwa eines von 800 Kindern nach einer Infektion mit dem ursprünglichen Covid-19-Virus ein MIS-C. Seit der Verbreitung der Omicron-Varianten, die seit 2021 dominieren, ist das MIS-C-Risiko deutlich geringer. Es tritt bei etwa einem von 4.000 Kindern auf.
Je nach Alter des betroffenen Kindes unterscheidet sich das klinische Bild des MIS-C. Bei Babys und jüngeren Kindern ähnelt es dem Kawasaki-Syndrom, während ältere Kinder eher Symptome des Toxic-Shock-Syndroms (TSS) zeigen.
EBV und Covid
Das Epstein-Barr-Virus gehört zur Familie der Herpesviren und äußert sich bei einer Erstinfektion häufig als Mononukleose (Pfeiffersches Drüsenfieber). Einmal infiziert, verbleibt das Virus lebenslang im Körper und kann unter bestimmten Bedingungen reaktiviert werden. Die Seroprävalenz für EBV liegt weltweit bei etwa 95 Prozent der Erwachsenen – die meisten Menschen infizieren sich bereits in der Kindheit.
Der Zusammenhang zwischen EBV und Covid-19 ist Forschern bereits bekannt. Mehrere Studien legen nahe, dass langfristige Beeinträchtigungen wie Fatigue nach einer SARS-CoV-2-Infektion mit einer EBV-Reaktivierung assoziiert sein könnten (2).
Eine aktuelle Forschungsarbeit (3) wies zudem zirkulierende EBV-Antikörper und eine Daueraktivierung des Komplementsystems in Long-Covid-Patienten nach. Es gibt auch Hinweise auf eine Verbindung zwischen EBV und Autoimmunerkrankungen wie systemischem Lupus erythematodes und Multipler Sklerose.
MIS-C-Kinder bekämpfen EBV mit stumpfen Waffen
Das Forscherteam um Prof. Dr. Tillmann Kallinich vom Deutschen Rheumaforschungszentrum (DRFZ) untersuchte 145 Kinder im Alter von zwei bis 18 Jahren, die in fünf europäischen Zentren behandelt wurden. Sie fanden im Blut der MIS-C-Patienten Spuren einer EBV-Reaktivierung sowie hohe Konzentrationen an Anti-EBV-Antikörpern und EBV-spezifischen Immunzellen.
105 Kinder mit Covid-19-Infektion, aber ohne MIS-C, zeigten hingegen eine niedrigere Seroprävalenz von EBV und keine EBV-spezifischen Entzündungszeichen. Das deutet darauf hin, dass das Immunsystem der betroffenen Kinder aktiv versucht, das Virus zu beseitigen.
Gleichzeitig wies das Serum der erkrankten Kinder unüblich hohe Spiegel des Transforming Growth Factor Beta (TGF-beta) auf. Dieser Entzündungsmediator ist für seine antiinflammatorische Wirkung bekannt. Im Fall der untersuchten Kinder dämpfte er unter anderem die Funktion von virusspezifischen Memory-T-Zellen. Beim MIS-C könnte TGF-beta laut den Forschern die Beseitigung von EBV verhindern und den Kampf gegen das Herpesvirus verlängern.
Hintergrund des MIS-C könnte also neben der EBV-Infektion eine fehlgeleitete Reaktion des Immunsystems auf die SARS-CoV-2-Infektion mit Überproduktion von TGF-beta sein. Die Forscher hoffen nun, dass die Blockade von TGF-beta ein neues Ziel zur Therapie des MIS-C sein könnte.
- Goetzke CC et al. TGFβ links EBV to multisystem inflammatory syndrome in children. Nature 2025 Mar 12. doi: 10.1038/s41586-025-08697-6.
- Gold JE et al. Investigation of Long COVID Prevalence and Its Relationship to Epstein-Barr Virus Reactivation. Pathogens. 2021 Jun 17;10(6):763. doi: 10.3390/pathogens10060763
- Cervia-Hasler C et al. Persistent complement dysregulation with signs of thromboinflammation in active Long Covid. Science. 2024 Jan 19;383(6680):eadg7942. doi: 10.1126/science.adg7942.